KirchengeschichteEs geschah in Würzburg

Vom „synodalen Weg“ zur synodalen Verfassung der Kirche? In Deutschland gab es schon einmal eine große gemeinsame Synode von Bischöfen und Laien – in den siebziger Jahren in Würzburg. Was damals möglich war, ist kirchenrechtlich in Rom offenbar vergessen. Das zeigt der aktuelle Streit über den „synodalen Weg“. Unser Autor hatte seinerzeit die Synode vorbereitet und organisiert.

Es ist kaum zu fassen: Fast fünf Jahrzehnte hat die Kurie in Rom zu den Voten der Gemeinsamen Synode der Bistümer in der Bundesrepublik Deutschland (1971–1975), der Würzburger Synode, geschwiegen. Als Ergebnis ihrer Beratungen waren sie in Form von Bitten und Vorschlägen an den Papst gerichtet worden, um dessen Zustimmung zu kirchlichen Veränderungen zu erhalten, die in die weltkirchliche Zuständigkeit fallen. Jetzt wird dieses Schweigen beendet. Ausgerechnet in dem Augenblick, da die Deutsche Bischofskonferenz und das Zentralkomitee der deutschen Katholiken (ZdK) einen „synodalen Weg“ beschreiten wollen, der zwar den synodalen Gedanken aufgreift, aber noch keineswegs eine Gemeinsame Synode ist.

Beendet wurde das Schweigen im Zusammenhang mit der Erarbeitung einer Satzung für den „synodalen Weg“ durch einen Brief des Präfekten der Kongregation für die Bischöfe, dem ein Gutachten des Päpstlichen Rates für die Gesetzestexte beigefügt ist. Ohne zu wissen, wozu man jahrzehntelang geschwiegen hat, wird dort erklärt: „Wie kann eine Teilkirche verbindliche Beschlüsse fassen, wenn die behandelten Themen die Weltkirche betreffen? … Wie kann eine Versammlung einer Teilkirche über Themen der Weltkirche beschließen, und wie kann sich eine Bischofskonferenz von einer Versammlung dominieren lassen, von der die meisten Mitglieder keine Bischöfe sind?“

Römische Schreibtischarbeit

So erfreulich die Beendigung des Schweigens ist: Man hätte vom Päpstlichen Rat für die Gesetzestexte schon mehr Kenntnis kirchenrechtlicher Möglichkeiten bei Satzungen für synodale Vorgänge erwarten dürfen. Das von der Kurie gutgeheißene Statut der Würzburger Synode ist dem Päpstlichen Rat offensichtlich unbekannt. Ihm hat eine Schreibtischarbeit genügt, die ihm selbst als ungenügend vorgekommen wäre, wenn er sich mit den geschichtlichen und rechtlichen Fakten vertraut gemacht hätte.

Aber zunächst zu den aktuellen Vorhaben der Bischöfe und Laien. Der „synodale Weg“ ist keine Synode, er will das auch nicht sein. Ob er trotzdem ein Weg zu einer Synode sein kann, sollte geprüft werden.

Warum könnte es richtig sein, dass er ein Weg zur Synode wird? Welchen Grund gibt es für eine Synode in Deutschland? Ist die Fortentwicklung einer konzilsgerechten und die Zeichen der Zeit aufgreifenden Kirchenverfassung – also eine synodale Kirchenverfassung – ein solcher Grund? Erfordert das Bemühen um die Gestaltung einer synodalen Kirchenverfassung die Einberufung einer Synode, zu der Bischöfe, Priester, Ordensleute und Laien zusammenkommen?

Das Bemühen, eine grundlegende Fortentwicklung unserer Kirchenverfassung zu erreichen, dürfte die Einberufung einer Synode erforderlich machen. Aber vieles spricht auch dafür, dass wir inzwischen synodenunfähig sind. Der „synodale Weg“ könnte jedoch der Frage nachgehen: Was ist zu tun, damit die Kirche in Deutschland wieder synodenfähig wird, dass eine Synode durchgeführt werden kann, die der Würzburger Synode vor fünf Jahrzehnten vergleichbar ist? Soll der „synodale Weg“ dieser Frage nachgehen?

Damals gab es den Konsens

Viele Laien, Priester und Bischöfe kennen die Würzburger Synode nur vom Hörensagen, vielleicht auch aus Geschichtsbüchern. Daher einige Anmerkungen: Synoden sind für die Fortgestaltung der kirchlichen Verfassung notwendig. „Eine Synode versammelt benachbarte Ortskirchen, indem sie einerseits die Einzelgemeinden im Leben der Kirche zur Geltung bringt, und andererseits sie durch die Gemeinschaft der Kirchen untereinander … vor schädlichen Sonderentwicklungen bewahrt“, hat Karl Lehmann einmal formuliert. Das gilt auch für die Würzburger Synode.

