Übergangshelfer auf vier PfotenLeckerlipost für Loisl

Loisl ist kein Hund wie jeder andere. Als ausgebildeter „Therapiehund“ unterstützt er Kita-Kinder dabei, kompetente Schulkinder zu werden.

Leckerlipost für Loisl
© Katja Kunz - Oberdiebach

Alois von Schleißbach aus Mainburg, genannt Loisl, ein Polnischer Niederungshütehund, geboren am 23. September 2016, zog mit zwölf Wochen bei mir ein. Nach einer bestandenen Wesensprüfung habe ich mit ihm eine Ausbildung zum Therapie-Begleithundeteam beim Verein Therapiehunde Lebensfreude e.V. absolviert. Seit der erfolgreich abgeschlossenen Therapiehundeprüfung im Sommer 2019 darf Loisl einmal wöchentlich für ein- bis anderthalb Stunden mit in die Kita.

Heute ist Loisl-Tag

Komme ich in der roten Vereinskleidung in die Kita, ist allen klar: Heute ist Loisl-Tag. Am Eingang zum Gruppenraum hängt ein Plakat mit der Aufschrift „Bitte nicht stören, Therapiehund im Einsatz“. Ich lege alle Utensilien samt Hundedecke, die für den Hund während des Einsatzes der unverzichtbare Rückzugsbereich ist, in den Raum. Mindestens ein*e Kollege/Kollegin ist während des Einsatzes dabei. So kann ich kurzfristig mit dem Hund den Raum verlassen, wenn ich Anzeichen erkenne, dass er Ruhe braucht. „Juchhu, heute kommt der Loisl!“, freuen sich die Kinder. „Holst du ihn jetzt?“ Ich fahre nach Hause und gehe ein Stück mit Loisl spazieren, damit er innerlich ruhig für den Einsatz ist. Dann ziehe ich ihm seine Kenndecke an. Sie hat die Aufschrift „Therapiehund im Einsatz“. Das Tragen der Vereinskleidung und der Kenndecke sind Vorschriften des Vereins.

Im Halbkreis sitzt Loisl an meiner linken Seite. Ich frage in die Runde: „Wer möchte heute den Loisl begrüßen?“ Ein Kind erhält ein Leckerli in die Hand und sagt: „Loisl, Pfote!“ Loisl gibt die Pfote und das Kind begrüßt ihn mit Hand-Pfoten- Schlag und gibt ihm ein Leckerchen. Ein Belohnungsleckerli ist obligatorisch und motiviert den Hund für sein Tun. Das Kind erlebt, dass sein Handeln eine Wirkung und welchen Sinn und Zweck es hat. Beim Führen des Hundes an der Leine erfahren die Kinder Selbstwirksamkeit, fühlen sich verantwortungsvoll und stark.

Ein anderes Kind füllt einen Wassernapf und stellt ihn für Loisl bereit. Ein Tier zu versorgen, bedeutet Verantwortung zu übernehmen und achtsam zu sein. Auch dies lernen die Kinder im Kontakt mit Tieren. „Machen wir auch Leckerlipost?“, fragen die Kinder und schlagen vor, womit sie sich beschäftigen möchten. Ich filtere daraus den Ablauf des Vormittags heraus, vermischt mit Aktivitäten, die sie noch nicht kennen. Die folgenden Aktivitäten zeigen unterschiedliche Lernimpulse und Einsatzmöglichkeiten der hundegestützten Pädagogik im Übergang von der Kita in die Schule. Wichtig ist dabei, die Bedürfnisse und Grenzen des Hundes zu achten. Damit das gelingt, habe ich mit den Kindern im Vorfeld grundlegendes Wissen über Hunde thematisiert. Dazu gehört zu wissen, wie sie sich gegenüber Hunden richtig verhalten und wie sie einen sicheren und respektvollen Umgang mit Loisl pflegen.1

Leckerlipost
Die Tageszahl ist die Fünf. Fünf Kinder erhalten Suppenkellen, Löffel und Becher und stehen nebeneinander vor Loisls Platz. Es ist still im Raum. Ich lege ein Leckerli in die erste Kelle und sage „eins“. Es bedarf großer Konzentration, feinmotorischer Koordination und Kooperation, das Leckerli von Kelle zu Kelle weiterzugeben, ohne dass es herunterfällt, und zu zählen, bis es in der fünften Kelle gelandet ist. Das letzte Kind gibt das Leckerli an Loisl, der sich über die Belohnung für das Warten freut. Der Ablauf wird wiederholt, bis jedes Kind ein Leckerli übergeben hat. Es ist immer wieder erstaunlich, dass alle motiviert, konzentriert und ruhig dabeibleiben.

