OstergedankenUnd jetzt? Auferstehung heute

Nur weil das kalendarische Osterfest vorbei ist, müssen wir uns nicht dem Alltagstrott hingeben. Unsere Autorin knüpft die österliche Zuversichtskette weiter.

Gedankenanstoß (Foto: privat)
Gedankenanstoß (Foto: privat)

Christus ist auferstanden! – Er ist wahrhaftig auferstanden!“, rufen sich vor allem orthodoxe Christinnen und Christen traditionell als Ostergruß zu. Dieser Linie folgend hatte in der Osternacht vor drei Jahren jemand mit Kreide „Der Herr ist auferstanden, Halleluja!“ an die Hauswand unseres Pfarrbüros geschrieben. Kurze Zeit später versah ein Unbekannter den begeisterten Verkündigungsspruch mit der herausfordernden Frage „Und jetzt?“. Dieser zum Nachdenken anregende Einwurf hat mich seitdem nie wieder ganz losgelassen: Was bedeutet Jesu Auferstehung vor 2000 Jahren eigentlich ganz konkret für unsere heutige Zeit und unser persönliches Leben? Und wie soll es weitergehen, wenn die Auferstehungsfeier vorbei, der freudige Osterjubel verklungen und der Alltag wieder eingekehrt ist?

Natürlich ist es lange her, dass Christus den Tod überwand, auferweckt wurde, seinen Jüngerinnen und Jüngern erschien und sogar seine Wunden berühren ließ. Aber bis heute erinnern wir uns jedes Mal, wenn wir das Osterfest begehen, Gottesdienst feiern oder das Credo sprechen, bewusst daran, und die glaubensstiftende, weltverändernde und ultimativ hoffnungsspendende Kraft dieses Ereignisses wirkt immer noch in uns und in der Welt nach.

Wie in jedem Jahr, so habe ich auch heuer wieder in den Tagen nach den großen Osterfeierlichkeiten über die Kreideaufschrift und Frage nach dem „Und jetzt?“ nachgedacht und bin dabei auf eine weitere mögliche Antwort-Facette gestoßen – denn just in dieser Zeit erhielt ich die wunderbare Nachricht, dass ein mir nahestehender lieber Mensch nach vielen leidvollen Wochen in Krankenhaus und Reha nun so genesen sei, dass er endlich in sein Zuhause zurückkehren dürfe. Mitten in meiner Freude über diese Botschaft kam mir ein Gedanke: Handelt es sich hierbei nicht auch um eine Art Auferstehung mitten im Hier und Jetzt?

Vielleicht stellt Jesu österliche Auferstehung somit auch eine Einladung an uns Christinnen und Christen dar, den Blick auf die vielen kleinen oder größeren erlösenden Auferstehungen in unserem Alltag zu lenken, dafür dankbar zu sein und sie zu feiern. Bei aufmerksamem Hinsehen kann man schließlich so viele dieser winzigen Abglanzmomente der Auferstehung Jesu entdecken, die in unserer Gegenwart aufleuchten: Wenn jemand eine schwere Krankheit überwindet und Heilung erfährt. Wenn die abgestorben erscheinende Natur im Frühjahr wieder zu sprießen und zu blühen beginnt. Wenn ein Erniedrigter und Entwürdigter wieder aufgerichtet wird und fortan „erhobenen Hauptes“ durchs Leben gehen kann. Wenn eine versiegte Glaubensquelle neu zu sprudeln beginnt. Wenn eine abgestorbene Beziehung wieder auflebt und gedeiht. Wenn nach einer tiefen Depression der Lebenswille zurückkehrt. Wenn eine totgesagte Kirche sich wandelt und an manchen Orten in erneuerter Form wieder aufkeimt. Wenn ehemalige Todfeinde sich versöhnen, einander die Hände reichen und Frieden schließen…

In diesen vielen verschiedenen Auferstehungsereignissen – im immer neuen Überwinden von Krankheit, Dunkelheit, Gewalt und Hoffnungslosigkeit – wird Jesu Sieg über den Tod gespiegelt und fortgeschrieben. Diese Momente reihen sich wie Perlen ein in eine andauernd weitergeknüpfte Zuversichtskette. Der Theologe Tomáš Halík betont deshalb in seinem Buch Die Zeit der leeren Kirchen (2021), dass wir „neben der creatio continua auch über die ressurectio continua, eine fortwährende Auferstehung, sprechen können. Der Sieg Jesu über den Tod setzt sich in der Kirchengeschichte und der Menschheitsgeschichte fort.“ Zeugnisse dafür findet er zum Beispiel in den „belebenden Reformen der Kirche, aber auch in den Geschichten der Umkehr von einzelnen Menschen“. Damit verweist er zudem auf einen weiteren wichtigen Aspekt, wonach sich Auferstehung nicht einfach nur eine bloße Reaktivierung eines vormaligen Zustandes darstellt. Nein, sie ist vielmehr ein intensiver Wandlungsprozess hin zum Guten, der jedoch auch Kraft kostet, mit viel innerem und äußerem Ringen verbunden ist und nicht spurlos an den Involvierten vorübergeht. Diese „Wundmale“ bleiben bestehen und sollten auch nicht künstlich überdeckt werden. Sie stellen ein glaubwürdiges Zeugnis für das durchschrittene Tief und vor allem für dessen Überwindung dar und haben somit immer wieder das Potenzial, in anderen Menschen neuen Lebensmut zu erwecken.

Was könnte also das „Und jetzt?“ konkret für unser Leben bedeuten? Zum einen ist es natürlich die Einladung, sich immer wieder von Neuem – und nicht nur an Ostern – davon begeistern zu lassen, dass Christus „wahrhaftig auferstanden“ ist, und diese erlösende Frohbotschaft weiterzutragen und in uns wirken zu lassen. Aber es stellt auch eine Ermutigung an uns dar, mit offenen und staunenden Augen durch die Welt zu gehen und den Blick auf die vielen Funken dieser Auferstehung mitten in unserem Leben zu suchen, sich an ihnen zu freuen und uns davon stärken zu lassen. Darüber hinaus sollten wir als Christinnen und Christen aber auch selbst zu „Helfern zu eurer Auferstehung“ werden – indem wir Nächstenliebe praktizieren, Niedergedrückte aufrichten, Wunden verbinden, uns für eine lebensförderlichere Kirche einsetzen oder Frieden stiften und so gemeinsam dafür sorgen, dass der Tod und die Verzweiflung nicht das letzte Wort haben, sondern das Leben und die Hoffnung.

Anzeige: Traum vom neuen Morgen. Ein Gespräch über Leben und Glauben. Von Tomáš Halík

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