In der Kirchenraumpädagogik geschieht BegegnungMensch – Raum – Gott

Die in den vergangenen Jahren entwickelte Kirchenraumpädagogik versteht sich als pastorales und diakonisches Handeln von Gemeinden in einer Zeit der zunehmenden Säkularisierung der Gesellschaft. Was ist das Entscheidende jenseits einer kunstgeschichtlichen Erschließung von Kirchen?

In jüngerer Zeit finden Kirchenbauten in der Öffentlichkeit wieder mehr Beachtung. Dies bietet den christlichen Gemeinden die Chance, durch entsprechende pädagogische, pastorale und kulturelle Konzepte ihr Alleinstellungsmerkmal Sakralraum an die Gesellschaft zu vermitteln (vgl. HK, März 2006, 149 ff.). „Sakral“ ist hier im weitesten Sinn zu verstehen. Es geht um die Erfahrung des Anderen in einer zweckrational bestimmten Welt. Erst durch die Ausgrenzung heiliger Bezirke kann der eigene Lebensraum als geordneter Raum erfahren werden. Das „Profane“ steht also nicht kontradiktorisch zum Sakralen, sondern ist dessen Möglichkeitsbedingung. Dennoch bleibt die Kategorie des Sakralen im Christentum (wie auch im Judentum) ambivalent, da das eigentliche Heiligtum nicht ein Gebäude, sondern die von Gott einberufene Versammlung aus „lebendigen Steinen“ ist.

Theologisch verantwortet kann von einem sakralen Raum also nur im Sinne eines Begegnungsraumes die Rede sein, wobei Begegnung im biblischen Sinne eine dreifache personale Dimension hat, analog dem Liebesgebot: Gottes-, Nächsten- und Selbstbegegnung (vgl. Mt 22,34 – 40). Hinzu kommt als viertes die Weltbegegnung. Ein Kirchenraum ist demnach umso sakraler, je mehr er eine solche Begegnung zulässt.

Als Ort potenzieller Sinnerfahrung darf der Kirchenbau nicht anderen Zwecken untergeordnet werden, auch wenn er unterschiedlichen Aufgaben dienen kann. Er ist zweckfreier Freiheits-Raum, „Welt vor der Schwelle“ (Rudolf Schwarz), der Sinnfindung durch Begegnung unterstützt, die sich an seinen Orten, Bildern und Symbolen kristallisiert. Hier liegt der Ansatzpunkt der Kirchenraumpädagogik, die nur interdisziplinär – auch unter Einbeziehung der Kunstgeschichte und verwandter Wissenschaften – angemessen begründet werden kann.

Begegnung als Beziehungskategorie setzt Identität voraus, die entwicklungspsychologisch durch einen Prozess der Abgrenzung und Selbstfindung mittels Symbolisierung gebildet wird. Religiöse Identität ist stark an Symbolen und an religiöser Praxis wie Gottesdienst und Gebet orientiert. Auch Dinge bekommen aufgrund der Beziehungen, die Menschen zu ihnen -aufgebaut haben, eine Art Identität. Die Identität eines Kirchengebäudes hängt wie bei jeder Immobilie wesentlich am Standort. Im Zusammenhang mit der derzeitigen Umnutzungsdebatte wird oft deutlich, welch große Bedeutung markanten Kirchengebäuden für das Stadtbewusstsein (und Dorfbewusstsein) zukommen kann. Ob es sich dabei um rein „säkulare“ Gefühle handelt oder ob nicht doch Religiöses mitschwingt, sei dahingestellt. Unzweifelhaft übten Kirchengebäude innerhalb einer Stadttopographie in der Regel stets zugleich religiöse wie außerreligiöse Funktionen aus. Diese sind freilich kaum streng voneinander zu trennen.

Begegnung als liturgisches Konzept

Man kann in Bezug auf Kirchengebäude mehrere Kategorien von Begegnungsqualität unterscheiden. Die Qualität eines Kirchengebäudes misst sich einerseits an seiner materialen Begegnungsqualität. Dazu gehört neben der architektonischen Disposition eine entsprechende Ausstattung (vor allem mit Altären); Dedikationen, Patrozinien und ihre Festorganisation sind ebenfalls von Bedeutung (formale Beziehungsqualität). Die personale Begegnungsqualität erweist sich in der adäquaten Nutzung durch bestimmte Personengruppen.

