Schokolade in Afrika hergestelltBegehrte Bohnen

Unfairer Handel, Kinderarbeit, Ausbeutung – die Herstellung von Schokolade ist mit vielen Problemen verbunden. Der Kakao dafür kommt oft aus Westafrika, denn Ghana und die Elfenbeinküste sind die größten Produzenten der Welt. Dort gibt es jetzt mutige Unternehmer, die den Markt revolutionieren möchten. Schokolade made in Africa – hat das eine Chance?

© Foto: Jörg Böthling

Nein, leider nicht. Das war die Antwort, die Axel Emmanuel Gbaou geben musste, als er vor einer Weile zu Besuch in Deutschland war. Seine Gastgeber von der „Deutschen Gesellschaft für Internationale Zusammenarbeit‘‘ hatten ihn in das Kölner „Schokoladenmuseum‘‘ eingeladen. Wer das nicht kennt: Es gehört mit über 600000 Besuchern (in pandemiefreien Jahren) zu den zehn meistbesuchten Museen Deutschlands. Dort war also Axel Emmanuel aus Westafrika zu Gast, und das Gespräch kam auf die weltgrößten Kakaohersteller. „Wer ist die Nummer 1?“ Die Elfenbeinküste, sein Heimatland.–„Dann habt ihr sicher auch gute Schokolade dort, oder?“–„Nein, leider nicht.“

Mit mehr als zwei Millionen Tonnen Kakaobohnen pro Jahr liegt die Elfenbeinküste an der Spitze der größten Kakaoproduzenten. Das macht ungefähr 40 Prozent der gesamten Ernte weltweit aus. Und dennoch: Bis vor kurzem gab es keinen einzigen Hersteller im Land selbst, der aus den begehrten Kakaobohnen Pulver, Butter und vor allem Schokolade machen würde. Praktisch die gesamte Ernte ging in den Export.

Auch in Abidjan haben die Menschen Lust auf Schokolade. Bislang musste sie importiert werden.
Auch in Abidjan haben die Menschen Lust auf Schokolade. Bislang musste sie importiert werden.© Foto: Jörg Böthling

Der Schokoladenmacher von Abidjan

„Das muss sich ändern“, fand Axel Emmanuel. Er kündigte einen gut bezahlten Job in einer Bank in Frankreich und gründete ein eigenes kleines Unternehmen: Le Chocolatier ivoirien, der Schokoladenmacher von der Côte d’Ivoire, wie die Elfenbeinküste auf Französisch heißt. So berichtet Axel Emmanuel heute in seiner kleinen Firmenzentrale in der Metropole Abidjan von seinen Anfängen. „Auch meine Eltern waren Kakaobauern.‘‘ Aber das sei wirklich nichts Besonderes, betont er. „Jeder in unserem Land baut Kakao an. Jeder.‘‘ Und er zählt sie auf: den Staatspräsidenten Alassane Ouattara, Didier Drogba, die Fußballerlegende. Auch der habe einen Teil seines Wohlstands in Kakaoplantagen investiert.

„Jeder in der Elfenbeinküste baut Kakao an.“ Pflege der Setzlinge.
„Jeder in der Elfenbeinküste baut Kakao an.“ Pflege der Setzlinge.© Foto: Jörg Böthling

Kakao war auch die Grundlage für das sogenannte miracle ivoirien, das ivorische Wirtschaftswunder. Anders als viele afrikanische Staaten stürzte die Elfenbeinküste nach ihrer Unabhängigkeit in den 1960er-Jahren nicht sofort in die Krise. Zwanzig Jahre lang verzeichnete man ein Wirtschaftswachstum von um die zehn Prozent pro Jahr, und das hing im Wesentlichen von der Entwicklung der Landwirtschaft ab. Schon in der zweiten Hälfte der 1970er-Jahre stieg das Land zum weltgrößten Kakaoproduzenten auf. Zu taumeln begann die Wirtschaft erst, als die Weltmarktpreise für Kaffee und Kakao ab etwa 1978 fielen. Gleichzeitig verschlief das Land unter Führung des alternden Langzeitpräsidenten Felix Houphouet-Boigny nötige Reformen. Die Elfenbeinküste hing am Tropf der alten Kolonialmacht Frankreich.

