War das wirklich nur ein Jahr?Tagebuch einer Leitungseinsteigerin (4)

Mitarbeiter*innengespräche führen, Feste planen, Spielzeugvertreter abwimmeln – hinter Susanne Finger liegt eine Zeit voller neuer Aufgaben und Herausforderungen, aber auch amüsanter Erlebnisse. Im letzten Teil ihrer Tagebuchaufzeichnungen hält sie noch einmal einige davon fest und zieht eine erste Bilanz.

Erster Stresstest: Tagebuch einer Leitungseinsteigerin
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Ein neues Sorgenkind: Die Kindergartenzeitung, 21.11.2018

Bereits vor einigen Monaten habe ich ein Projekt übernommen, das mich von Anfang an außerordentlich beeindruckt hat: Seit vier Jahren wird in unserer Einrichtung eine Kindergartenzeitung professionell erstellt, gedruckt und verkauft. Öffentlichkeitsarbeit vom Feinsten und der Erlös kommt unseren Kindern zugute. Vier Eltern bilden mit mir das Redaktionsteam. Ich schreibe regelmäßig die Artikel, die Korrektur gelesen und von einem Vater, der in der Grafik- Branche tätig ist, zu einer Zeitung mit professionellem Layout zusammengestellt werden. Auch wenn es viel Zeit in Anspruch nimmt, gebe ich mir mit den Artikeln große Mühe. Ich sitze stundenlang am PC – oft auch nach Arbeitsende. Wertschätzung, Dank und Anerkennung dafür? Fehlanzeige! Ich darf mir hauptsächlich Kritik an der Bildqualität und wegen der fehlenden Vorauswahl von Fotos anhören. Doch ich versuche, mich nicht unterkriegen zu lassen, und arbeite weiter. Meine Freude und Motivation schrumpfen allerdings in dem Moment, in dem meine Vorgängerin auf die Veröffentlichung eines sehr persönlichen Artikels besteht. Ihr scheint es emotional schwer zu fallen, die Einrichtung loszulassen. Dafür habe ich Verständnis, da der Ablösungsprozess bestimmt nicht einfach für sie ist. Dennoch: Ihr Beitrag ist zu lang und weist viele Wiederholungen zu ihren bereits geschriebenen Abschiedsbriefen auf. Auch mein Vorwort, das eigentlich für einen positiven Neuanfang stehen soll, wird durch diesen Artikel relativiert. Trotz dieser Bedenken entscheiden der Träger und ich uns dafür, den Beitrag zu drucken. Aus Professionalität und um das Erscheinen der Zeitung nicht zu gefährden. Mir wird bewusst, dass ich als Leitung manchmal für das Wohl einer Sache Entscheidungen treffen muss, an denen ich zweifle. Solche Situationen kosten mich eine große Portion Energie, Nerven und innere Ausgeglichenheit.

Es allen recht machen? Unmöglich!, 13.12.2018

Als Leiterin gehört es zu meinen Aufgaben, die Qualität der Einrichtung sicherzustellen. Um die Zufriedenheit der Eltern zu ermitteln und ggf. Dinge verändern und anpassen zu können, möchte ich eine Befragung durchführen. Bereits beim Überarbeiten der Elternumfragebögen der letzten Jahre wird mir von Kolleg*innen empfohlen, die Umfrage zu kürzen. Zu dem Zeitpunkt gibt es für mich jedoch noch kein „zu ausführlich“ – eher ein „je umfangreicher, desto besser“. Deshalb übernehme ich die Umfrage meiner Vorgängerin und überarbeite sie nur in wenigen Punkten. Die Eltern dürfen sich also durch 6 Seiten und 34 Fragen kämpfen. Nur die Hälfte der Bögen kommt zurück und die Antworten könnten in manchen Bereichen nicht unterschiedlicher sein. Beispielsweise lese ich über den Kontakt zu meiner Person Antworten von „sehr kompetent, freundlich, häufiger Kontakt“ bis zu „ein Kontakt hat noch nie stattgefunden“. Interessanterweise stehe ich der Umfrage recht emotionslos gegenüber. Mir war schon im Vorfeld klar, dass ich mir die Kommentare nicht zu sehr zu Herzen nehmen darf. Im Anerkennungsjahr hörte ich mal von einer Leitung, die nach einer Elternumfrage des Trägers arbeitsunfähig wegen Burnout wurde und nicht mehr in die Einrichtung zurückkam. Aus diesem Grund hatte ich mich bereits mit der Thematik auseinandergesetzt und mir bewusst gemacht, dass ich es niemals allen recht machen werde und dass dies auch nicht zu meinem Ziel werden darf. Auf den Umfragebögen geben die Eltern aber auch einige konstruktive Anregungen, die ich gut finde und die sich problemlos umsetzen lassen müssten. Über diese Ideen sprechen wir bei der Auswertung der Elternumfrage in einer Teamsitzung und überlegen, wie sie ins pädagogische Konzept übernommen werden können. Letztlich trägt die Umfrage also auch dazu bei, dass unsere Arbeit noch besser wird. Dass die Umfrage aber kürzer und prägnanter werden muss, steht für mich fest. Denn meine Kolleg*innen hatten recht: Die Qualität ist an dieser Stelle wichtiger als die Quantität.

An vielen Tagen bin ich glücklich, 07.01.2019

Mein Herz hängt an der Einrichtung – samt Kindern und Team. Trotzdem bringt meine Position eine gewisse Distanz mit sich. Als Leiterin trete ich gegenüber Eltern oder Kolleg*innen anders auf als früher. Oft kann ich zu Hause schlecht abschalten und mache mir viele Gedanken.
Als herausfordernd empfinde ich die Führung eines Teams mit so unterschiedlichen Persönlichkeiten und einer so großen Altersspanne (22-62 Jahre). Man braucht Standhaftigkeit, Verständnis und jede Menge Energie. Was eine konstruktive Zusammenarbeit und ein gutes Arbeitsklima betrifft, sind wir noch lange nicht am Ziel. Aber es wird besser und geht in die richtige Richtung. Wenn ich die Kinder und meine Kolleg* innen vor mir sehe und immer wieder spüre, dass sie mich und/oder meine Arbeit schätzen, erfüllt mich das mit Stolz. Auch die Anrede „Chefin“ empfinde ich mittlerweile nicht mehr als befremdlich. Es gab jedoch auch schwierige Momente. Ich bin ja nicht nur Kollegin und vertrete nicht nur die pädagogische Seite. Ich arbeite auch für und mit meinem Träger, muss Zahlen berücksichtigen und Entscheidungen nach organisatorischen oder finanziellen Gesichtspunkten treffen. Deshalb kann es nicht nur um das Wohl des Einzelnen gehen, sondern um die Kita als Ganzes.
Und dennoch: An vielen Tagen bin ich glücklich und kann mir keine schönere und bessere Tätigkeit vorstellen. Natürlich kommt es vor, dass ich verzweifle, z.B. wenn die Arbeit im Büro kein Ende nehmen will, handfeste Probleme im Team auftauchen oder ich das Gefühl habe, die Erwartungen bestimmter Personen nicht erfüllen zu können. Abwechslungsreicher und spannender könnte eine Arbeit jedoch nicht sein. Kein Tag ist wie der andere und mir war noch keine Sekunde langweilig. So viel habe ich in diesem Jahr erlebt und gesehen – war das wirklich nur ein Jahr? Eigentlich kaum vorstellbar. Ich bin gespannt, was noch auf mich wartet und was die Zukunft so alles bringen wird.  

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