Der Begegnungsqualität entspricht jeweils eine Identität. Dabei ist stets das Strukturmodell Identität und Differenz im Blick zu behalten: Wie verhält es sich mit der formalen Identität bei einem Traditionsabbruch, etwa in der Säkularisation oder heute im Fall einer Umnutzung? Die liturgischen Ordnungen des Stiftes oder der Pfarrei werden außer Kraft gesetzt. Manches wird aber in veränderter Form übernommen. Welche Auswirkungen hat dies auf die materiale Identität? Nach der Abschaffung der Klöster und Stifte in der Säkularisation verringerte sich zum Beispiel die Zahl der Altäre, dafür brauchte die Pfarrgemeinde, die die ehemalige Konventskirche übernahm, ihren Versammlungsraum samt entsprechendem Gestühl und eigenen Andachtsorten.

Die materiale Identität eines Kirchenraums besteht auch in seiner Gegenständlichkeit. Dies erfordert Anpassungen überkommener Rituale, die ihrerseits Auswirkungen auf die personale und formale Identität haben. Der Kirchenraum ist insofern Quasi-Subjekt, ist „Liturge“. Auch die funktionale Identität wirkt sich auf die jeweils anderen Identitäten aus. So war der Übergang der im Kern spätantiken Kirche St. Gereon in Köln vom mutmaßlichen ursprünglichen Memorialbau zur Märtyrerkirche mit umfassenden Baumaßnahmen verbunden. Die Unterhaltung und adäquate Nutzung des Bauwerks führte wiederum zu personellen Konsequenzen, der Errichtung des Stiftes. Der sich entwickelnde Reliquienkult hatte seinerseits wieder Konsequenzen für den Bau, etwa durch die Einrichtung von Pilgerwegen mit eigenen Kryptazugängen, und für seine Ausstattung, zum Beispiel durch den Einbau von Reliquienschränken.

Nicht zu unterschätzen ist auch die Entwicklung der Frömmigkeitsformen und ihre Auswirkungen auf den Raum. Solche Veränderungen sind trotz ihrer mitunter defizitären Gestalt durchaus auch Ausdruck von Vitalität und damit von personaler Identität. Eine substanzielle Kirchenraumpädagogik hat sich mit dieser komplexen Frage auseinanderzusetzen, will sie zum wirklichen Verstehen eines Raums führen.

Begegnung ist eine zutiefst menschliche und religiöse Grundbestimmung, eine anthropologische und theologische Basiskategorie. Begegnung mit Gott geschieht im biblischen Verständnis nicht „entrückt“ an mythisch-magischen Orten, sondern in konkreter Geschichte, in Zeit und Raum. Die Kategorie der Begegnung kann auch aus religionspädagogisch-katechetischer Sicht als Zentrum für die Begegnung von Menschen mit sakralen Räumen fruchtbar gemacht werden.

Denn der sakrale Raum ist kein totes Gemäuer oder nur Kulisse, sondern Ort lebendiger Begegnung: Begegnung der Menschen mit sich selbst, mit der gläubigen und feiernden Gemeinde, mit den Menschen, die sich in früheren Zeiten an diesem Ort zum Gottesdienst und Gotteslob versammelten, aber auch der Begegnung mit dem Raum als solchem mit seiner ganzen Ausstattung, dem liturgischen Inventar, den Objekten der Frömmigkeit, der religiösen Kunst sowie der Architektur insgesamt. Die Zweckbestimmung des Raumes ist nämlich keine andere, als der Begegnung mit Gott zu dienen. Die Kirchen, Klöster, Kapellen und andere „Gotteshäuser“ sind nur insofern „Haus Gottes“, als sie sich der Gottesbegegnung der Menschen dienstbar machen. Die Heiligkeit des Raumes ist eine personale Kategorie (Günter Rombold, Kirchenräume als Begegnungsorte, in: Theologisch-Praktische Quartalsschrift 153, 2005, 58–66).

Der Kirchenraum ist der Raum der um das Sakrament versammelten Gemeinde

Der Kirchenraum ist der Raum der um das Sakrament versammelten Gemeinde, letztlich also ein Begegnungsraum mit Jesus Christus und dem Gott Jesu Christi. Dies ist die innerste Mitte jeder Kirchenraumbegegnung. Sie umschließt die Begegnung mit der Frohen Botschaft in Schriftlesung, Evangelium und Predigt ebenso wie die Begegnung mit Leib und Blut Christi in Brot und Wein des Altars. Ein kirchen(raum)pädagogisches Konzept, das diese Dimension der Gottes- und Christusbegegnung vernachlässigen würde, wäre ein verkürztes Konzept, das vielleicht die Oberfläche, nicht aber die Tiefendimension des Raumes berührt.

