Nach der Münsteraner MissbrauchsstudieBischof Genn räumt Fehler ein und will Macht abgeben

Dom in Münster
© Hansen-Strosche

Nach der Veröffentlichung der Studie zum Umgang mit sexuellem Missbrauch im Bistum Münster hat Bischof Felix Genn Fehler eingeräumt. Er habe Fälle nicht kritisch genug geprüft, nicht hart genug durchgegriffen und hätte in einigen Fällen anders handeln müssen. Einen Rücktritt lehnte er ab, betonte aber, Macht abgeben zu wollen, etwa indem er sich im Rahmen einer Selbstverpflichtung an die Entscheidungen diözesaner Gremien binde. Zudem soll eine Aufarbeitungskommission, der unter anderem der Leiter der Studie, der Historiker Thomas Großbölting, angehört, die weitere Aufarbeitung leisten.

Die Studie von Forschern der Universität Münster hatte zuvor ehemaligen und aktiven Bischöfe in der Diözese Münster im Umgang mit Fällen des sexuellen Missbrauches an Kindern und Jugendlichen schwere Fehler attestiert. „Skandalvermeidendes und strafvereitelndes Verhalten“ habe das Agieren der Verantwortlichen in diesem Zusammenhang geprägt. Erst seit der Amtszeit von Genn, der der Diözese seit 2009 vorsteht, habe es ein Umdenken gegeben. Für die Zeit zwischen 1945 und 2020 machten die vier Historiker und eine Ethnologin 610 Betroffene und 196 beschuldigte Priester aus. Bei rund 40 Prozent der beschuldigten Geistlichen lägen Hinweise auf den Missbrauch von mehr als einer Person vor. Da es sich bei dem Forschungsprojekt um eine sogenannte Hellfeldstudie handle, die nur Taten ermittelt habe, die empirisch nachweisbar seien, gehe man davon aus, dass die tatsächliche Zahl der Fälle um ein Zehnfaches höher liege.

Die meisten Taten bahnten sich im Zusammenhang mit der kirchlichen Kinder- und Jugendarbeit an, etwa im Zeltlager oder beim Ministrantendienst. Aber auch die konkrete seelsorgliche Situation im Beichtgespräch sei ausgenutzt worden. Drei Viertel der Betroffenen Kinder und Jugendlichen seien männlich. In über 90 Prozent der Fälle habe es keine strafrechtlichen Konsequenzen gegeben. Vielfach seien die Beschuldigten vorübergehend in den Urlaub oder zu einer Kur geschickt worden. Später erfolgte oft die Versetzung in eine andere Pfarrei.

Seit der Veöffentlichung der Studie ist im Münsteraner Dom auch der Zugang zur Bischofsgruft mit den Grabmälern der ehemaligen Bischöfe Michael Keller, Heinrich Tenhumberg und Reinhard Lettmann gesperrt. Sie „ließen sich von einer Haltung leiten, die den Schutz der Institution im Blick hatte, nicht aber die Betroffenen“, so ein Bistumssprecher. Das Bistum plant, in unmittelbarer Nähe zur Gruft an die Vergehen der drei Bischöfe zu erinnern. Dana Kim Hansen-Strosche

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