SoziotheologieRatschläge für die kirchliche Entwicklung

Bis 2019 war Gerhard Wegner Direktor des Sozialwissenschaftlichen Instituts der Evangelischen Kirche in Deutschland. Das ist den im vorliegenden Buch zusammengestellten Beiträgen auch anzumerken: Wegner bezieht sein Anschauungsmaterial von kleinen Schlenkern abgesehen aus der evangelischen Kirche und ist auch in seinen Ratschlägen für die weiteren kirchliche Entwicklung primär an ihr orientiert. Das heißt nicht, dass seine Überlegungen nicht auch für Katholiken interessant wären, die verunsichert oder besorgt danach fragen, was aus ihrer Kirche unter den heutigen gesellschaftlichen Bedingungen werden kann.

Ihm geht es vor allem um ein produktives Verhältnis von Soziologie einerseits und Theologie andererseits, das dazu verhelfen soll, dass die Theologie auf dem harten Boden gesellschaftlicher Prozesse bleibt und gleichzeitig die religiöse Eigenständigkeit des christlichen Glaubens stark macht. Ein in diesem Sinn substanzieller christlicher Glaube, so seine Grundthese, ist das entscheidende Pfund, mit dem die Kirche bei ihrem Zeugnis in einer Gesellschaft wuchern kann, in der das Christentum alles andere als selbstverständlich ist. Der Glaube gehe in der sozialen Wirklichkeit nicht auf, „sondern übersteigt diese Realitäten bzw., genauer gesagt, kommt dazu und lässt sie in einer besonderen Beleuchtung aufscheinen“. Für diese Bemühungen verwendet er den Begriff der „Soziotheologie“, den er im längsten Beitrag des Bandes in seinen verschiedenen Aspekten entfaltet.

Instruktiv ist auch der Überblick zur Rezeption der Soziologie in Theologie und Kirche in den Sechzigerjahren, als sich im evangelischen Bereich neue Diskussionsansätze Bahn brachen. Wegner beklagt, der in den letzten Jahren unter dem Rubrum Kirchenreform laufende Prozess habe weitgehend auf Theologie verzichtet und nach den Sozialwissenschaften jetzt die Ökonomie in die Kirche hereingeholt. Der abschließende Text des Buchs gilt in mehr kirchenpraktischer Hinsicht der Entwicklung der evangelischen Kirche, wobei sich Wegner gegen einen Rückzug „in feste Burgen der gegenseitigen Glaubensstärkung mit hohen Wällen nach außen“ ausspricht, solange es noch sehr viele Möglichkeiten zur kirchlichen Kommunikation gebe. Er dürfte mit dieser Einschätzung richtig liegen. Ulrich Ruh

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Gerhard Wegner

Substanzielles ChristentumSoziotheologische Erkundungen

Evangelische Verlagsanstalt, Leipzig 2022. 376 S. 38,00 € (D)

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