Die gottesdienstliche Begegnung ist zwar die höchste Sinnerfüllung eines Kirchengebäudes, aber keineswegs die einzige. Kirchengebäude und Kirchenraum erfüllen eine implizit diakonische Funktion, indem sie im Außenraum der Stadt beziehungsweise des Dorfes Raummarken des Transzendenten bilden und zugleich Identifikationsorte auch für nicht zur Kirche Gehörige. Als (offen stehende) Innenräume sind sie Ruhezonen zur Selbstbesinnung und seelischen Erholung. Zugleich halten sie als „Stein gewordene Predigt“ den Anspruch eines christlichen Humanismus in einem weltanschaulich pluralen oder indifferenten Umfeld offen. Die Frage einer Erweiterung des Nutzungsspektrums für explizit diakonische Aufgaben wird zurzeit an vielen Orten diskutiert. Dazu gehört auch die Kirchen(raum)pädagogik.

Festzuhalten ist, dass eine kontrollierte Öffnung für andere Nutzungen einerseits zwar dem diakonischen Auftrag der Kirche an der Gesellschaft dienen kann, andererseits der Kirchenraum dieser explizit diakonischen Dimension aber nur gerecht werden kann, wenn er seine Identität als Sakralraum nicht verliert.

Orte des Gedächtnisses und der Verehrung

Bei der Frage der impliziten Diakonie ist zunächst zu unterscheiden zwischen außerliturgischen und liturgischen Gesichtspunkten. Eine implizit diakonische Funktion kommt dem Kirchenraum als solchem zu, indem er eine Stätte der Geborgenheit, Stille und Sammlung darstellt. Allein schon wenn die Kirche Räume der Stille und Geborgenheit anbietet, ohne die eintretenden Menschen in Gemeinschaftsakte oder gar Glaubensvollzüge zwingen zu wollen, erfüllt sie eine diakonische Aufgabe. In dem Maße, in dem das heutige Leben in allen Bereichen – Beruf wie Freizeit – Zwecken und wachsenden Ansprüchen unterworfen wird, wächst die Suche nach Orten, an denen man nicht dem permanenten Leistungsdruck ausgesetzt ist. Unter diesen Umständen können Kirchenräume einen Anreiz auch für jene darstellen, die nie einen Gottesdienst besuchen würden.

Die entlastende Dimension des Kirchenraums kann nach christlichem Verständnis freilich noch eine neue Qualität bekommen, wenn in ihm die Liturgie gefeiert wird. Als „Dialog zwischen Gott und Mensch“ handelt es sich dabei gerade nicht um eine zusätzliche Leistungsanforderung, sondern um ein Angebot göttlichen Zuspruchs, der freilich menschlich vermittelt ist. Die menschliche Vermittlung hat den neu Hinzukommenden zu verhelfen, schrittweise in die Befähigung zur Antwort (liturgisch: in Gebärde, Gebet und Gesang) hineinzuwachsen. Dies ist der Sinn des Katechumenats als Weg zur vollen Eingliederung in die christliche Gemeinde.

Auch in der sakramentalen Begegnung der Taufe kommt diakonisches Handeln zum Ausdruck. Gottesdienst ist primär Gottes befreiendes Handeln an uns vor jeder Handlungsmöglichkeit des Menschen. Der Taufort in der Kirche ist bleibendes Taufgedächtnis an dieses Ersthandeln Gottes und hat -zugleich eine ökumenische Relevanz (Katja Boehme, Kir-chenraumpädagogik als ökumenische Herausforderung, Katechetische Blätter 133 [2008] 136 ff.). In diesem Zusammenhang sind auch die geforderten, aber selten realisierten Orte für die Aufbewahrung der heiligen Öle für Taufe, Firmung und Krankensalbung zu nennen.

Eine diakonische Dimension kommt auch dem Ort der Beichte zu, der freilich aufgrund nicht immer positiver Erfahrungen in Verruf geraten ist. Grundsätzlich besteht aber der Anspruch, dass hier das Sakrament der Versöhnung gefeiert wird. Der Kirchenraum mit seinem Beichtort ist Ort der Selbstbegegnung und -erkenntnis und Ort des heilsamen Umkehrprozesses. Auch die Orte der Wortverkündigung und Predigt sind in diesem Zusammenhang zu betrachten. Die traditionellen Kanzeln stellen in ihrem ikonographischen Programm nicht selten den Anspruch des Wortes Gottes vor Augen, aber auch den Trost und die Stärkung durch das Wort. Ambonen und Aufbewahrungsorte für das Evangeliar oder die Bibel verweisen auf die gnadenvolle Gegenwart Gottes im Wort, durch das die Gemeinde auferbaut wird.

