Opus DeiJosemaría Escrivá heilig gesprochen

Seit dem 6. Oktober hat die katholische Kirche einen neuen Heiligen: Josemaría Escrivá, den Gründer des als Personalprälatur verfassten Opus Dei. Die Heiligsprechung belegte die Mobilisierungskraft dieser in Spanien entstandenen, innerhalb der Kirche einzigartigen Organisation mit derzeit etwa 84 000 Mitgliedern.

Die Heiligsprechung des Opus-Dei-Gründers Josemaría Escrivá am 6. Oktober war das zweite kirchliche Groß- und Massenereignis dieses Jahres in Rom. Es zog etwa gleich viele Mitfeiernde an wie die Heiligsprechung des italienischen Kapuzinerpaters Pio aus Pietrelcina am 16. Juni 2002. In beiden Fällen erfolgte die Aufnahme in das Verzeichnis der Heiligen in Rekordzeit: Bei Pater Pio lagen zwischen Beginn des Verfahrens und Heiligsprechung 19 Jahre, bei Escrivá 22. Die 300 000 Gläubigen, die am 16. Juni nach Rom geströmt waren, kamen zum überwiegenden Teil aus Italien, wo Pater Pio als Heiliger des Volkes in hohem Ansehen steht. Die Zusammensetzung der Teilnehmer an den Feierlichkeiten zu Ehren des Opus-Dei-Gründers spiegelte die geographischen Schwerpunkte wie die weltweite Verbreitung dieser in der katholischen Kirche einzigartigen Organisation wider. Allein 80 000 kamen aus Spanien, dem Heimatland Escrivás (1902–1975). Insgesamt waren 84 Länder vertreten. Der Bericht des „Osservatore Romano“ (7./8.10.2002) führt auch genau Buch über die kirchlichen Würdenträger, die bei der Heiligsprechung anwesend waren: Nicht weniger als 33 Kardinäle und 500 Bischöfe, darunter je 60 aus Spanien und Italien.

Gründung durch göttliche Eingebung?

Ein Solitär ist das Opus Dei zum einen in seiner seit 1982 bestehenden Rechtsform als Personalprälatur. Die entsprechende Rubrik im „Annuario Pontificio“ verzeichnet nur den Eintrag „Opus Dei“. Der Jurisdiktion des amtierenden Prälaten, Bischof Javier Echevarría Rodríguez, unterstehen demnach zur Zeit 1788 Priester, 367 Priesteramtskandidaten und 82 715 Laien. Beim Tod seines Gründers zählte das Opus ungefähr 60 000 Mitglieder. Einen besonderen Anspruch erhebt die Organisation auch von ihrer Gründung her. In der Apostolischen Konstitution zur Errichtung der Personalprälatur Opus Dei heißt es, Escrivá habe das Werk „von göttlicher Inspiration geleitet“ ins Leben gerufen. Der Gründer selber beschrieb die Gründung des Opus folgendermaßen: „Das Werk Gottes hat sich nicht ein Mensch ausgedacht(...). Viele Jahre gab es der Herr einem ungeeigneten und tauben Instrument ein, das es erstmals am 2. Oktober 1928, dem Fest der Schutzengel, sah“ (zitiert nach: Pedro Rodríguez, Fernando Ocáriz, Jose Luis Illanes: Das Opus Dei in der Kirche, Paderborn 1997, 20).

Auch für die Entscheidung, neben dem männlichen einen weiblichen Zweig des Opus zu schaffen (1930), sowie für die Gründung der „Priesterbruderschaft vom Heiligen Kreuz“ (1943) berief sich Escrivá auf eine göttliche Eingebung, jeweils während der Feier der heiligen Messe. Den Namen „Opus Dei“ für seine Gründung fand Escrivá eigenen Aussagen zufolge 1930 spontan im Gespräch mit dem Jesuiten Valentin Sanchez, seinem damaligen Seelenführer (vgl. Andrea Tornielli: Escrivá. Fondatore dell’Opus Dei, Edizioni Piemme, Casale Monferrato 2002, 43). Neben dem Buch des italienischen Journalisten Tornielli („Vatikanist“ der Tageszeitung „Il Giornale“) erschien im Jahr der Heiligsprechung der erste Band einer auf drei Bände angelegten Biographie des Opus-Dei-Gründers von Andrés Vázquez de Prada (Adamas-Verlag, Köln 2002). Dazu kommt eine Sammlung von Beiträgen (César Ortiz (Hg.): Josemaría Escrivá. Profile einer Gründergestalt, Adamas Verlag 2002), die sämtlich von Mitgliedern oder doch Sympathisanten des Opus stammen und auf einen ausgesprochen hagiographischen Ton gestimmt sind.

