Karriere zwischen Kita und Comedy"Mir wird pro Show mindestens ein Job angeboten"

Serdar Karibik tourt als Comedian durch Deutschland und erreicht online ein Millionenpublikum. Gleichzeitig arbeitet er auch in einer Kita. Über diese lebensfrohe, aber auch anstrengende Kombination hat er mit uns im Interview gesprochen.

Mir wird pro Show mindestens ein Job angeboten
© Max Rechtsteiner

Tausende feiern online Ihre Kurzvideos, die Ausschnitte aus Ihrem Bühnenprogramm zeigen. Immer wieder gibt es da dann auch Themen aus dem Kita-Alltag. Erleben Sie das wirklich?

Natürlich übertreibe ich manchmal. Eine Lehrerin in der Ausbildung hat uns aber tatsächlich mal rausgeschickt, um Kinder zu beobachten. Wie sieht das denn aus, wenn ich draußen stehe und Kinder beobachte? Klar sorgt das für Aufsehen. Das ist auch einer der Gags in meiner Show. Oder wenn ich mit 25 Kindern in der Stadt unterwegs bin, das ist ja wie eine kleine Gang. Manche Menschen sind echt respektlos, wenn man mit Kindern draußen ist. Ich stelle mich dann schon auch in den Weg und sage: „Ey, Kollege!“ Und irgendwann stellen sich dann alle 25 Kinder hinter mich und rufen ebenfalls ganz laut: „Ey, Kollege! Langsam fahren wäre sehr nett.“

Kommen viele pädagogische Fachkräfte in Ihre Show?

Ja, manche extra deswegen. Mir wird pro Show auch mindestens ein Job in einer Kita angeboten. Aber ich kann ja schlecht in ganz Deutschland arbeiten. 

Ihre Biografie ist alles andere als geradlinig. Wann war Ihnen klar, was Sie werden wollen? 

Mein Lebenstraum war es immer, Schauspieler zu werden. Aber ich komme von der Hauptschule und dachte: „Das wird nichts, du musst dir den Blaumann anziehen, genauso wie dein Vater.“ Ich habe dann auch erst mal eine Ausbildung zum Metallbauer gemacht und danach Work and Travel in Australien. Als ich zurückgekommen bin, habe ich es dann doch versucht und mich für ein Schauspiel-Studium beworben. Ich wurde genommen, obwohl ich das nie gedacht hätte. Anscheinend haben die irgendwas in mir gesehen.

Wo spielt da die Pädagogik mit rein?

Meine Schwester ist Lehrerin. Auf ihren Schulfesten habe ich immer wieder ausgeholfen. Das hat richtig Spaß gemacht, ich liebe die Arbeit mit Kindern. 2017 habe ich als Schauspieler auf einem Kreuzfahrtschiff gearbeitet. Wir hatten einen Kids-Klub an Bord, und immer wenn ich freihatte, habe ich da ausgeholfen und die Kinder betreut. Irgendwann habe ich Führungen durch das Th eater und Workshops angeboten, für 5- bis 9-Jährige. Ich habe mir jeden Abend notiert, was ich beim nächsten Mal verbessern kann. Da habe ich zum ersten Mal gedacht, dass ich das auch berufl ich machen könnte. 

Sind Sie dann in die nächstbeste Kita und haben sich für eine Ausbildung beworben?

Als ich zurückkam, wollte ich am Theater durchstarten, aber dann kam Corona und ich wurde arbeitslos. Also überlegte ich: Was macht mir genauso viel Spaß wie die Kunst? Das war halt die Pädagogik. Ich hatte mich dann bei mehr als 30 Trägern für die Ausbildung beworben, 15 haben mir geantwortet. Ich glaube, das liegt daran, dass meine Geschichte die Menschen beeindruckt. Ich sage immer: vom Ghetto auf die Bühne. 

Was sind Ihre Stärken als Erzieher? 

