Großeltern in der Erziehung"Opa sagt, ich darf das!"

Eltern stellen Regeln auf, Großeltern unterwandern sie...dürfen sie das?

Opa sagt, ich darf das
Oma und Opa haben viel Zeit zum Spielen © Getty Images

Um es gleich vorweg zu sagen: Es ist toll, dass es Oma und Opa gibt! Für ihre Enkel sind sie wunderbare Weggefährten und für uns Eltern oft eine riesengroße Hilfe im stressigen Alltag. Aber auch das ist die Wahrheit: Manchmal kann es mit ihnen ganz schön schwierig sein.

Max zum Beispiel bekommt bei Oma am Nachmittag immer so viel Schokolade, dass er beim Abendessen keinen Appetit mehr hat. Und als Lina letztes Wochenende bei Opa war, durfte sie bis tief in die Nacht Trickfilme anschauen – natürlich schlief sie dabei ein, und das Zähneputzen fiel aus. Und erst all diese Geschenke, mit denen die Großeltern unseren Nachwuchs überschütten ...

Wer sich nur ein wenig umhört, stellt bald fest, dass das Verhältnis zwischen Eltern und Großeltern bei fast niemandem völlig konfliktfrei ist. Enkel-Verwöhnen ist Eltern-Aufreger Nummer eins, dicht gefolgt von unaufgefordert abgegebener Erziehungskritik: Opa hält Impfen für Blödsinn, Oma findet, dass unsere Kinder viel zu dünn angezogen sind, keine Manieren haben und zu wenig essen. Au weia!

Alle haben neue Rollen

Solche Konflikte kommen in den besten Familien vor, bestätigt die Psychologin Fabienne Becker-Stoll, Direktorin des Münchener Staatsinstitutes für Frühpädagogik. Die Ursachen dafür sind vielschichtig: „Zunächst einmal ist das erste Kind für alle Eltern eine knallharte Herausforderung, die mit vielen Unsicherheiten verbunden ist. Da kann ein gut gemeinter Ratschlag schon mal in den falschen Hals geraten“, sagt Becker-Stoll. Doch auch die frischgebackenen Großeltern müssen in ihre neue Rolle erst hineinwachsen. Sie müssen lernen, dass ihre Kinder nun endgültig erwachsen sind und Verantwortung für ihren eigenen Nachwuchs übernehmen wollen – und das auch können. Hinzu kommt schließlich, dass die meisten Familien nach der Geburt eines Kindes wieder enger zusammenrücken. Alleinerziehende und berufstätige Eltern sind oft sogar darauf angewiesen, dass die Großeltern sich zu bestimmten Zeiten um ihre Enkel kümmern. Je mehr Zeit man miteinander verbringt, desto mehr Reibungspunkte gibt es logischerweise. Nähe und Unsicherheit sind eine explosive Mischung. Ohne Kinder war es vielleicht noch möglich, der ungeliebten Schwiegermutter aus dem Weg zu gehen. Jetzt kommt sie immer häufiger zu Besuch, um das Enkelkind zu sehen. Und auch mit den eigenen Eltern muss man sich wieder mehr auseinandersetzen. Manchmal treten dann alte Konflikte der Eltern- und der Großelterngeneration nach außen, die jahrelang verborgen waren.

Drei Omas und zwei Opas

Konflikte können auch dadurch entstehen, dass geschiedene Großelternpaare nun wieder aufeinandertreffen, zum Beispiel bei der Taufe, dem Geburtstag oder der Einschulung des Enkelkindes. Nicht selten sind solche familiären Großveranstaltungen mit emotionalem Stress verbunden, für alle Beteiligten. Dann hilft es, mögliche Konflikte im Vorfeld einer Feier offen anzusprechen und sich und alle Beteiligten nicht zu überfordern. Manchmal treten Großeltern auch in Konkurrenz miteinander. Wen besucht das Enkelkind öfter? Wer verbringt gemeinsam das Weihnachtsfest? Manche Großeltern buhlen regelrecht um die Liebe ihrer Enkelkinder und überbieten sich mit Geschenken. Und manchmal formulieren auch die Kinder: „Ich mag Opa Helmut aber lieber als Opa Jochen“ – und verunsichern dadurch ihre Eltern, die sich um Ausgleich und Gerechtigkeit zwischen den Familien bemühen.

Gewinn für beide Seiten

Es wäre natürlich zu kurz gesprungen, zöge man aus all dem die Konsequenz, möglichst wenig Zeit miteinander zu verbringen. Denn in diesem Punkt sind sich nicht nur die Experten einig: Großeltern tun ihren Enkeln gut. Kinder profitieren beispielsweise enorm von der Gelassenheit, die Oma und Opa mitbringen. Sie lieben es, Geschichten von früher zu hören, finden es ungeheuer spannend zu erfahren, wie ihre eigenen Eltern als Kinder waren. Mit den Großeltern kann man tolle Abenteuer erleben und, ja, auch mal etwas Unvernünftiges unternehmen. Großeltern sind für ihre Enkel nahezu immer eine Bereicherung. Allein deshalb lohnt es sich schon, um ein gutes Verhältnis zu kämpfen.

kizz sprach mit Prof. Dr. Fabienne Becker-Stoll, Direktorin des Staatsinstituts für Frühpädagogik (IFP), München

Was tun, wenn sich Großeltern einmischen?

Zunächst mal schauen, welche Absicht dahinter steckt. Wenn Großeltern Ratschläge erteilen, wollen sie fast immer das Beste für das Enkelkind. Wer die Äußerung der Großeltern nicht als Vorwurf, sondern als Fürsorge versteht, der kann den Konflikt gelassener sehen.

Schlucken müssen Eltern nicht alles, oder?

Wenn etwas schiefläuft, ist ein offenes Gespräch wichtig. Allerdings ist es nur dann fruchtbar, wenn es ohne Vorwürfe abläuft. Die Auseinandersetzung fällt leichter, wenn Eltern sich bewusst machen, dass hinter dem Einmischen eigentlich eine gute Absicht steckt.

Können Sie uns ein Beispiel nennen?

Nehmen wir an, die Eltern sind überzeugte Vegetarier und die Großeltern sagen: „Ihr ernährt euer Kind nicht richtig!“, dann steckt dahinter möglicherweise die Sorge, das Kind könnte zu wenig Eisen bekommen. Das Gespräch könnten die Eltern so beginnen: „Wir sehen, dass ihr euch Sorgen um Lisas Gesundheit macht, aber wir sind regelmäßig beim Kinderarzt und der sagt bei jedem Besuch, dass sie sich prächtig entwickelt.“

Ein weiterer Knackpunkt: Viele Eltern finden, dass Oma und Opa zu sehr verwöhnen.

Bei Oma darf es ruhig etwas großzügiger zugehen. Wer ausnahmsweise ein süßes Betthupferl bekommt und dann das Zähneputzen vergisst, bekommt nicht sofort Karies. Ein Kind braucht seine Großeltern auch, um ein wenig verwöhnt zu werden.

Leider hören Eltern dann:„Bei Oma darf ich das aber!“

Richtig: bei Oma! Und ausnahmsweise. Selbst kleine Kinder begreifen den Unterschied recht gut, wenn man ihnen erklärt: „Ich weiß, dass Oma es gut mit dir meint. Deshalb ist es in Ordnung, was sie dir erlaubt. Aber hier ist es wichtig, dass du dir die Zähne putzt.“