Wie nicht anders zu erwarten, hat die Heiligsprechung von Escrivá wie schon vor zehn Jahren die Seligsprechung (vgl. HK, Juni 1992, 252 ff.) in Kirche und Öffentlichkeit die Diskussion über das Opus Dei neu belebt. Auf der einen Seite stehen auch diesmal lobende Aussagen zur Bedeutung von Spiritualität und Wirken des Opus für die Kirche. In einem Beitrag für die umfangreiche Sonderbeilage des „Osservatore Romano“ anlässlich der Heiligsprechung sprach Kardinal Joseph Ratzinger, der Präfekt der Glaubenskongregation, vom Opus Dei als der „überraschenden Verbindung einer absoluten Treue zur großen Tradition der Kirche und zu ihrem Glauben... mit einer bedingungslosen Öffnung für alle Herausforderungen dieser Welt“. In seiner Predigt bei der Heiligsprechung sagte Johannes Paul II., die Botschaft Escrivás sei auch heute aktuell und wichtig, und er fasste das Ideal des neuen Heiligen in der Formel zusammen, man müsse die Welt zu Gott erheben und sie von innen verwandeln. Ähnlich einen Tag später bei der Begegnung mit den Teilnehmern der Heiligsprechung: „Der Heilige Josemaría wurde vom Herrn dazu berufen, die allgemeine Berufung zur Heiligkeit zu verkünden und darauf hinzuweisen, dass das alltägliche Leben, die gewöhnlichen Tätigkeiten, der Weg zur Heiligung sind.“ Die Botschaft Escrivás habe vielen gewöhnlichen Gliedern des Volkes Gottes dabei geholfen, die erlösende Kraft des Glaubens und seine Fähigkeit zur Umgestaltung der Erde zu entdecken. Auf der anderen Seite tauchten im Zusammenhang mit der Heiligsprechung auch die bekannten Kritikpunkte gegenüber dem Opus Dei wieder auf. Sie gipfeln meist in dem Vorwurf, das Werk sei ein disziplinierter und effizienter, aber reaktionärer Geheimbund, dem es durch eine entsprechende Personalpolitik um möglichst viel Einfluss in der katholischen Kirche gehe. So wird unter anderem über die Zahl der Kardinäle spekuliert, die dem Opus nahe stünden und bei der nächsten Papstwahl einen entsprechend gesinnten Kandidaten durchsetzen beziehungsweise einen dem Opus Dei nicht genehmen verhindern könnten.

Statuten mit Spannungen

Die im Zusammenhang mit der Errichtung der Personalprälatur vom Heiligen Stuhl approbierten Statuten des Opus Dei („Codex Iuris Particularis Operis Dei“) wurden zehn Jahre danach veröffentlicht (vgl. den Text in: Das Opus Dei in der Kirche, 241–277). Die 185 Paragraphen dieses Regelwerks handeln von den verschiedenen Mitgliedskategorien des Opus, den Modalitäten für Eintritt und Austritt, von Lebensführung, Ausbildung und Apostolat der Mitglieder. Weitere Bestimmungen gelten den Leitungsstrukturen der Prälatur sowie der Priesterbruderschaft vom Heiligen Kreuz, der die in der Prälatur inkardinierten Priester automatisch angehören, die aber auch Diözesanpriester umfasst. Im einleitenden Kapitel über Wesen und Ziel der Prälatur heißt es, diese wolle sich mit allen Kräften darum bemühen, „dass Menschen aus allen Schichten und Bereichen der bürgerlichen Gesellschaft, vor allem solche, die man als Intellektuelle bezeichnet, den Geboten Christi des Herrn mit ganzem Herzen anhangen und diese Gebote, auch durch das Werk der Heiligung der jeweiligen beruflichen Tätigkeit, inmitten der Welt verwirklichen, damit alles gemäß dem Willen des Schöpfers geordnet werde“. Sie solle außerdem Männer und Frauen dazu befähigen, in der Gesellschaft apostolisch tätig zu werden.

Die Statuten enthalten detaillierte Bestimmungen zu den religiösen Pflichten der Mitglieder. Dazu gehören etwa die tägliche Mitfeier der Eucharistie, eine intensive Marienverehrung, die wöchentliche Beichte sowie regelmäßige Exerzitien. Nachdrücklich verlangt werden die Treue zur Kirche und zum Papst sowie der Gehorsam gegenüber der Führung des Werkes „in allem, was zur besonderen Zielsetzung des Opus Dei gehört“. Das Opus fordert von seinen Mitgliedern, so die Statuten, eine „beständige apostolische Aktivität“, die sich im jeweiligen beruflichen und sozialen Umfeld abspielen soll. Neben dem persönlichen Apostolat steht das der Prälatur als solcher durch die pastorale Betreuung von Bildungs- und Sozialeinrichtungen. Im Blick auf die berufliche Tätigkeit wie die gesellschaftlichen und politischen Anschauungen genießen die Mitglieder des Opus Dei den Statuten zufolge „in den Grenzen der katholischen Glaubens- und Sittenlehre die volle Freiheit, die auch den übrigen katholischen Bürgern zukommt“.