Selbst Priestersitz und – in einer Bischofskirche – Bischofsthron sind unter diakonischer Perspektive zu betrachten, da Leiten nach christlichem Verständnis vor allem Dienen bedeutet. Hier ist freilich zu fragen, ob Anordnung und Gestalt solcher Anlagen noch etwas von diesem besonderen Verständnis zum Ausdruck bringen.

Eine einzigartige Funktion kommt dem Altar in diesem Zusammenhang zu. Er erfüllt sie in seiner Doppelfunktion als „Opferstätte“ und „Mahltisch“, wie das Weihegebet der Altarweihe zum Ausdruck bringt: „Für immer sei er die Stätte des Opfers Christi, für immer sei er der Tisch des Herrn, an dem dein Volk gestärkt wird im heiligen Mahle.“ Der christliche Altar erhält seine Identität durch den Verweischarakter auf das einzige Opfer des Neuen Bundes, das zudem durch ein Kruzifix auf oder über dem Altar oder in seiner Nähe zur Darstellung gebracht wird. Er ist nicht Opferstätte, sondern Symbol des Kreuzesopfers und stellt damit zugleich die Brechung des herkömmlichen Opferverständnisses dar.

Aber er ist auch nicht einfach profaner Mahltisch, wenngleich von ihm die gewandelten Gaben empfangen werden. Als „Mensa“ verweist der Altar auf das eschatologische Gastmahl, dessen zeichenhafte Realisierung die christliche Eucharistiefeier ist. Auch hier bleibt die Distanz gewahrt, wenn freilich heute nicht mehr so ausgeprägt wie zu den Zeiten, als der (Haupt-) Altar weit entrückt und durch Schranken oder Kommunionbänke vom Kirchenraum abgetrennt war. Trotz dieses eschatologischen Vorbehalts darf man wohl die Aussagen des klassischen Kommunionpsalms, Psalm 34, beim Wort nehmen, wenn es heißt: „Da ist ein Armer; er rief, und der Herr erhörte ihn …“ (Ps 34, 7 ff.)

Hier kommt die diakonische Dimension der Eucharistie, die sich freilich nicht auf die Feier des Gottesdienstes beschränken darf, deutlich zum Ausdruck. Das gilt auch für den Ort der Aufbewahrung der Eucharistie, Zeichen der bleibenden sakramentalen Gegenwart über die Feier hinaus. Im Fall der Krankenkommunion wird die diakonische Dimension unmittelbar erfahrbar; doch auch als Hinweis bleibender Nähe des Herrn „bis zum Ende der Welt“ (Mt 28,20), die im „ewigen Licht“ symbolisiert ist, zeigt der Tabernakel eine diakonische Qualität.

Neben den eigentlichen liturgischen Orten gibt es Orte des Gedächtnisses und der Verehrung im Kirchenraum, die an der hier zu bedenkenden Funktion teilhaben. Einige erfüllen eine explizit diakonische Funktion wie etwa Fürbittenbücher oder Gedenkbücher mit den Namen Verstorbener. Andere sind diakonisch in dem Sinne, dass sie Menschen in persönlichen Anliegen dienen. Früher waren es die „vierzehn Nothelfer“, und auch heute finden sich Spuren der Verehrung und der inständigen Bitte in Form von Kerzenopfern an Bildern und Statuen von Heiligen.

Der Überblick zeigt, auf welch unterschiedliche Weise das dia-konische Handeln der Kirche in Bezug auf den Kirchenraum zum Ausdruck kommt. Damit ist zugleich aber auch ein kritisches Moment gegeben: Entspricht das Handeln der einzelnen Christen und der Gemeinde diesem Anspruch? Ist nicht mancher schön gestaltete Kirchenraum (zumal, wenn er nur für die Gottesdienste geöffnet wird) eher ein Alibi für nicht geleistete Diakonie? In diesem Fall wird die Kategorie der Begegnung zum negativen Kriterium.

