Apps verändern die Kita-Welt

Digitale Anwendungen können bei pädagogischen und organisatorischen Aufgaben entlasten, bringen aber neue Herausforderungen mit sich, etwa beim Datenschutz. Träger und Leitungen sollten die Einführung von Kita-Apps deshalb gut vorbereiten.

Apps verändern  die Kita-Welt
© Blanche Carreras David – GettyImages

Hochkonzentriert errichtet der vierjährige Tom in der Bauecke mit bunten Holzbauklötzen kleine Häuser. Toms Erzieherin will den kreativen Moment für seine Entwicklungsdokumentation festhalten. Sie greift schnell zum Tablet und macht einige Fotos, die sie direkt mit einer speziellen App in Toms Portfolio einfügt. „Früher hätten wir erst einmal die Kamera aus dem Büro geholt und bis dahin wäre der flüchtige Augenblick vielleicht schon vorbei gewesen – mal abgesehen vom Aufwand, bis wir die Bilder ausgedruckt und eingeklebt hätten“, sagt Steffen Häuser, der als Fach- und Praxisberater die Einführung einer pädagogischen App in Toms städtischer Kita in Schwerin unterstützt hat. „Die App ermöglicht schnelle Momentaufnahmen und erleichtert die Arbeit unserer Fachkräfte. Die gesparte Zeit kommt dann den Kindern zugute.“

Digitalisierung trifft auf analog geprägte Pädagogik 

Die Arbeit mit Verwaltungssoftware ist in den meisten Einrichtungen schon lange Normalität. Seit einiger Zeit halten immer öfter auch sogenannte Kita-Apps Einzug: Softwarelösungen, die speziell für den Einsatz in Kindertageseinrichtungen konzipiert sind und Funktionen für Organisationsaufgaben, die pädagogische Dokumentation und die Eltern-Kommunikation bieten (siehe Kasten). Apps für die Arbeit mit kleinen Kindern? Für viele Fachkräfte und Eltern ein gewöhnungsbedürftiger Gedanke. Schließlich stellt die frühkindliche Pädagogik zwischenmenschliche Beziehungen an erste Stelle, ebenso den Grundsatz, dass Kinder ihre Umwelt im wahrsten Sinne des Wortes begreifen sollten. Gleichzeitig ist in Zeiten knappen Personals jede Entlastung willkommen und digitale Tools versprechen Arbeitserleichterung, Zeitersparnis und Potenziale für Qualitätsverbesserungen. Der Trend zu Kita-Apps wirft Fragen auf: Was können sie leisten? Wo liegen ihre Grenzen und welche Risiken gibt es, etwa beim Datenschutz? Wie finde ich die passende Lösung für mein Team und was sollte ich bei der Auswahl und der Einführung beachten?

Die IFP-Expertise bietet Orientierung

Dass es zu diesem Thema großen Beratungsbedarf gibt, bestätigt Eva Reichert-Garschhammer. Sie ist stellvertretende Direktorin des Staatsinstituts für Frühpädagogik und Medienkompetenz (IFP) des Freistaats Bayern. Gemeinsam mit anderen Autor:innen hat sie eine praxisorientierte Orientierungs- und Entscheidungshilfe verfasst, die kostenlos im Internet verfügbar ist:1 „Apps und Softwarelösungen für mittelbare pädagogische Aufgaben in der Kita.“ „Seitdem im Dezember 2019 die erste Auflage online war, wurde die Seite sehr oft angeklickt“, berichtet Reichert-Garschhammer. Die IFP-Expertise bietet einen detaillierten Produktvergleich. Der Fokus liegt dabei auf Softwareanwendungen für mittelbare pädagogische Aufgaben: Beobachtung und Dokumentation sowie Kommunikation mit Eltern und im Team. Der Bericht stellt sowohl Einzel als auch Komplettlösungen vor. Keine Berücksichtigung finden reine Verwaltungsprogramme und Kinder-Apps, die in digitalen Bildungsaktivitäten mit Kindern zum Einsatz kommen, zum Beispiel Kreativ-, Lern- oder Bilderbuch-Apps.