Die seinerzeit noch von Escrivá selber verfassten Statuten (so die Angabe in: Das Opus Dei in der Kirche, 13) fügen Elemente zusammen, die jedenfalls bei der Betrachtung von außen in einer gewissen Spannung zueinander stehen. Wie verträgt sich etwa die immer wieder betonte Welthaftigkeit der Opus-Dei-Spiritualität („Heiligung des Alltags“) mit dem engen religiös-asketischen Korsett, das allen Mitgliedern auferlegt wird? Wie verhält sich die mehrfach urgierte Nachahmung des „verborgenen Lebens Jesu“ in Nazareth mit der ebenfalls immer wieder geforderten „perfekten“ Erfüllung der beruflichen und gesellschaftlichen Verpflichtungen? Das Opus versteht sich als Weg zur Heiligung in der Welt für alle Christen und betont in diesem Sinn auch die grundlegende Gleichheit unter seinen Mitgliedern. Wie passt dazu die Tatsache, dass auch die Laien unter den „Numerariern“ und „Assoziierten“ zum Zölibat verpflichtet sind? Die von Escrivá nicht nur ins Leben gerufene, sondern auch in allen Einzelheiten durchgeplante Organisation will der Kirche dienen, hat keine spezifische Theologie oder Frömmigkeit. Aber sie bildet doch so etwas wie eine Kirche in der Kirche, deren Mitglieder sich mit einem förmlichen Versprechen verpflichten, die strikten Gehorsam im Eigenbereich verlangt und in der einzigartigen Rechtsform der Personalprälatur verfasst ist. Von den derzeit etwa 84 000 Mitgliedern der Prälatur entfallen nach eigenen Angaben 48 700 auf Europa, 29 000 auf Amerika, 4700 auf Asien und Ozeanien und 1600 auf Afrika. Für Deutschland, wo das Opus 1952 erstmals Fuß gefasst hat, gibt es heute knapp 600 Mitglieder an, wozu etwa die gleiche Zahl von aktiven Mitarbeitern kommt. In Österreich (vgl. das Interview mit Regionalvikar Martin Schlag, in: Die Furche, 3.10.2002) zählt das Werk 350 Mitglieder, außerdem etwa 1000 „enge Mitarbeiter“ und 3000 bis 5000 „Freunde“.

Ein geschlossener Block

Seit dem Konsistorium vom 21. Februar 2001 ist das Opus Dei im Kardinalskollegium vertreten, durch den Erzbischof von Lima, Juan Luis Cipriani Thorne. Zum Klerus des Opus Dei gehören auch die lateinamerikanischen Erzbischöfe von Arequipa (Peru), Guayaquil (Ecuador), San Salvador (El Salvador) und San Juan de Cuyo (Argentinien). Einziger mitteleuropäischer Opus-Dei-Bischof ist Bischof Klaus Küng von Feldkirch.

Das Gewicht des Opus Dei in der Weltkirche ergibt sich aber weniger aus der Zahl der Bischöfe aus seinen Reihen (wozu weit mehr Sympathisanten im Episkopat kommen) als aus der Tatsache, dass es mit seinen strikt hierarchischen Strukturen, seinem Korpsgeist, seinen selbstgewiss und unverändert hochgehaltenen Prinzipien und seiner hohen Identifikation mit dem Papst einen geschlossenen, weltweit operierenden Block bildet. Deshalb lässt es sich auch nicht mit den in den letzten Jahrzehnten entstandenen „movimenti“ vergleichen, obwohl es zwischen einigen von ihnen und dem Opus Dei gewisse Ähnlichkeiten gibt. Seine Mobilisierungskraft hat das Opus mit dem bestens organisierten Zustrom zur Heiligsprechung von Escrivá unter Beweis gestellt (vierzig Prozent der Teilnehmer an den Feierlichkeiten waren unter 30 Jahre alt). Trotzdem werden seine Bäume nicht in den Himmel wachsen: 40 Jahre nach Beginn des Zweiten Vatikanischen Konzils ist die katholische Kirche ein ausgesprochen vielfältiges und gleichzeitig spannungsreiches Gebilde, das sich nicht durch eine Bewegung oder Organisation entscheidend beeinflussen oder gar in eine bestimmte spirituelle Richtung umkrempeln lässt.

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