Konsistorium in RomFerne und nahe Ränder

Die Kardinäle werden als Kreaturen des Papstes bezeichnet und ihre Ernennung verrät viel über das Kirchenbild ihres Urhebers: Franziskus wünscht sich eine bunte Kirche – und übersieht dabei die innerkirchlichen Ränder.

Am vergangenen Samstag kreierte – so der Fachausdruck – Papst Franziskus in Rom zwanzig neue Kardinäle. Diese ranghöchsten katholischen Würdenträger bilden das wichtigste Beratergremium des Pontifex und sind vor allem dazu berechtigt, einen neuen Papst zu wählen. Während es in der Kirchengeschichte lange möglich war, auch als Laie – und somit zumindest theoretisch auch als Frau – in den Kardinalsstand erhoben zu werden, ist die Ernennung seit 1917 an die Priesterweihe gekoppelt.

In seiner Predigt appellierte Franziskus an die neuen Kardinäle, sich „mutig um die großen wie um die kleinen Dinge zu kümmern“, denn es gelte „nicht vom Größten gedrängt, sondern vom Kleinsten eingenommen zu werden“.

Aber nicht nur die Worte des Papstes, auch seine Personalentscheidungen spiegeln eine klare Grundausrichtung wider: Ihm schwebt eine „Feldlazarett“-Kirche vor, die ihre gewohnten und selbstbezogenen Bahnen verlässt und sich den Rändern der Gesellschaft zuwendet. Dementsprechend weltkirchlich bunt ist auch die Riege der neuen Kardinäle: Unter den zwanzig findet man weniger europäische „Schwergewichte“, dafür aber mehr Asiaten (5), Lateinamerikaner (3) und Afrikaner (2).

Ein Beispiel für Franziskus’ Handschrift ist die Kreierung des indischen Erzbischofs Anthony Poola. Er ist der erste Kardinal aus der Kaste der Dalit, der „Unberührbaren“. Die Dalit (abgeleitet vom Sanskritwort dal – zerbrochen, niedergetreten) sind bis zum heutigen Tag Diskriminierung und Gewalt ausgesetzt. Poola, der selbst als Kind Armut und Ausgrenzung erleben musste, setzt sich deshalb besonders für die Marginalisierten seines Landes ein.

Dann ist da der 48-jährige Giorgio Marengo, Missionar und seit 2020 Apostolischer Präfekt von Ulaanbaatar (Mongolei), der für eine offene Kirche steht. Auch Erzbischof Leonardo Steiner von Manaus (Brasilien) ist ein Geistlicher nach dem Geschmack von Franziskus. Er gilt als ein Vorkämpfer für die Belange der indigenen Bevölkerung und als mutiger Kritiker der rechtspopulistischen Regierung.

Es ist gut, dass Papst Franziskus eine Reihe Würdenträger in das Kardinalskollegium erhoben hat, die für eine buntere, offenere, menschenfreundlichere Kirche stehen. Aber wie ungleich zeichenhafter und zukunftsweisender könnte die katholische Kirche doch sein, wenn der Papst auch die innerkirchlichen Ränder in den Blick nehmen würde, wo Menschen verletzt, diskriminiert oder marginalisiert werden. Wenn die vatikanischen Entscheidungsgremien transparenter, offener und partizipativer gestaltet würden, und wenn er – durchaus in alter Tradition – wieder Laien (und somit auch Frauen) in den Kardinalsstand erheben würde.

Sind wir durch unsere Taufe nicht alle Würdenträgerinnen und Würdenträger? Ähnlich sahen das sieben Frauen von Women’s Ordination Worldwide, die am Wochenende friedlich vor den Toren des Vatikans protestierten. Auf einem ihrer scharlachroten Schirme war zu lesen: „Sexismus ist eine Kardinalsünde“. Und während die überwiegend älteren Herren Kardinäle meist schweigend in den vatikanischen Gebäuden verschwanden, wurden die Protestiererinnen von der Polizei abgeführt. Die marginalisierten Ränder sind eben manchmal nicht tausende Kilometer entfernt, sondern direkt vor der eigenen Haustür – man muss nur hinsehen (wollen).

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