Was Kita-Apps leisten können

Eine Erhebung des IFP im März 2021 habe ergeben, dass bereits rund ein Viertel der befragten Kitas in Bayern Kita-Apps nutze, berichtet Reichert-Garschhammer. In Einzelgesprächen mit Nutzer:innen habe sich gezeigt, dass viele durch den Einsatz deutliche Zeit- und Kostenersparnisse sähen. „Natürlich bleiben persönliche Gespräche mit Eltern unersetzlich und die digitale Kommunikation sollte niemals die analoge ersetzen. Aber Kita-Apps können eine nützliche Ergänzung sein und bieten in vielen Bereichen schnell signifikante Vorteile, etwa mit digitalen Pinnwänden, Kalendern oder der einfachen Krankmeldung.“ Der Aufwand für die Einführung sowie die Lizenzkosten könnten zunächst abschrecken, aber: „Die gesparten Ressourcen von Zeit bis Papier können diese Ausgaben oft rasch ausgleichen.“ Als Projektmanager für Pädagogik & Konzeption bei der Kita-App KITALINO der Herder-Gruppe sieht auch Mathias Tuffentsammer viel Potenzial in digitalen Tools. Ihm ist aber wichtig, zu betonen: „Ausschlaggebend für die Qualität der pädagogischen Arbeit sind immer die Fachkräfte.“ Eine Softwarelösung könne entlasten, Prozesse verbessern und Lücken schließen. Zum Beispiel fehlten oft geeignete Instrumente, um die teils verpflichtende Beobachtung und Dokumentation effektiv umzusetzen. „In vielen Fällen müssen sich Fachkräfte nach der Dokumentation auf ihr Bauchgefühl verlassen und können die erfassten Beobachtungsergebnisse aus zeitlichen Gründen nicht konsequent für die weitere Planung nutzen.“ Eine professionelle App könne Struktur in diesen Prozess bringen, indem beispielsweise ein beobachtetes Verhalten des Kindes sofort digital mit einem hinterlegten Dokumentationsbogen, etwa BaSiK, erfasst wird. Auf diese Weise könnten alle zuständigen Erzieher:innen die Ergebnisse umgehend für gemeinsame Reflexionen nutzen und mithilfe der App systematisch die nächsten Schritte ableiten. So können die Interessen und Themen des Kindes durch passende Angebote aufgegriffen werden, zum Beispiel mit einer dialogischen Bilderbuchbetrachtung. „Es verbessert die Qualifikation des Teams, wenn alle per App schnellen Zugriff auf Fachliteratur haben“, so Tuffentsammer. Die Möglichkeiten für eine bessere Kommunikation verdeutlicht er an einem Beispiel aus einer Berliner Kita: „Als dort offene Gruppen neu eingeführt wurden, bekamen die Eltern wöchentliche digitale Updates per App. Das Team konnte so im laufenden Prozess viele Fragen und Unsicherheiten schnell und gut klären.“ 

Die Erfahrungen sind häufig positiv

In der Praxis habe es sich bewährt, manche Prozesse digital zu unterstützen, sagt Fachberater Steffen Häuser. „Solche Momente wie Toms kreatives Bauprojekt kann ich eingebettet in den Gruppenalltag dokumentieren. Ich kann gemeinsam mit Tom direkt am Tablet eine Lerngeschichte gestalten und dann direkt seinen Portfolio-Ordner ausdrucken. Die Fotos landen in einer sicheren Cloud und nicht lokal auf dem Kita-PC. Ich habe also nicht nur eine Zeitersparnis und zusätzliche Möglichkeiten, sondern auch einen DSGVO-entsprechenden Datenschutz.“ Mit der verwendeten App stellt der Träger seinen pädagogischen Fachkräften eine Auswahl an freien Beobachtungsmethoden und bei Bedarf validierte Bögen zur Verfügung. „Mittlerweile gehen alle Fachkräfte ganz selbstverständlich mit dem Medium Tablet im Kita-Alltag um, können Beobachtungen direkt durch die App auswerten lassen und gehen gut vorbereitet in Elterngespräche.“

