Eine kritische Auseinandersetzung mit der WickelmethodeEinschlafhilfe Pucken

Alte Tradition und moderner Trend: Häufig pucken Eltern und Erzieherinnen Säuglinge, um diese beim Ein- und Durchschlafen zu unterstützen. Doch die Wickelmethode birgt auch Risiken.

Einschlafhilfe Pucken
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Nicht selten hindern sich Neugeborene immer wieder durch heftige Armbewegungen am Einschlafen oder schrecken aufgrund dieser aus dem Schlaf. Dies bedeutet nicht nur eine Belastung für das Kind, sondern kann auch für die Eltern mit einem zunehmenden Schlafdefizit verbunden sein und zur Überforderung führen. Durch das sogenannte Pucken können die kindlichen Armbewegungen (die aufgrund ihrer neurologischen Unreife entstehen) unterbunden werden: Die traditionelle Methode ist eine Wickeltechnik, bei der Säuglinge von den Schultern bis zu den Füßen sehr eng eingewickelt werden. Die heute gängige Methode, um neugeborenen Kindern in den Schlaf zu helfen, beschränkt sich auf ein engeres Einwickeln des Oberkörpers. Der Hüft- Bein-Bereich wird währenddessen nur lose eingeschlagen, sodass die Bewegungsfreiheit der Beine erhalten bleibt. Diese Variante wird zumeist auch von Hebammen empfohlen. Da das Pucken den Schlaf des Kindes unterstützt und somit auch die Belastung der Eltern reduziert, kann diese Wickeltechnik kurzzeitig sinnvoll sein. Es bringt allerdings auch große gesundheitliche Risiken für das Kind mit sich und sollte daher kritisch hinterfragt werden.
Für pädagogische Fachkräfte wird das Thema relevant, wenn sie Kinder betreuen, die von ihren Eltern gepuckt werden. Bisweilen sind dies Familien, die ihre Wurzeln im osteuropäischen Raum haben – dort ist meist die traditionelle Variante weit verbreitet. Aber auch in Holland und im deutschsprachigen Raum nimmt die Bereitschaft der Eltern zu, ihr Kind zu pucken. Hier fällt Erzieherinnen die wichtige Aufgabe zu, die Eltern über die gesundheitlichen Risiken des Puckens aufzuklären.

Auf die richtige Methode kommt es an

Wenn Eltern ihr Kind zum Einschlafen von oben bis unten einwickeln, sollte ihnen zunächst nahegelegt werden, eine moderatere Methode anzuwenden. Denn das enge Einbinden im Beinbereich bewirkt eine Streckung der Hüftgelenke, was deren gesunde Ausreifung behindert und ggf. eine Hüftdysplasie fördert bzw. provoziert. Stattdessen sollte z. B. mithilfe eines Pucktuches lediglich der obere Körperbereich eingewickelt werden, sodass die Beinfreiheit erhalten bleibt und Dysplasien vorgebeugt werden. Eine Beugehaltung der Hüftgelenke durch das Unterlegen einer Handtuchrolle unterstützt zudem die gesunde Entwicklung der Hüftgelenke.