Die allgemeine Unruhe unter den Katholiken nach dem Zweiten Vatikanischen Konzil und auf dem Essener Katholikentag 1968 war rückblickend wirklich ein „Kairos“, um die Würzburger Synode auf den Weg zu bringen. Dennoch bedurften die Planung und Durchführung einer solchen Synode überzeugender Begründungen. Die Herausforderungen, die sich der Kirche damals stellten, waren allen Diözesen gemeinsam. Aus Gründen der Arbeitsökonomie und der Gemeinsamkeit im Handeln sprach deshalb alles für eine Gemeinsame Synode. Das setzte aber einen Konsens im ZdK und in der Bischofskonferenz voraus. Diesen Konsens gab es damals, er wurde durch offenen und ehrlichen Dialog erreicht. Auch damals galt: Jeder Diözesanbischof, der einer Gemeinsamen Synode nicht zustimmt, verhindert, dass sie möglich wird.

Konsens in der Bischofskonferenz ist auch die Voraussetzung dafür, dass ein Statut für eine Gemeinsame Synode im Sinne der Würzburger Synode von Rom gebilligt wird. Das kirchliche Gesetzbuch sieht eine solche Synode nicht vor, damals wie heute nicht. Im Februar 1969 beschloss die Vollversammlung der Bischofskonferenz, „eine Gemeinsame Synode der Diözesen in der Bundesrepublik Deutschland vorzubereiten und die dafür erforderlichen Voraussetzungen zu schaffen“. Zwei Tage später teilte der Apostolische Nuntius Corrado Bafile dem Vorsitzenden der Bischofskonferenz, Kardinal Julius Döpfner, die Zustimmung des Heiligen Stuhls zur Durchführung der Synode mit sowie das Einverständnis mit den geplanten Abweichungen von den kirchenrechtlichen Vorschriften. Im Zusammenhang damit wurde die Bitte geäußert, in Fragen der Formulierung der Geschäftsordnung engen Kontakt zu halten, weil in der römischen Kurie der Würzburger Synode offensichtlich Modellcharakter für weitere Synoden in der Weltkirche zugeschrieben wurde. Die tatsächliche Entwicklung ist – wie bekannt – eine andere.

In der Synode waren die Rechte der Bischofskonferenz und des Papstes voll gewahrt. Beratungsgegenstände wurden nur im Einvernehmen mit der Bischofskonferenz festgesetzt. Anträge, deren Gegenstände einer gesamtkirchlichen Regelung vorbehalten sind, konnten nur in Form eines Votums an den Heiligen Stuhl eingebracht werden. Eine Beschlussfassung der Vollversammlung der Synode war nicht möglich, wenn die Bischofskonferenz Bedenken geltend machte, die in ihrer Lehrautorität oder im bischöflichen Gesetzgebungsrecht begründet waren. Spätestens während der zweiten Lesung mussten diese Bedenken aber der Vollversammlung mit entsprechender Begründung bekanntgegeben werden. Dadurch hatte die Vollversammlung die Möglichkeit, auch über diese Bedenken zu beraten und gegebenenfalls zu einem veränderten Ergebnis zu kommen.

Gute Voten, aber Rom schweigt

Auf diese Weise wurden die Bischöfe voll in die Synode eingebunden. Sie stimmten in der Synode selbst mit ab, gleichzeitig blieb ihre potestas episcopalis (bischöfliche Vollmacht) voll gewahrt. Das Statut war ekklesiologisch sauber formuliert und hat sich in der Praxis bewährt. Erfolglos blieben die Voten an den Heiligen Stuhl in Fragen, die einer gesamtkirchlichen Regelung vorbehalten sind. Zwar wurden auch diese Voten sauber formuliert und von der Vollversammlung unter der beschriebenen Beteiligung der Bischöfe beschlossen. Leider bestand jedoch die römische Beteiligung an dem von der Kurie selbst gebilligten Verfahren in der Regel aus Schweigen.

Dialog – und nicht Dialogverweigerung – ist eine Grundvoraussetzung für das Gelingen synodaler Vorhaben. Rom hat mit dem Zweiten Vatikanischen Konzil Möglichkeiten eröffnet, die es später wieder zunichtemachte. Diese Erfahrungen müssen angesichts der Entwicklungen in Rom unter Papst Franziskus für die gegenwärtigen Überlegungen neu reflektiert werden.