Fachkräfteverband: Neben Vorteilen bedeuten Apps eine Zusatzbelastung

„Wir hören von Kolleginnen und Kollegen häufig, dass sich beispielsweise Apps für die Kommunikation mit Eltern bewähren“, sagt die Vorsitzende des Kita-Fachkräfteverbands Rheinland-Pfalz, Claudia Theobald. Das decke sich mit ihrer eigenen Erfahrung als Erzieherin. „Es ist für uns toll, wenn nicht dauernd das Telefon klingelt und auch die Eltern haben das schnell angenommen.“ Sandra Krollmann, Vorstandsmitglied beim Verband und Leiterin einer Kita in katholischer Trägerschaft, stimmt zu: „Auch bei uns hat eine Kommunikations-App vieles einfacher gemacht. E-Mails und Zettel kommen manchmal nicht an. Ich hatte immer das Gefühl, ich erreiche die Eltern nicht, wie ich möchte. Jetzt funktioniert das super und wir haben kein Elternteil, das die App nicht hat. Gleichzeitig führen wir natürlich immer noch persönliche Gespräche.“ Die Fachkräfte-Vertreterinnen betonen aber, dass auch bei diesem Thema der allgegenwärtige Personal- und Ressourcenmangel nicht ignoriert werden dürfe: „Wenn wir mit den Kindern gemeinsam an Tablets arbeiten, geht das nur in einer kleinen Gruppe“, verdeutlicht Theobald. „Hier kommt unser Grundproblem ins Spiel: Es gibt kaum die Zeit dafür, dass sich nur eine Fachkraft mit wenigen Kindern beschäftigt. Zugespitzt gesagt: Die Tablets verstauben neben den tollen Forscherkisten, weil für beides keine Zeit ist.“ Viele Fachkräfte empfänden es als zusätzliche Belastung, sich mit einem neuen Programm vertraut zu machen. Das sei auch eine Generationenfrage. „Eine typische Rückmeldung, die wir bekommen, ist: ‚Die Einführung einer App durch den Träger läuft nicht rund. Und jetzt muss ich mich da auch noch durchwursteln.‘“ Die IFP-Expertise blendet Probleme nicht aus und nennt unerwünschte Nebenwirkungen, insbesondere in Bezug auf die Privatsphäre von Kindern. In der Schweiz, wo Kita-Apps schon länger verbreitet seien, gebe es Fälle, dass Eltern per App regelmäßig detaillierte Berichte über ihr Kind aus dem Kita-Alltag erhielten. Dies könne das „Helikoptern“ von Eltern verstärken und letztlich das Selbstständig-werden des Kindes hemmen.

Und was ist mit dem Datenschutz?

Eine Studie des Gelsenkirchener Instituts für Internet-Sicherheit, kurz if(is), die in Kooperation mit weiteren Institutionen erstellt wurde, hatte 2022 erhebliche Datenschutzmängel bei einigen Kita-Apps festgestellt. Unter anderem waren Bilder, Videos und Nachrichten leicht zugänglich. „Wir haben die Hersteller über die Schwachstellen informiert und gehen davon aus, dass diese die kritischen Dinge in der Regel behoben haben. Unsere Studie hat sicher die Aufmerksamkeit der Anbieter in diesem Bereich verstärkt“, teilt Dr.-Ing. Tobias Urban vom if(is) den aktuellen Stand hierzu mit. Die IFP-Expertise stellt klar: Für den Datenschutz in Kita-Apps sind die Träger verantwortlich. Entscheider:innen sollten nicht nur auf Funktionalität, sondern auch auf die Datenschutzpraktiken und -konformität eines Produkts achten. Ein ausführliches Kapitel in der IFP-Expertise hilft bei der komplizierten datenschutzrechtlichen Klärung. Datenschutzexperte Urban empfiehlt, in der Datenschutzerklärung einer App darauf zu achten, wo Daten gespeichert werden. Transparente Hersteller seien hier vertrauenswürdiger. Werden die Daten mit Dritten (wie Google-Diensten) geteilt oder zu Marketingzwecken verwendet? Technische oder finanzielle Zwecke sollten klar und Ansprechpartner:innen benannt sein. „Authentifizierungsverfahren wie eine ZweiFaktor-Authentifizierung sind weitere Hinweise darauf, wie ein Anbieter mit dem Thema Datensicherheit umgeht.“ Eva Reichert-Garschhammer vom IFP weist darauf hin, dass Trägerverbände auf Bundes- und Landesebene mittlerweile stellvertretend für ihre Kitas Datenschutzprüfungen einschließlich der Datenschutzfolgeabschätzung (DSFA) für Kita-Apps durchführen. Auch wenn die einzelnen Träger weiterhin datenschutzrechtlich verantwortlich bleiben, sei dies eine gewisse Entlastung. „Nach unserem aktuellen Informationsstand sind außerdem akkreditierte DSGVO-Zertifizierungsstellen für Kita-Apps geplant“, so Reichert-Garschhammer. Darüber will das IFP im Rahmen der dritten Auflage der Expertise informieren, die 2024 erscheinen soll. 

