Essgewohnheiten von KindernKleine Gourmets

Bloß nicht grün, aber bitte süß: Was prägt die Geschmacksvorlieben unserer Kinder?

Kleine Gourmets
Kinder haben Phasen, in denen sie manche Lebensmittel lieber mögen © privat

Kleine Erbsenzähler, Salatverweigerer, Nudelfanatiker – wenn es um die Essgewohnheiten ihrer Kinder geht, können alle Eltern mindestens eine Anekdote vom Mittagstisch beisteuern. Dabei ergeben die vermeintlichen Marotten aus evolutionsbiologischer Sicht durchaus Sinn. So ist es ein Überlebensvorteil, dass Kinder Süßes lieben, denn die Natur bietet fast nichts, was süß und giftig zugleich ist. Unsere Vorfahren konnten daher genießbare Früchte gut von den ungenießbaren unterscheiden. Außerdem zeigt Süße Kalorienreichtum an, und der Energiebedarf im Wachstum ist extrem hoch. Darum ist schon Muttermilch süß und energiereich. Aber auch in Kartoffeln und Nudeln stecken viele Kohlenhydrate, die schnell in den wichtigsten Energielieferanten der Zellen, die Glukose (Traubenzucker), umgewandelt werden.

Bitteres wie Spinat oder Kohlgemüse lehnen Kinder dagegen häufig ab, weil Bitterstoffe meist giftig sind. Sauergeschmack weist auf Verdorbenes oder Unreifes hin, salzige Lebensmittel zeigen an, dass viele Mineralstoffe in ihnen stecken. Auch Umami, den Geschmack von Glutamat, das in eiweißreichem Fleisch steckt, bewerten Kinder meist als positiv, denn erstaunlicherweise liefert auch Muttermilch Glutamat.

Täglich Nudeln ohne Soße?

Die Natur hat noch mehr Tricks auf Lager: Isst ein Kind lange Zeit immer dasselbe, führt das schließlich dazu, dass es diese Lieblingsspeise irgendwann satthat. Fachleute sprechen von der „sensorisch spezifischen Übersättigung“. Sie sorgt für Abwechslung auf dem Speiseplan und wirkt Nährstoffmangel entgegen. Kinder spüren also intuitiv, was ihr Körper braucht.

Bereits im Mutterleib, ab dem siebten Schwangerschaftsmonat, wird das Kind auf die spätere Familienkost eingeschworen. Gestillte Babys nehmen dann mit der Muttermilch spezifische Aromen auf. Layla Esposito, Geschmacksforscherin in den USA, rät daher: „Schwangere und Stillende sollten viele aromareiche und gesunde Nahrungsmittel essen.“ Wer nicht stillt, sollte in der Beikost ab dem fünften Monat verschiedene Breis anbieten, um eine Geschmacksvielfalt zu gewährleisten.

Eltern können noch mehr tun: Zahlreiche Studien belegen, dass das häufige Anbieten von unbekannten Lebensmitteln sogar bei den ganz Mäkeligen zum Erfolg führt, im Fachjargon „Mere-Exposure-Effekt“. Allerdings muss man es bei einigen Kindern bis zu zehnmal versuchen. Die Abscheu vor Neuem (Neophobie), die bis ins Alter von etwa 18 bis 24 Monaten zunimmt, schwächt sich später wieder ab.

Hänschen und Hans

Bei älteren Kindern spielt vor allem die Vorbildfunktion der Eltern oder älteren Geschwister eine immense Rolle. Kinder zwischen eins und vier probieren ein neues Nahrungsmittel doppelt so häufig, wenn Mama oder Papa zuerst etwas davon kosten. Auch wenn die anderen Familienmitglieder mit Appetit und Genuss essen, greifen die Kleinen lieber zu. Wer selbst nicht gerne Salat isst, wird also auch seine Kinder nur schwer zu Fans von Blattgemüse machen.

Zwingen sollte man Kinder nicht, denn dann verlernen sie, auf die Hunger- und Sattsignale ihres Körpers zu hören. Auch Verbote helfen nicht, sondern verstärken das Verlangen nach Lieblingsspeisen nur. Mit dem Argument „Das ist gesund“ kommen Eltern ebenfalls nicht weit; möglicherweise ist es sogar kontraproduktiv, da Kinder „gesund“ mit „schmeckt nicht“ gleichsetzen. „Kinder haben ein natürliches Essverhalten, das Eltern eher stören“, meinte einmal der mittlerweile verstorbene Ernährungswissenschaftler Volker Pudel. Er forderte darum: „Mehr Gelassenheit am Familientisch!“

kizz sprach mit Dr. Ulrich Fegeler, vom Bundesverband der Kinderund Jugendärzte Deutschlands

„Kinder gucken sich das Essen von den Eltern ab“

Gibt es verschiedene Esstypen bei Kindern?

Das würde ich so nicht sagen. Aber dass es Phasen gibt, wo die Kinder gewisse Nahrungspräferenzen haben, das ist bekannt und völlig normal. In einem Vierteljahr ist das dann meist wieder vorbei.

Eltern müssen sich also keine Sorgen machen, wenn ein Kind wochenlang nur Nudeln mit Tomatensoße wünscht?

Nein. Nudeln sind ein schneller Energielieferant. Aber man kann generell darauf achten, dass man frisch kocht.

Wenn ein Kind nur seltsame Lebensmittel wie Oliven oder Wasabi-Nüsse isst, will es damit Aufmerksamkeit erregen?

Nein, überhaupt nicht, das ist in der Regel reines Vorbildlernen. In solchen Fällen essen die Kinder also das, was sie sich von den Eltern abgeguckt haben.

Gilt die Devise „5 Portionen Obst und Gemüse am Tag“ auch für Kinder?

Es ist sicher richtig, wenn Eltern immer genügend Rohkost anbieten, sobald alle Zähnchen da sind – aber ohne für jeden Tag verbindliche Pläne festzulegen.

Gibt es Fälle, wo man sich tatsächlich Sorgen machen sollte?

Eine informierte mitteleuropäische Familie wird sich entlang des Mainstreams gesund ernähren. Das Problem sind bildungsferne Familien, in denen häufig ein „Ernährungschaos“ herrscht. Hier überwiegen Fertigprodukte, die meist viel zu fett, zu süß oder zu salzig sind. Frisches Gemüse, Obst oder Salate werden deutlich seltener verzehrt.

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