Im Innern der Kakaofrüchte verbergen sich die begehrten Bohnen.
Im Innern der Kakaofrüchte verbergen sich die begehrten Bohnen.© Foto: Jörg Böthling

Es war die Zeit, in der auch Axel Emmanuel Gbaou aufwuchs. „Ich erinnere mich daran, als ich in der Schule war“, sagt er heute. „Wir haben immer mit einem Kugelschreiber geschrieben. Irgendwann wurde mir klar: Nicht einmal der Kugelschreiber kommt aus meinem eigenen Land. Sogar der stammt aus Frankreich.“ Als er einen seiner ersten Verträge als Schokoladenhersteller unterschreiben sollte, dachte er wieder daran. „Und ich habe darauf bestanden, mit einem Stift zu unterschreiben, der bei uns hergestellt wurde.“

Zu wenig Reichtum bleibt in Afrika

Mag sein, dass eine solche Anekdote vor allem fürs Marketing gedacht ist. Aber es ist schon etwas Wahres dran. Noch immer werden zu viele Rohstoffe aus Afrika exportiert und zu wenig eigene Produkte in Afrika hergestellt. Beim Kakao scheint sich allmählich etwas zu verändern. Mehrere einheimische Unternehmen wurden vor kurzem gegründet, wenn auch oft in Kooperation mit europäischen Partnern. Aus Ghana kommt eine Schokolade namens Fair Afric, im Nachbarland ist die Marke Choco Togo zu finden. „Von den zwei Millionen Tonnen Kakao, die pro Jahr aus der Elfenbeinküste kommen, kann doch wenigstens ein kleiner Teil hier im Land bleiben“, findet Axel Emmanuel. Die Konkurrenz ist sowieso weiterhin riesig.

Auf Bambusmatten werden die fermentierten Kakaobohnen getrocknet (Farm des Kakaobauern Ambroise N’Koh).
Auf Bambusmatten werden die fermentierten Kakaobohnen getrocknet (Farm des Kakaobauern Ambroise N’Koh).© Foto: Jörg Böthling

Denn auch die eigene Regierung verdient gut am Export. Steuern und Ausfuhrzölle spülen viel Geld in staatliche Kassen. Aber auch internationale Süßwarenkonzerne haben inzwischen ihre Verantwortung erkannt. Der Zusammenschluss World Cocoa Foundation verfolgt in Westafrika die Cocoa Action-Strategie. Neun große Unternehmen wie Nestlé, Mars, Mondelez und Ferrero haben sich angeschlossen. Kinderarbeit soll verhindert werden, schlechte Löhne auch. Doch vieles beruhe nach wie vor auf dem guten Willen und dem freiwilligen Engagement der Unternehmen, kritisiert etwa das „Südwind-Institut“ aus Bonn in einer Analyse zum Kakaohandel. Noch immer müssen schätzungsweise zwei Millionen Kinder auf den Kakaoplantagen der Elfenbeinküste und Ghanas arbeiten. Auch wenn es Gesetze verbieten.

Es ist ein Samstagmorgen, als Nanan Yao Kouassi sich gerade auf sein kleines Motorrad schwingt und die sandige Piste aus seinem Dorf herausfährt. Immer enger wird der Weg, doch er weiß genau, wohin er möchte. Ein paar Mal noch abgebogen, dann ist er am Ziel. Ein kleiner staubiger Platz unter Bäumen, und ringsherum: Kakaobäume. Die Dorfgemeinschaft trifft sich zur Arbeit. Nanan Yao Kouassi ist der Chef, er erklärt, was zu tun ist. Die gelben Schoten müssen mit Macheten oder anderen Messern vom Baum geschnitten und geöffnet werden. Die Bohnen aus dem Inneren werden mit Bananenblättern vergoren. „Erst dann bekommen sie den Geschmack von Kakao, den ihr kennt“, erklärt Bauer Kouassi.