Es sei nochmals darauf hingewiesen, dass das Konzil eine entscheidende Voraussetzung für die Gemeinsame Synode war. Auf dem Konzil haben die Bischöfe öffentlich zu kommunizieren gelernt. Das Konzil hat vielen Laienchristen zu einem wirklichen Aufbruch verholfen. Aber auch das Konzil lebte von Voraussetzungen, die es selbst nicht gewährleisten konnte. Und dabei geht es nicht nur um die Führung des Heiligen Geistes. Es geht auch um ganz unterschiedliche geschichtliche Tatsachen, ohne die das Konzil, wie auch die Würzburger Synode, kaum gedacht werden können. Eine unvollständige Aufzählung mag das verdeutlichen: Laienkatholizismus, kirchliche Jugendbewegung, Familienarbeit, Bibelbewegung, Frauenarbeit, liturgische Bewegung, ökumenische Bewegung, Sozialkatholizismus, politischer Katholizismus, caritatives Engagement, weltkirchliches Engagement, schulische Erziehung, Bildungsarbeit und Akademien, theologische und andere Wissenschaften und so weiter. Wie steht es heute um vergleichbare Voraussetzungen? Eine Selbstbesinnung aller Akteure ist notwendig, wenn es um die Frage einer erneuten Gemeinsamen Synode in Deutschland geht.

Es genügt nicht, aus der Geschichte Wegweisung für die Zukunft zu erwarten. Auch über die Gegenwart gilt es zu diskutieren, zu streiten und im Dialog Visionen für einen gemeinsamen Weg in die neue Zeit reifen zu lassen. Die gemeinsame Meinungs- und Willensbildung kann in unserer Zeit nicht durch Wegweisung von oben ersetzt werden. Die Wegweisung von oben muss sich in den Meinungs- und Willensbildungsprozess einbringen und sich als Weisung Jesu Christi erweisen, dessen Ruf zur Nachfolge allerdings an jeden Jünger und jede Jüngerin ergangen ist.

Die Verfassungsfrage

Der „synodale Weg“, den die Deutsche Bischofskonferenz und das Zentralkomitee der deutschen Katholiken gemeinsam begonnen haben, bietet die Chance, den zukünftigen Weg der Kirche in Deutschland in den Blick zu nehmen. Die vier vorgesehenen Themenbereiche – Sexualmoral, priesterliche Lebensform, Macht in der Kirche, Frauen in Diensten und Ämtern der Kirche – beinhalten dringende Fragen, die einer Antwort bedürfen. Die zukünftige Verfasstheit der Kirche als Volk Gottes und damit zusammenhängend die Verfassung der Institution Kirche ist durch diese Themenkomplexe zwar berührt, aber nicht umfassend in den Blick genommen.

Die Institution Kirche, die in der nachpfingstlichen Zeit geschaffen wurde, um den Jüngern Christi bei ihrem Kirche-Sein zu dienen, bedarf der Fortentwicklung. „Ihr macht uns die Kirche kaputt…“ lautet der Titel des jüngst erschienenen, höchst lesenswerten Buches von Daniel Bogner (Verlag Herder). Er ergänzt seinen Buchtitel mit der Feststellung: „… doch wir lassen das nicht zu!“ Hier spricht nicht nur ein Theologe und Politikwissenschaftler, sondern auch jemand, der durch seine Mitarbeit sowohl im gesellschaftlichen als auch im institutionellen Bereich der Kirche praktische Erfahrungen gesammelt hat. Auch wenn man nicht allen Thesen zustimmt, vermittelt dieser interessante Band einen hervorragenden Einblick in die Fragen, um die es bei der zukünftigen Verfasstheit und Verfassung unserer Kirche geht.

Zur Klarstellung: Menschen können die Kirche nicht kaputt machen – weder Bischöfe noch Priester oder Laien. Dass Menschen den Ruf zur Nachfolge Christi annehmen, das bleibt Tatsache bis zum jüngsten Tag. Aber die von Menschen geschaffene Institution Kirche kann tatsächlich „kaputt gemacht“ werden, wenn wir in dieser Gestaltungsaufgabe versagen. Es ist eine Unsitte, diese Gestaltungsaufgabe in einen Gegensatz zum persönlichen Glaubensleben zu bringen, indem man etwa behauptet, nicht die kirchlichen Strukturen seien für die Zukunft der Kirche entscheidend, sondern das Leben aus dem Glauben. Beides bedarf unserer Besinnung. Wir sprechen heute auch von sündigen Strukturen in der Institution Kirche. Solche Strukturen beeinträchtigen die Gemeinschaft des Volkes Gottes.