Bei der Einführung müssen alle mit ins Boot geholt werden

Leitungen und Trägern empfiehlt die IFP-Expertise für die Einführung einer Kita-App ein gut geplantes Vorgehen (siehe 10 Tipps auf Seite 18/19). Dazu gehöre es, Ziele zu definieren, mehrere Angebote zu prüfen sowie Finanzierung und Datenschutz zu klären, aber auch Schulungen, eine Gewöhnungsphase und die Pflege der Software und Daten zu gewährleisten. Für Kita-Leiterin Krollmann ist ein Aspekt wichtig: „Man muss sich sehr gut überlegen, welche Funktionen zum Kita-Alltag passen. Wir haben uns etwa bewusst gegen die Chatfunktion der Kommunikations-App entschieden, um ständige Störungen in den Abläufen zu vermeiden.“ Ihr Rat: „Holen Sie alle mit ins Boot, von den Elternvertretern bis zum Team.“ Ihre Verbandskollegin Theobald sieht die Träger in der Pflicht, eine Lösung so auszuwählen und einzuführen, dass sie tatsächlich Entlastung bietet. Sie appelliert an die Fachkräfte: „Geht mit den Verantwortlichen ins Gespräch, macht transparent, was ihr zu tun habt und was ihr dafür braucht.“ – „Veränderungen in der frühkindlichen Bildung sollten in kleinen, reflektierten Schritten erfolgen“, so Mathias Tuffentsammer. „Die Teams sollten entscheiden, was sie konkret unterstützt. Es geht darum, was den Menschen in der Kita weiterhilft. Bei den Kindern angefangen.“ Sein Tipp: Eltern bei einem Elternabend die geplante App ausprobieren lassen. App hin oder her: Der vierjährige Tom, von dem anfangs die Rede war, braucht im Spiel keine digitale Unterstützung, er profitiert am meisten von der direkten Beziehung mit der Fachkraft, die kein Tablet in der Hand hält. Abseits von dieser Interaktion erleichtert seiner Erzieherin die App aber die pädagogische Begleitung. Der für Toms Schweriner Kita zuständige Fachberater Steffen Häuser sagt: „Entscheidend bei der Einführung waren detaillierte Planung und begleitende praktische Unterstützung der Teams.“

Kita-Apps: Funktionen und Trends

Mittlerweile gibt es ein umfangreiches Angebot an Kita-Apps mit unterschiedlichen Funktionen: Dokumentationslösungen für die digitale Portfolioerstellung, die Arbeit mit pädagogischen Beobachtungsbögen und Funktionen zur Erfassung von Entwicklungsschritten und Besonderheiten.
Kommunikationslösungen für den Austausch mit Mitarbeiter:innen und Eltern inklusive Kalender, Nachrichtenfunktion und Optionen zur Krank- und Abmeldung von Kindern.
Apps zur Kita-Verwaltung bilden organisatorische Aufgaben digital ab, wie die Verwaltung von Mitarbeiter:innen-, Kinder- und Elterndaten, Dienstplangestaltung, Gruppenorganisation und Abrechnungen.
Der Trend geht zu Komplettlösungen. Mit einer großen Funktionspalette bieten diese den Vorteil, dass einzelne Anwendungen Schritt für Schritt eingeführt werden können - etwa zunächst zur Audio- und Video-Dokumentation von Projekten oder für den Austausch unter den Fachkräften innerhalb einer Trägerstruktur.

ÜBERSICHT: Ausgewählte Kita-Apps

Einen ausführlichen Test zahlreicher Kita-Apps finden Sie in der IFP-Expertise „KitaApps“ sowie dem dazugehörigen Infoblatt. Darauf basiert die folgende Auswahl an Apps:

Komplettlösungen Einzellösungen
Care-App www.care-app.de Das neue Kitaportfolio www.kitaportfolio.de Art: Dokumentation
Easychild www.easychild.de Kompik-Software www.kompik.de Art: Dokumentation
Famly www.famly.co Mäuschen www.mäuschen.app Art: Foto- und Video-App
HoKita www.hokita.de Sdui www.sdui.de/kitas Art: Kommunikation
Kidling www.kidling.de Stay Informed www.stayinformed.de Art: Kommunikation
KidsFox www.foxeducation.com TopKita www.topkita.de Art: Elternumfrage
KigaRoo www.kigaroo.de
Kikom www.kikom-kita-app.de
Kindy www.kindy.app
Kitalino www.kitalino.com
Kitaplus www.kitaplus.de
Kita-Web www.kitaweb.de
Leandoo www.leandoo.com
LiveKid www.livekid.com
Nembørn www.nemborn.com
Parent www.parent.app
Stramplerbande www.stramplerbande.de

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