„Beleidigung der christlichen Welt“: Hagia Sophia wird wieder zur Moschee

Die Entscheidung des türkischen Präsidenten Recep Tayyip Erdogan, die seit über achtzig Jahren als Museum genutzte Hagia Sophia (Heilige Weisheit) wieder in eine Moschee umzuwandeln, sorgt für weltweite Kritik. „Es schmerzt mich sehr“, sagte etwa Papst Franziskus bei einem Segen auf dem Petersplatz. Deutsche Islam-Verbände haben dagegen kaum Stellung zu der Entwicklung bezogen. Die Gesellschaft für bedrohte Völker nennt es „enttäuschend, dass die meisten Muslime in Deutschland offenbar keine Solidarität für christliche Minderheiten in der Türkei aufbringen können“. Tatsächlich scheinen „die größeren muslimischen Gemeinden in Deutschland, vor allem der sunnitisch-islamischen Organisation DITIB, das Vorgehen der türkischen Regierung stillschweigend zu unterstützen“. Nur einzelne Islamgelehrte und Vertreter Alevitischer Verbände schlossen sich der Kritik an. Der Verein „Türkische Gemeinde in Deutschland“ sprach von einer „absoluten Fehlentscheidung“ Erdogans. In der „Frankfurter Allgemeinen“ hieß es, der türkische Regierungschef müsse jetzt klar Position beziehen, „wie ernst es ihm mit der Religionsfreiheit und dem Gebet von Nichtmuslimen ist“.

Mit deutlich schärferen Worten verurteilten die orthodoxen Kirchen den Beschluss. Für den russischen Patriarchen Kyrill bedeutet „die Bedrohung der Heiligen Sophia eine Gefahr für die gesamte christliche Zivilisation“, wie das Kirchenoberhaupt in der „Welt“ zitiert wird. Hilarion, Metropolit in Moskau, betonte, die im sechsten Jahrhundert als byzantinische Kirche errichtete Hagia Sophia sei für orthodoxe Gläubige „ein wichtiges Symbol, wie der Petersdom in Rom für die Katholiken“. Der griechische Regierungssprecher Stelios Petsas sprach von einer „Beleidigung der christlichen Welt“, auf die reagiert werden müsse. Auch weil noch nicht sicher ist, was aus den zahlreichen christlichen Mosaiken und Fresken wird, wenn das Museum am 24. Juli zum ersten Mal wieder für islamische Gebete geöffnet wird. Während einige Experten davon ausgehen, dass die Kunstwerke einfach verdeckt werden, um dem muslimischen Bilderverbot Rechnung zu tragen, fürchten andere, sie könnten ganz entfernt oder zerstört werden.

Der Islamwissenschaftler Christian Meier warnte in der „Frankfurter Allgemeinen“, dass Erdogan von allzu heftiger Kritik aus dem Ausland profitieren könnte – „sie spielt ihm in die Hände“. Dass die Hagia Sophia, die unter dem Gründer der modernen Türkei Kemal Atatürk zum Museum geworden war, jetzt wieder als Moschee genutzt werden soll, sei ein kalkulierter Schritt, um Widerspruch zu provozieren. „Bislang hat es noch immer funktioniert, die Bevölkerung hinter sich zu scharen, wenn es gilt, die Unabhängigkeit der Türkei gegen angebliche ausländische Verschwörungen zu verteidigen.“ Man solle dem Regierungschef nicht den Gefallen tun, ihm Munition zu liefern, um von seinen innenpolitischen Problemen abzulenken. Auch die „New York Times“ betont, dass Erdogan die Umwidmung in den vergangenen Jahren immer wieder zum Thema machte, wenn er politisch unter Druck stand. Die Frage nach der Zukunft der Hagia Sophia wird nach Angaben des Außenministeriums in Berlin „mit Sicherheit“ auch auf der Tagesordnung der nächsten Sitzung der UN-Kulturorganisation Unesco stehen. Das weltberühmte Bauwerk ist seit 1985 eine Weltkulturerbestätte. Trotzdem sei die Unesco nicht über die Umwidmung informiert worden.

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