Wer der Frage nachgeht, in welcher inneren Verfassung sich das Volk Gottes, also die Kirche in Deutschland, befindet, wird feststellen, dass die Verfasstheit der kirchlichen Gemeinschaft nicht losgelöst von der Verfassung der kirchlichen Institutionen betrachtet werden kann. Damit stehen die rechtliche Verfassung der Kirche und das geltende Kirchenrecht zur Diskussion. Die Fortentwicklung der kirchlichen Verfassung ist in den vergangenen Jahrzehnten unvollkommen geblieben, weil die Weltkirche die hierfür erforderlichen Konsequenzen aus den Beschlüssen des Zweiten Vatikanischen Konzils nur unvollständig gezogen hat.

Hinzu kommt das Versäumnis, die Zeichen der Zeit erkannt und Schlussfolgerungen daraus für die Gestalt der Kirche gezogen zu haben. „Die Kirche muss … von der Welt lernen, sonst kann sie nicht Kirche sein. Es gibt kein Selbstverständnis, kein Denken, keine Theologie ohne Welt. Eine weltlose Theologie wäre gar nicht denkbar, auch nicht ohne die soziale Welt“, hat Kardinal Reinhard Marx zu Recht erklärt.

Hier ist nicht der Raum, auf die Zeichen der Zeit einen umfassenden Blick zu werfen. Einige Stichworte mögen das Themenfeld beleuchten: christlich frei statt ideologisch fixiert, personale Freiheit statt patriarchaler Bevormundung, solidarisch statt individualistisch, subsidiär statt zentralistisch, teilhabend statt klerikalistisch, demokratiegemäß statt monarchisch, Nachfolge Christi statt Gefolgschaft, Gewaltenteilung statt Machtmissbrauch. Viele Zeichen der Zeit haben einen christlichen Wurzelgrund.

Ein Auftrag für das Kirchenrecht

Wer wie ich vor einem halben Jahrhundert an der Vorbereitung und Durchführung der Gemeinsamen Synode in Würzburg beteiligt war, weiß, warum die rechtlichen Fragen der kirchlichen Verfassung – mit Ausnahme des kirchlichen Verwaltungsrechts – dort nicht thematisiert wurden. Es wurde davon ausgegangen, dass die päpstliche Kommission zur Überarbeitung des Kirchenrechts das Konzil sachgerecht umsetzen würde. Erste Entwürfe untermauerten diese Beurteilung. Erst die Neufassung des Kirchenrechts von 1983 belehrte uns eines Besseren. Aber die Würzburger Synode war abgeschlossen, die beschlossenen Voten wurden in Rom ignoriert, das mit den Bischöfen einvernehmlich beschlossene kirchliche Verwaltungsrecht wurde weder überdiözesan noch diözesan umgesetzt.

Das Projekt einer konzilsgerechten und die Zeichen der Zeit berücksichtigenden Kirchenverfassung blieb uns also erhalten. Dass Bischöfe, Priester, Ordensleute und Laien auf einem gemeinsamen Weg die Synodalität unserer Kirche ernstnehmen, ist zu begrüßen. Aber der „synodale Weg“ wird nur dann den Erfordernissen der Gegenwart gerecht, wenn er auch der Frage nachgeht, wie die Verfassung der Institution Kirche in Zukunft zu gestalten ist, damit die Institution dem Gottesvolk Kirche wirklich dient. Ich bin davon überzeugt, dass die Beratungen kirchlicher Verfassungsfragen die Vorbereitung und Durchführung einer Synode voraussetzen, die der Gemeinsamen Synode der Bistümer in der Bundesrepublik Deutschland vor fünf Jahrzehnten in ihrer Partizipation des ganzen Gottesvolkes vergleichbar ist.

Die Furcht vor Entscheidungen über die zukünftige Verfassung kirchlicher Institutionen ist unangebracht. Denn diese Institutionen sind von uns unter der Führung des Heiligen Geistes erst nach Pfingsten im Laufe der Geschichte gestaltet worden. Sie können und müssen von uns Christen unter der Führung des Heiligen Geistes in der Zeit zwischen Pfingsten und dem Jüngsten Tag auch fortgestaltet werden. „Die Kirche hat nicht die Freiheit dazu, sich für unfrei zu erklären. Sie hat vielmehr sowohl rechtlich als auch geistlich die Freiheit, Entscheidungen zu treffen. Denn in ihr ist die vorösterliche Legitimation der Zwölf durch Jesus mit der pneumatischen Freiheit der nachösterlichen Apostel verbunden“, hat der Jesuit Klaus Mertes unlängst festgehalten.