Schnüffelteppich
Eine gute Übung für die auditive Wahrnehmung und Förderung der Konzentration und Merkfähigkeit: Ein Kind versteckt eine Anzahl Leckerli unter dem Schnüffelteppich (ein aus langen Stofflappen bestehender Teppich). Alle sind ganz leise, wenn Loisl sie nacheinander frisst, und zählen stumm mit. Wer hat am besten hingehört?

Expertenkarten
Die Kinder erhalten sogenannte Expertenkarten, sie sind Hunde- Expert*innen.
In die linke Hand kommt die rote Falsch-Karte, in die rechte Hand die grüne Richtig-Karte. Ich zeige den Kindern nacheinander Utensilien, die ein Hund braucht (z. B. Halsband) oder nicht braucht (z. B. Filzstift). Die Kinder müssen die entsprechende Karte hochhalten. Gezeigte Dinge, die der Hund nicht braucht, führen immer zu Belustigung und schaffen ein lockeres, unbefangenes Lernklima. Durch diese Übung haben die Kinder sehr schnell rechts und links zu unterscheiden gelernt. Diese Kompetenz ist unerlässlich, u. a. für die Verkehrserziehung. Zudem eignen sie sich Wissen über ein bestimmtes Thema an und üben sich in ihrer Merkfähigkeit.

Loisl räumt auf
Im Raum liegen Bälle, die ich mit beschriftetem Klebestreifen versehen habe. Wir rufen gemeinsam: „Loisl, aufräumen!“ Er räumt nach und nach die Bälle in sein Körbchen. Anschließend schauen wir, was auf den Bällen steht, z. B.:

  • Anfangsbuchstaben, zu denen wir Wörter suchen,
  • Wörter, mit denen wir reimen,
  • Uhrzeiten, die wir auf der Uhr einstellen,
  • kleine Rechenaufgaben.

Das Spiel kann für die unterschiedlichsten Lernaufgaben eingesetzt werden und macht den Kindern viel Spaß. Hierbei findet kognitive Förderung in verschiedenen Bereichen spielerisch statt.

Bewegung mit Loisl
Bei diesem Spiel fördert der Hund die Motorik und das Körperbewusstsein. Beispiele: Er springt über eine Stange, die zwei Kinder halten, er läuft durch einen Tunnel, den die Kinder mit den Armen für ihn bilden, er springt auf einen Stuhl. Die Kinder folgen seinem Beispiel mit Begeisterung. Ein besonderer Spaß für alle. Kinder, die ängstlich sind oder Koordinationsprobleme haben, lassen sich auf das Spiel ein, sind unbefangen und begeistert mit dabei. Emotionen werden frei und es findet ein ganzheitlicher Lernprozess statt.

Kuscheln mit dem Hund
Zwischendrin wird gekuschelt und gestreichelt. Es ist schön zu sehen, wie rücksichtsvoll und empathisch die Kinder mit dem Hund umgehen. Sie erleben eine vertrauensvolle, positive Reaktion auf ihr eigenes Verhalten und lernen dabei, ihre Gefühle zu zeigen. Das Ergebnis sind ein sicheres Selbstwertgefühl und Wohlbefinden. Auch für die Förderung der taktilen Wahrnehmung ist das Streicheln wichtig.

Der zweite Teil des Vormittags

Die Kinder erhalten Arbeitsblätter, malen oder gestalten zum Tagesthema. Dabei helfen und unterstützen sie sich gegenseitig. Im Vordergrund steht der soziale Zusammenhalt, nicht das Ergebnis. Damit die Kinder lernen, sich zu organisieren und mit ihren Schulutensilien strukturiert umzugehen, erhalten sie eine Tasche, ein Federmäppchen und einen Ordner. Diese Dinge pflegen sie, achten auf Vollständigkeit und erledigen begeistert auch kleine Hausaufgaben. Dem Thema entsprechend erhalten die Kinder Urkunden, z. B. für das Uhrenlesen, Flötespielen oder Schuhebinden. Loisl liegt unter dem Tisch und besucht die Kinder an ihrem Platz. Meist legt er seinen Kopf auf die Füße der Kinder und schläft. Die Konzentration der Kinder im Beisein des Hundes ist hoch und sie arbeiten entspannt. Zwischendrin streicheln sie ihn und setzen ihre Tätigkeit dann wieder fort. Loisl ist auch der Tröster Nummer eins, wenn ein Kind Sorgen hat. Keiner beherrscht das Trösten so gut wie Loisl. Seine Anwesenheit reduziert Stressgefühle und baut Ängste ab, geistige und seelische Kräfte werden gestärkt. Zum Schluss wird mit ihm ausgiebig gekuschelt. Durch die Zuwendung des Hundes fühlen sich die Kinder angenommen und wohl. Beobachtungen, die uns bestärken, diesen Weg weiterzugehen. Wir sehen es als unsere Aufgabe an, neben der Vermittlung von schulrelevanten Kompetenzen auch die Fähigkeit der Selbstorganisation, Verantwortungsbewusstsein und Sozialverhalten zu vermitteln. Dass dies gelingt, bestätigt uns die Grundschule, mit der wir eine enge Zusammenarbeit pflegen und die unsere Form der Vorschularbeit schätzt.