Zwar liegt das Dorf und auch die kleine Plantage weit entfernt von der Millionenstadt Abidjan, nahe Yamoussoukro. Aber Herr Kouassi und die Seinen wissen trotzdem, was vor sich geht. „Im Fernsehen sagen sie, dass wir Bauern pro Kilo Kakaobohnen 1000 Francs bezahlt bekommen“, sagt er. „Aber das stimmt nicht.‘‘

Eigentlich müsste die staatliche Kakaobehörde sich um die Preise kümmern und diese landesweit stabil halten, damit die Produzenten von ihrer Ernte leben können. „Wir bekommen pro Kilo nur 700 Francs – egal, was die Fernsehnachrichten sagen.“ 655 westafrikanische Francs entsprechen einem Euro. Im Durchschnitt verdienen Kakaobauern jeden Tag weniger als einen Euro.

Endlich wird auch vor Ort Schokolade hergestellt: etwa in der Manufaktur von Axel Emmanuel Gbaou.
Endlich wird auch vor Ort Schokolade hergestellt: etwa in der Manufaktur von Axel Emmanuel Gbaou.© Fotos: Jörg Böthling

Die Kakao-Revolution

Chocolatier Axel Emmanuel sieht darin ebenfalls eines der Hauptprobleme. „In unserer Region ist es leider so: Die Menschen haben zu wenig Unternehmergeist. Sie verkaufen ihre Ware sofort, weil sie das schnelle Geld brauchen.“ Oft zwingt einfach die Armut die Bauern dazu, und Zwischenhändler nutzen diese Notlage geschickt aus. Axel Emmanuel denkt über Alternativen nach. Zum Beispiel organisiert er Kurse für Frauen. „Sie sollen lernen, wie sie die Kakaobohnen nach der Ernte selber rösten können.‘‘ Denn geröstete Bohnen erzielen einen höheren Preis. Auch Axel Emmanuel kauft seine Bohnen geröstet und direkt von lokalen Erzeugergemeinschaften. „Ich bezahle ihnen umgerechnet fünf Euro pro Kilo.‘‘

Es gibt sogar Pralinenkreationen.
Es gibt sogar Pralinenkreationen.

So möchte er die einheimische Wirtschaft ankurbeln. Er sagt, er plane nichts weniger als die „Kakao-Revolution“. Unter diesem Schlagwort präsentiert er sich und seine Ware zumindest im Internet; in Frankreich sitzen Geschäftspartner, die den Vertrieb nach Europa übernehmen.

Hier liegt nämlich die nächste Schwierigkeit. Ist Schokolade nicht viel zu sehr ein Luxusprodukt, das sich gar nicht jeder leisten kann? Die Bauern selbst ernähren sich von Fisch oder gegrilltem Huhn mit Reis. Aber Schokolade? Doch, doch, es gebe immer mehr Kunden auch im eigenen Land, sagt der Chocolatier. In Abidjan mit seinen Bürohochhäusern und Wohnungsbauprojekten, in denen die wachsende Mittelschicht ein Zuhause findet. Dort kauft man seltener am Straßenimbiss ein, sondern geht in den Supermarkt und findet dort Importware aus Europa und Asien, und zwischendrin immer öfter auch die Schokoladentafeln Made in Ivory Coast.

Schon die Verpackung zeigt: Diese Schokolade ist „Made in Ivory Coast“.
Schon die Verpackung zeigt: Diese Schokolade ist „Made in Ivory Coast“.© Foto: Jörg Böthling

Während Axel Emmanuel gerade zeigt, wie seine Mitarbeiter Schokolade herstellen, bereiten ihre Kolleginnen die Verpackungen vor. Diese sind eigens in einer Druckerei bestellt worden, mit speziellem Design in afrikanischen Mustern. „Diese Bestellung geht in die USA‘‘, sagt der Chocolatier. Die Kunden dort seien Auswanderer von der Elfenbeinküste. Sie haben es in Amerika zu Reichtum gebracht und wollen diesen auch zeigen. Also gönnt man sich ein köstliches Produkt: Schokolade aus Abidjan. Der Geschmack der Heimat, der hinausgeht in die weite Welt.

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