Pfingstlicher Mut

Es empfiehlt sich daher, dass auf dem „synodalen Weg“ auch folgender Frage nachgegangen wird: Was muss unternommen werden, damit eine von breitester Beteiligung des Gottesvolkes getragene Synode veranstaltet werden kann. Wie also kann die Kirche in Deutschland wieder synodenfähig werden? Man möge nicht einwenden, eine solche Synode sei nach dem geltenden Kirchenrecht nicht möglich. Auch die Synode in Würzburg war nur mit besonderer Genehmigung Roms und nicht nach geltendem Kirchenrecht möglich. Da Papst Franziskus immer wieder die Synodalität der Kirche betont, wird er die vom geltenden Kirchenrecht erforderliche Ausnahmegenehmigung erteilen. Eine Verweigerung dieser Genehmigung ist unvorstellbar, es sei denn, man unterstellt ein Scheitern dieses Pontifikats.

In einer Synode kann die Verfasstheit des pilgernden Gottesvolkes in unserem Land und damit der Kirche in Deutschland in den Blick genommen werden, und zwar unter breitester Beteiligung aller Kirchenglieder. Die gegenwärtige „patriarchal-männerbündisch verfasste Kirche“, wie es der Journalist Daniel Deckers formuliert hat, muss öffentlich und kritisch bewertet werden, einem Meinungsstreit sollte man keineswegs ausweichen. Nur so kann ein Prozess der Meinungsbildung und schließlich der Willensbildung über die Verfassung der Institution Kirche erfolgreich verlaufen.

Das Ergebnis der Beratungen kann zwar nur ein Votum nach Rom sein. Aber dieses ist auch erforderlich. Die Kirche in Deutschland ist in der Weltkirche für ihre solidarische Haltung bekannt. Auch diese Solidarität, und nicht nur die Situation in Deutschland, erfordert ein solches Votum. Die Zugehörigkeit zur Weltkirche verlangt nicht nur die vermeintlich notwendige Rücksicht auf andere Ortskirchen, wie einige Bischöfe in Verteidigung des Status quo meinen. Sondern sie verlangt auch Rücksicht im Blick zurück auf die eigene Geschichte sowie Voraussicht im Blick nach vorn auf die Zukunft der Kirche und die damit verbundenen Erfordernisse. Solidarität ist keine Einbahnstraße. Das ist die Erfahrung unserer weltweit wirkenden kirchlichen Werke und Bemühungen. Die Generaloberin der Oberzeller Franziskanerinnen, Katharina Ganz, nannte in einem Zeitungsinterview ein Beispiel: „Wer sollte etwas dagegen haben können, wenn die katholische Kirche in Deutschland stellvertretend für die Weltkirche mithilfe der akademischen Theologie das Für und Wider von Ämtern und Diensten von Frauen in der Kirche erörtert?“

Das Votum der Gemeinsamen Synode der deutschen Bistümer müsste die Bitte an die Weltkirche enthalten, zu prüfen, wie „der Heilige Geist und wir“ (vgl.Apg 15,28) die Verfassung der Kirche im Sinne des Zweiten Vatikanischen Konzils unter Berücksichtigung der Zeichen der Zeit in pneumatischer Freiheit fortschreiben wollen. Wenn das ein drittes Vatikanisches Konzil erforderlich macht, dann sollte auch diese Chance ergriffen werden.

Wer über die Perspektive Gemeinsame Synode in Deutschland erschrocken ist, mag erklären, welche sinnvolle Alternative er dazu sieht. Nicht der Weg ist das Ziel, auch nicht die Synode. Das Ziel ist vielmehr eine zeitgerechte Verfassung der Kirche, die der Heilige Geist und wir gestalten müssen. Das ist keine Utopie, vielmehr eine Realutopie, die Schritt für Schritt Orientierung auf dem Weg in die kirchliche Zukunft gibt. Wenn alle Glieder des Volkes Gottes als Weggemeinschaft in dieser Weise unterwegs sind, dann wird eine synodale Verfassung unserer Kirche Wirklichkeit.

Wer aber in dieser Weggemeinschaft nicht unterwegs sein will, der soll das öffentlich erklären und seine Argumente erläutern. Nur die offene Diskussion über die gegenwärtige Verfassung unserer Kirche, über ihren geschichtlichen Weg sowie über die Erfordernisse einer in pneumatischer Freiheit gestalteten Zukunft unserer Kirche kann unserer Verantwortung in der Nachfolge Christi gerecht werden. Das gilt auch für die Bischöfe, die dem Satzungsentwurf für den „synodalen Weg“ nicht zugestimmt haben.

Anzeige: In der Tiefe der Wüste. Perspektiven für Gottes Volk heute. Von Michael Gerber

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