Bei mir wird nicht gebastelt, das ist überhaupt nicht meins. Aber jede*r hat eigene Talente und warum sollte man die nicht einsetzen? Ich bin halt sehr empathisch. Einmal haben sich zwei Kinder aus Nigeria mir völlig geöffnet, einfach weil ich sie auf Englisch angesprochen habe. Meine Anleiterin hat richtig gestaunt. Ich nehme wahr, was die Kinder brauchen, und lasse mich auf sie ein. Und plötzlich kommen sie auf mich zu und umarmen mich.

Gibt es Dinge, die Sie aus Ihrem Schauspielstudium im Kita-Alltag einbringen können?

Meine Schauspielausbildung hilft mir sehr. Einmal gab es da zum Beispiel ein Kind, das sehr leise gesprochen hat. Also habe ich eine Kinokasse aufgebaut, an der man sich im Spiel Popcorn kaufen konnte – aber mit einem schwerhörigen Verkäufer, es musste also sehr laut bestellt werden. Die Kinder hatten enorm viel Spaß und die Leiseste hat plötzlich richtig laut geschrien. Am Ende haben dann die Kinder das Kommando übernommen und plötzlich hatten wir vier Kassen. Ich habe schon mehr als 400 Shows gespielt und liebe die Bühne. Deshalb habe ich zu vielen Dingen einfach einen anderen Zugang. 

Was machen Sie, wenn es in der Gruppe drunter und drüber geht?

Man muss nur die Kinder beobachten. Wenn 90 Prozent der Kinder am Schreien oder Rennen sind, dann ist das die logische Konsequenz: Die Power muss raus. Mit den Kindern und einer Kollegin gehe ich daher regelmäßig raus. Oder ich mache mit den Kindern ein Boxtraining. Jede*r haut auf einen Boxsack und stellt sich dann wieder hinten an. Pädagogisch eingebettet natürlich. Wenn ein Kind voller Energie ist, dann muss es nicht basteln. Es ist auch nicht schlimm, wenn das Kind mal fünf Tage nicht bastelt. 

Irgendwann wurden die Corona-Beschränkungen weniger und Ihre Karriere auf der Bühne nahm Fahrt auf. Was hatte das für den Spagat zwischen Kunst und Kita zur Folge? 

Ich hatte zuletzt eine 65-Stunden-Woche. Ich habe 40 Stunden in der Kita gearbeitet, zehn Stunden gelernt und war dann unterwegs, um Comedy zu machen. In meinem Alter wollte ich auch keine schlechten Noten schreiben, das war schon auch mein Ego. An manchen Tagen bin ich nach einem Auftritt bereits um 4.30 Uhr aufgestanden, um es pünktlich in die Schule zu schaffen. Ich habe immer gesagt, dass ich die Ausbildung an den Nagel hängen werde, wenn ich von der Comedy leben kann. Plötzlich hatte ich immer mehr Auftritte und meine Videos wurden millionenfach geklickt. Da habe ich die Ausbildung gestoppt. Leider. 

War es das nun mit Kita oder Kindern?

Nein, ich unterstütze jetzt einmal pro Woche flexibel eine Kita im Raum Stuttgart. Auf der Bühne zu stehen und trotzdem noch mit Kindern zu arbeiten, das ist mein Traum. Dazu gebe ich noch Workshops an der Berufsschule in Ludwigsburg. Da geht es um Selbstvertrauen und darum, wie man sich eine berufliche Identität zulegen kann. Wie ein Schauspieler mit seiner Rolle. 

Was würden Sie Fachkräften wünschen?

In Kitas sollte alle monatlich 1000 Euro mehr bekommen, netto. Natürlich ist auch die Metallindustrie wichtig. Aber sind Kinder nicht unsere Zukunft? Wenn ich das mit dem Lehrerberuf vergleiche, dann kommt in der Kita das Körperliche mit dazu. Da muss es mehr Geld geben. 

Die Fragen stellte Thilo Bergmann, Chefredakteur kindergarten heute. 

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