Ein kirchenraumpädagogisches Konzept, das die Kategorie der Begegnung in der oben skizzierten Vieldimensionalität in den Mittelpunkt stellt, kann dieser Tiefendimension des Raumes gerecht werden, sie eröffnet die Möglichkeit für Begegnungen der Menschen mit sich selbst, mit anderen, mit der Geschichte als Glaubensgeschichte, mit der Kunst als Frömmigkeits- und Theologiegeschichte, mit dem Evangelium, mit der Liturgie und – in all diesem und alles durchdringend – für die Begegnung mit Gott. Damit sind pastorale Chancen eröffnet, die weit über das klassische Konzept der Kirchenführungen hinausgehen (vgl. Peter Scheuchenpflug, Kirchenräume als Begegnungsräume. Reflexionen über das pastorale Potenzial von Kirchenräumen im Kontext der modernisierten Gesellschaft, Hamburg 2009).

Kirchenraumbegegnungen verlassen die Einbahnkommunikation einer passiven, rein rezeptiv orientierten Kirchenführung. Sie nehmen die Teilnehmenden in ein aktives, ja interaktives Geschehen hinein und können so dem Sinn des Raumes – dem interaktiven Geschehen der Eucharistie und des Gebets – näherkommen. In den neueren kirchenpädagogischen Ansätzen sind konstruktive und kreative Elemente festzustellen, die bisweilen vertieft werden können, um nicht in oberflächliche Erlebnisorientierung, also „Eventisierung“, abzudriften.

Wichtige Elemente der Kirchenraumpädagogik sind: Verlangsamung – in Ruhe, in Stille dem Raum begegnen; Wahrnehmung – Begegnung beginnt mit Aufmerksamkeit; Versinnlichung – dem Raum und seinen Gegenständen mit allen Sinnen begegnen; Fokussierung – einen Aspekt herausgreifen und sich auf ihn konzentrieren; Besinnung – tiefere Begegnung ermöglichen; Spiritualität – sich selbst und Gott begegnen (Hartmut Rupp [Hg.], Handbuch der Kirchenpädagogik. -Kirchenräume wahrnehmen, deuten und erschließen, 2., verb. Aufl., Stuttgart 2008).

Wichtig ist, eine Vielfalt von Formen der Kirchenraumbe-gegnung bereitzustellen. Sie können architektur- und kunst-geschichtlich orientiert sein, liturgie- und frömmigkeits-geschichtlich, geistlich und katechetisch, handlungs- und erlebnisorientiert, kreativ und meditativ, bewegt und/oder still vonstatten gehen. Die verschiedenen Räume und die verschiedenen Zielgruppen benötigen verschiedene Konzepte. Doch alle Formen sollten im Kern den Sinn des Raumes zumindest andeuten, besser noch aufleuchten lassen: die liturgische Feier der vor Gott versammelten Gemeinde.

Einige Klärungen sind noch vonnöten: Kirchenraumbegegnung muss ein sensibles Zusammenspiel mit der kunstgeschichtlichen Erschließung von Kirchenräumen und der darin enthaltenen Kunstgegenständen finden. Spirituelle, meditative oder symboldidaktische Konzeptionen dürfen nicht zur Entwichtigung der künstlerischen Bedeutung von Raum, Skulptur, Bild, Fenster etc. führen (Erika Grünewald, Kunstgeschichte und Kirchenpädagogik – ungelöste Spannungen, Berlin 2010). Eine kunstorientierte oder kunst- und architekturgeschichtliche Komponente muss in allen kirchenraumpädagogischen Unternehmungen enthalten sein, zumindest kreativ mitbedacht werden.

Gleichzeitig sollte vermieden werden, dass alle Formen von Kirchenführungen katechetisch oder missionarisch verzweckt werden, denn es würde den Menschen mit ihren verschiedenen Motivationen zum Aufsuchen von sakralen Räumen nicht gerecht. Die Besucher wollen nicht missioniert werden, sie wollen sich vielleicht einfach nur zurückziehen, einen Raum der Stille und Geborgenheit erleben, interessieren sich für die Kunst des Raumes oder sind aus bloßer Neugierde da.

Kirchenraumbegegnungen in diesem Sinn sind pastorales und diakonisches Handeln der zuständigen Gemeinde in einer Zeit der zunehmenden Säkularisierung der Gesellschaft, einer Zeit, die gerade in und mit der Säkularisierung neue Suchbewegungen nach dem Religiösen hervorbringt. Diese Suche bleibt inhaltlich oft unterbestimmt, im Vagen und Ungefähren. Im Raum der christlichen Kirche können manche solcher Suchprozesse eine neue Bestimmung erfahren, indem die Suchenden zur Begegnung mit dem angeleitet werden, dem der Raum dienen will: der Begegnung mit Gott.

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