Ein Hund zur Schulvorbereitung und für Hausaufgaben

Unser Kita-Team hat im Vorfeld eine Konsultations-Kita für tiergestützte Pädagogik besucht und das Thema danach schrittweise in die Konzeption aufgenommen und umgesetzt. Es ist bekannt, dass die tiergestützte Pädagogik im Elementarbereich die Kinder in ihrer Entwicklung und in allen Bereichen des Seins fördert. Wir machen die Erfahrung, dass Loisl unterschiedliche Lernprozesse der Kinder allein durch seine Anwesenheit anregt und unterstützt. Während seines Besuchs in der Kita übernimmt er in einem altershomogenen Setting eine besondere Rolle bei der Schulvorbereitung der 5- und 6-Jährigen und bei der Schulkindbetreuung. Wenn die Kinder rechnen und schreiben, Bewegungsspiele machen oder ihre Merkfähigkeit üben, ist Loisl aktiv mit dabei. Er ist der Grund, warum die Kinder die gestellten Aufgaben mit einer großen Leichtigkeit lösen. Der Schlüssel zum Lernerfolg der Kinder ist, dass sie im Kontakt mit dem Hund ganzheitlich angesprochen werden. Jede Interaktion ist mit Erfahrungen, Erlebnissen und Emotionalität verbunden, die Zuneigung des Tieres ist verlässlich und konstant. Der Hund in der Kindergruppe

  • motiviert und regt die Kinder zur Eigenaktivität an,
  • trägt zur Steigerung der Konzentration und Aufmerksamkeit bei,
  • spendet Trost,
  • steigert das Wohlbefinden,
  • sorgt für ein positives Selbstwertgefühl,
  • sensibilisiert und fördert Empathiefähigkeit und Vertrauen,
  • lässt Kinder Selbstwirksamkeit erfahren.

Von unserem Vorhaben konnten wir auch unseren Träger überzeugen, das war natürlich die Voraussetzung für die Umsetzung. Der Elternausschuss reagierte ebenfalls positiv auf den Vorschlag, einen Hund in der Vorschularbeit und Schulkindbetreuung einzusetzen, und wünschte sich zudem für die jüngeren Kinder regelmäßige Tierkontakte. Der Verein für Therapiehunde stellte uns ein Formular zur Verfügung, auf dem die Eltern bestätigen, dass sie mit der Begegnung ihres Kindes mit dem Hund einverstanden sind, oder auf bestehende Allergien hinweisen.

Besuch in der Schule

Wir haben mit der Vorschulgruppe eine Einladung der Grundschule erhalten, gemeinsam mit Loisl den Unterricht zu besuchen. Darauf freut sich die Gruppe sehr. Für Loisl ist Schule ein vertrautes Thema. Um seinen Ausbildungsstand zu halten, besuche ich mit ihm regelmäßig die Hundeschule und nehme mit und ohne Hund an Weiterbildungen zum Thema Therapiehunde-Team teil.

Helfer auf vier Pfoten

Der richtige Umgang mit Hunden will gelernt sein: Wie geht man am besten auf einen Hund zu? Wie fasst man ihn an? Wo will er gestreichelt werden und wie spielt er? Bei Besuchen von den Mensch-Hund-Teams der „Helfer auf vier Pfoten“ in Kitas erfahren Kinder etwas über das Wesen und die Fähigkeiten von Hunden, sie lernen, bestimmte Umgangsregeln zu befolgen und die Reaktionen der Hunde zu verstehen. Infos unter: https://www.helferauf-vier-pfoten.de/   

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