Unsere Einrichtung ist ein sicherer Ort für Kinder!Standpunkt zum Thema Kinderschutzkonzept

Nach Erfahrung der Autorin sollte es in vielen Kitas wohl eher heißen: Unsere Einrichtung muss ein sicherer Ort für Kinder werden. Es gilt also, sich auf den Weg zu machen.

Unsere Einrichtung ist ein sicherer Ort für Kinder!
© Robert Niedring – GettyImages;

In der Begleitung von Kita-Teams bei Erstellung eines Schutzkonzepts nehme ich aktuell zwei Tendenzen wahr:

  1. Es gibt Leitungen, die mit ihrem Team gewissenhaft am Schutzkonzept arbeiten oder gearbeitet haben. Dabei reflektieren sie kontinuierlich das Alltagsgeschehen, schauen also gemeinsam darauf, ob die Rechte der Kinder dort jederzeit umgesetzt werden. Das führt dazu, dass die Alltagspädagogik bedürfnis- und kindorientierter wird und sich die feste Tagesstruktur in einzelne Orientierungspunkte verwandelt. Diese ermöglichen es dem Kind, sich im Laufe des Tages selbst Struktur zu geben. So kann das Recht des Kindes auf Selbstbestimmung umgesetzt werden, zum beispielsweise, dass ein Kind, wenn es Hunger hat, immer essen kann.
    Viele Kitas sind also auf einem guten bis sehr guten Weg, was die Erstellung, aber auch Umsetzung des Schutzkonzepts angeht. Wichtig: Ein Schutzkonzept macht nur Sinn, wenn es permanent als Querschnittsthema in der Einrichtung präsent ist und umgesetzt wird.
  2. Leider sind nicht alle Kitas auf diesem guten Weg. Von 30 Kitas, deren Teams ich begleite, würde ich sagen, ist mehr als die Hälfte noch weit entfernt von einer gleichwürdigen und integritätswahrenden Pädagogik, in der die Kinder echte Partizipation leben können und ihre Rechte durchgängig gewahrt sind. In dem Film „Sicher aufwachsen“ berichtet Jörg Maywald, dass jede vierte Interaktion zwischen Fachkraft und Kind nicht bedürfnisorientiert gestaltet ist und jede zwanzigste eine schwere Kinderrechtsverletzung darstellt. Vielerorts gibt es also noch einiges zu tun. Ich weiß von Leitungen, die das Schutzkonzept allein verfassen und es dann den Fachkräften vorlegen. Diese nehmen es mehr zur Kenntnis, als dass sie daraufhin ihren Arbeitsalltag überprüfen. Hinzu kommen Träger, die nicht wissen, wie sie mit Meldungen einer Leitung oder Fachkraft umgehen sollen oder müssen. Manche Träger weigern sich, Meldung zu machen, weil sie die Folgen scheuen, andere reagieren übertrieben und entlassen sofort und ohne nähere Prüfung die Fachkraft, der vorgeworfen wird, übergriffig oder gewalttätig gegenüber einem Kind gewesen zu sein.
    Noch immer gibt es Fachkräfte, die fest davon überzeugt sind, dass Kinder ihnen folgen müssen, weil sie als Lebenserfahrenere besser wüssten, was ein Kind fühlen darf und tun soll, anstatt ihm Gelegenheit zu geben, eigene Gefühle wahrzunehmen, einzuordnen und als Teil der eigenen Existenz zu verstehen (Rechte der Kinder §6: Recht auf Leben und bestmögliche Entwicklung). Hier ist die Leitung gefragt, nachhaltig am Thema zu bleiben und langfristig Inhouse-Seminare einzuplanen, damit sich die pädagogische Qualität weiterentwickelt. Je nach Bundesland gelten für die Erstellung eines Kinderschutzkonzepts zeitliche Fristen, zu denen das Konzept vorliegen muss. Da der Schutz der Kinder jedoch bereits gesetzlich verankert ist, müssen Leitung und Fachkräfte ihn schon jetzt gewährleisten. Dazu gehört, dass Kindern zugestanden wird,
  • Entscheidungen, die sie angehen, selbst zu treffen,
  • zu nichts - auch nicht freundlich – gezwungen zu werden,
  • Handlungen an ihrem Körper nur mit ihrem Einverständnis (nicht dem der Eltern) vornehmen zu lassen,
  • keine Form von (sanfter) Gewalt zu erleben.