Das Alter des Kindes setzt Grenzen

Oft ist bereits nach den ersten Lebenswochen das Pucken nicht mehr notwendig, da sich die heftigen Armbewegungen des Kindes allmählich verlieren. Dann sollte auf das Pucken verzichtet werden – spätestens jedoch im Alter von etwa sechs Monaten, wenn das Kind beginnt, sich von der Rücken- in die Bauchlage zu drehen. Dies kann ihm auch im Schlaf und in gepucktem Zustand gelingen. Das Risiko des plötzlichen Kindstodes (Sudden Infant Death Syndrome (SIDS)) in Bauchlage ist bei gepuckten Kindern über sechs Monaten doppelt so groß wie bei ungepuckten Kindern (Pease 2016). Daher ist das Pucken prinzipiell lediglich in den ersten Lebensmonaten zu vertreten, wenn das Kind sich noch nicht aus eigener Kraft in die Bauchlage drehen kann.
Gepuckte Kinder jedweden Alters sollten zudem nicht auf der Seite liegend zum Schlafen niedergelegt werden, da auch jüngere Säuglinge relativ leicht in die Bauchlage geraten können. Bei seitlicher Lagerung besteht auch bei Kindern unter einem halben Jahr ein erhöhtes SIDS-Risiko (Pease 2016, Kelly et al. 2017).
Wenn Einschlafprobleme langfristig bestehen oder sich erst später ergeben, ziehen manche Eltern in Erwägung, auch nach der Neugeborenenzeit mit dem Pucken zu beginnen. Wenn das Kind dies allerdings nicht von klein auf gewohnt ist, sollte den Eltern vom Pucken abgeraten werden: Zu der Frage, inwieweit sich Pucken gegen Ende des zweiten Lebensmonats noch positiv auf das Schlafverhalten des Kindes auswirkt, gibt es keine eindeutigen wissenschaftlichen Erkenntnisse. Die Untersuchungen kamen hier zu völlig gegensätzlichen Ergebnissen (Kelmanson 2013, Richardson 2009, Kelly et al. 2017, van Sleuwen et al. 2007). Des Weiteren zeigten Kinder, die bisher nicht gepuckt worden waren, während dieser neuen und ungewohnten Schlafsituation Gehirnaktivitäten, Herz- und Atemfunktionen, die mit dem plötzlichen Kindstod assoziiert sind (Richardson et al. 2009, 2010).

Für einen natürlichen Schlaf: rechtzeitig aufhören

Das Einschlafen ist eng mit Gewohnheiten und vertrauten Ritualen verbunden. Je länger solche Rituale aufrechterhalten werden, desto ausgeprägter und unverrückbarer können sie sein. Das hat durchaus positive Seiten, im Falle des Puckens kann dies aber zum Problem werden. Wurde ein Kind über lange Zeit daran gewöhnt, hat es später evtl. Schwierigkeiten, auch ohne enges Eingebundensein einzuschlafen. Nicht selten stehen Eltern vor der Herausforderung, ihren Kindern das Gepucktsein wieder abzugewöhnen.
Ein erholsamer Schlaf ist letztendlich auch mit einer entspannten und daher selbstgewählten Körperhaltung verbunden, folglich mit Bewegung. Wir verändern nachts etwa dreißig- bis achtzigmal unsere Liegeposition. Pucken behindert ältere Kinder bei ihren natürlichen Bewegungen während des Schlafs. Auch wenn sie beim Niederlegen das Pucken begrüßen, versuchen sie im Schlaf, sich aus der Umwickelung zu befreien. Dies führt zu Schlafunterbrechungen und womöglich zu Schlafstörungen, da die Kinder noch keine selbstregulatorischen Möglichkeiten entwickeln konnten, um bei kurzen Aufwachereignissen wieder eigenständig in den Schlaf zu finden.

Den Dialog mit den Eltern suchen

Für Erzieherinnen stellt das Pucken ein schwieriges Thema dar: Es kann vorkommen, dass Eltern von ihnen erwarten, dass sie das Pucken ihres Kindes in der Kita weiterführen – sei es aus traditionellen Gründen oder weil das Kind diese Einschlafhilfe gewohnt ist. Werden Kinder neu eingewöhnt, kann es außerdem ratsam sein, gewohnte Rituale weiterzuführen, um ihnen den Übergang in die Einrichtung zu erleichtern. Auf der anderen Seite ist es jedoch die Auf- gabe von Erzieherinnen, bedenkliche Betreuungsgepflogenheiten und kindliche Gewohnheiten aufmerksam zu verfolgen und kritisch zu hinterfragen. Im Zweifelsfall sollten sie in ihrer beratenden Funktion den Dialog mit den Eltern suchen und das Pucken thematisieren. So können sie bspw. alternative Rituale aufzeigen, die dem Kind das Einschlafen erleichtern und so das Pucken verzichtbar machen.  

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