Zum Tode von Peter Higgs, Entdecker des „Gottesteilchens“Fortschrittlicher Rückschritt

Die klassische Physik von Ursache und Wirkung kam lange ohne Gott aus. Doch neue Erkenntnisse laden wieder zum Staunen ein – und zum Glauben.

Am 8. April ist der britische Physiker Peter Higgs im Alter von fast 95 Jahren verstorben. Er hat den Nobelpreis im Jahre 2013 erhalten, das macht ihn groß, und er hat vierzig Jahre darauf gewartet, das macht ihn noch etwas größer. Nicht der Neid der Kollegen hat den Preis verhindert, sondern die Tiefe des Higgs-Teilchens, zu dem die Forscher am CERN in Genf erst einmal vordringen mussten.

Wie kann man das Teilchen auf einfache Weise verstehen? Das Problem gibt es seit 1905, als Albert Einstein die berühmte Formel E = mc² aufgestellt hat. Das Ergebnis ist millionenfach im Experiment gesichert, die Formel beschert uns das Glück, von der Sonne angestrahlt zu werden. Wenn die Sonne ihren Wasserstoff zu Helium verbrennt, geht etwas Masse verloren, in der Formel ist es das m, es wird verwandelt in die Energie E, die als Strahlung ausgesandt wird, c meint die Lichtgeschwindigkeit. Seit etwa fünf Milliarden Jahren strahlt die Sonne auf diese Weise. Und das Higgs-Teilchen erklärt, wie die Masse zur Strahlung wird.

Nun hat dieses Teilchen einen spaßigen Namen erhalten, es wurde das Gottesteilchen genannt, the God particle, vielleicht weil ein Journalist die Sache so geheimnisvoll fand. Damit wird der Theologe auf den Plan gerufen. Higgs fand den Namen nicht sehr lustig: „I have to explain to people it was a joke. I’m an atheist.“ („Ich musste den Leuten erklären, dass das ein Scherz war. Ich bin Atheist.“) Hier liegt er ganz auf der Linie seines Kollegen Einstein, dessen Formel er erklärt. Auch Einstein war Atheist und sprach gerne von Gott, wobei er diesem das Würfeln verbieten wollte, was nicht recht geklappt hat. Die moderne Physik zeigt ganz deutlich, wie sehr Gott würfelt, soll heißen, wie wenig die Natur vorherbestimmt ist. Wenn die Natur aber keine Maschine ist, dann bleibt Platz zum Glauben.

Man muss Vorsicht walten lassen, wenn man das Wort „Gott“ in den Mund nimmt. Nach einem alten Sprichwort ist Gott dasjenige, woran ich mein Herz gehängt habe. Einstein hatte sein Herz an die Maschine gehängt, wie er um 1950 dem Dichter Hermann Broch bekannt hat: „Ich bin fasziniert von Ihrem Vergil ... Es zeigt mir das Buch deutlich, vor was ich geflohen bin, als ich mich mit Haut und Haar der Wissenschaft verschrieb: Flucht vom Ich in das Es.“ Diese Flucht begann Einstein um 1895, und mit der Physik von damals schien das möglich zu sein.

Hier liegen Higgs und Einstein auf einer Linie, sie haben die Quantentheorie des 20. Jahrhunderts nicht in sich aufgenommen und sind Atheisten geblieben, wie eben die klassische Physik den Atheismus erzeugt hat. Die beiden haben große Fortschritte in der Erkenntnis der sachhaften Wirklichkeit gebracht. In der Natur, in der Erkenntnis der personalen Seite der Wirklichkeit, in der Erkenntnis Gottes haben sie aber den Rückwärtsgang eingelegt. Mit der Quantentheorie kann man keinen Atheismus mehr begründen, die Flucht in das Es ist vorbei.

Werner Heisenberg, der 1925 auf Helgoland mit der Unbestimmtheitsrelation den Kern der Natur erfasst hat, spricht anders über Gott. Er wurde gefragt: „Kannst du der zentralen Ordnung der Dinge so unmittelbar gegenübertreten, mit ihr so unmittelbar in Verbindung treten, wie dies bei der Seele eines anderen Menschen möglich ist?“ Er antwortete: Ja.

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