Wenn Fachkräfte mit Kindern nur so umgehen, wie sie dies auch anderen Erwachsenen zugestehen, ist die Kita ein sicherer Ort für Kinder.

Praxisbeispiel

Kommt Kerim morgens um 7.30 Uhr hungrig in die Kita, macht es keinen Sinn, wenn er warten muss, bis nach dem Morgenkreis um 9.20 Uhr gemeinsam gefrühstückt wird. Ebenso bringt es nichts, wenn er nach dem Ankommen frühstückt, um zwei Stunden später ohne Hunger mit am Frühstückstisch sitzen zu müssen. Dem Recht auf Selbstbestimmung – gerade bei Grundbedürfnissen – können Teams aus meiner Sicht nur gerecht werden, wenn den Kindern freies Frühstück ermöglicht oder ihnen ein Schlafangebot gemacht wird, wenn sie auch müde sind. So würde das festgelegte gemeinsame Frühstück umgewandelt zu einem Orientierungspunkt für das Kind: Offenes Frühstück von 7.30 Uhr bis 10.00 oder 10.30 Uhr. In vielen Einrichtungen ist das eine erste Konsequenz, nachdem sich das Team mit dem rechtlichen Rahmen des Schutzkonzepts beschäftigt hat.

Beispiel zum Nachdenken

Erzieherin Jana, 35 Jahre, schaut Felix, 2 Jahre, mitten im Gruppenraum hinten in die Hose und sagt: „Ich glaub’, du hast einen Kaka drin. Puh, der stinkt aber! Komm, wir gehen wickeln.“ Mitarbeitervertreterin Gaby, 36 Jahre, geht zu Beginn der Dienstbesprechung an allen Kolleg:innen vorbei, riecht unter deren Achseln und sagt zu Dora: „Puh, das stinkt aber! Komm mal mit, ich mach’ dir Deo darauf“.

Rechtliche Vorgaben

Nach § 45 Abs. 2 Nr. 4 SGB VIII sind alle Träger aufgefordert, ein Schutzkonzept für ihre Kitas zu erstellen. Dort heißt es: Die (Betriebs-) Erlaubnis ist zu erteilen, wenn das Wohl der Kinder und Jugendlichen in der Einrichtung gewährleistet ist. Dies ist in der Regel anzunehmen, wenn zur Sicherung der Rechte und des Wohls von Kindern und Jugendlichen in der Einrichtung die Entwicklung, Anwendung und Überprüfung eines Konzepts zum Schutz vor Gewalt (vorliegt). www.gesetze-im-internet.de/sgb_8/__45.html (Zugriff 13.11.2023)
In der Regel delegiert der Träger diesen Auftrag sinnvollerweise an seine Leitungen und Teams. Dabei macht es Sinn, dass ein Träger mehrerer Kitas ein Rahmenschutzkonzept mit den Leitungskräften erstellt, das die

  • rechtlichen Rahmenbedingungen aufführt,
  • Implementierung des Kinderschutzes in Bewerbungs- und Einstellungsverfahren regelt,
  • verbindlichen Verfahren bei gefährdetem Kinderschutz festlegt (Was ist zu tun, wenn das Wohl eines Kindes in und außerhalb der Kita gefährdet ist?),
  • verbindlichen Beschwerdeverfahren für Kinder, Eltern und Mitarbeitende beschreibt (schriftlicher Handlungsablauf mit Beschwerde, Beteiligten und Lösung),
  • Partizipation von Kindern und ihrem Familiennetzwerk bei Erstellung und Umsetzung des Schutzkonzepts beschreibt.

Alle weiteren Inhalte werden dann einrichtungsbezogen in jedem Team erarbeitet.

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