EditorialUngleichzeitig

„Und jetzt zu etwas ganz anderem…“

Immer noch beherrscht Afghanistan die Schlagzeilen. Tausende verzweifelte Menschen drängen sich seit der Machtübernahme der Taliban am Flughafen in Kabul. „Wir werden in den verbleibenden Tagen dieser militärischen Evakuierungsaktion nicht alle aus Afghanistan rausbekommen können“, hat der deutsche Außenminister Heiko Maas soeben erklärt. Was für ein Desaster! Und mehr als zweifelhaft ist es auch, wenn Politiker jetzt nicht zuerst an die leidenden Menschen denken, sondern daran, dass sich „2015 nicht wiederholen“ dürfe. Was genau soll sich eigentlich nicht wiederholen? Die große Geste der Menschlichkeit? Der Einsatz der vielen Engagierten für die Integration der Flüchtlinge? Oder deren eigene Leistung? Der Journalist Franz Alt hat soeben erinnert: „Die meisten der damaligen Flüchtlinge sprechen inzwischen gut Deutsch, haben einen Job, zahlen Steuern und arbeiten für ihren und unseren Wohlstand in Arbeitsplätzen, die viele Deutsche nicht mehr haben wollen.“ Aber klar, man kann sich auch auf die negativen Aspekte – die es natürlich ebenfalls gibt – konzentrieren…

Und sonst? Etliche von uns sind noch in Ferien. Für andere hat der Alltag wieder begonnen – inmitten einer sich aufbauenden vierten Corona-Welle. In Tokio treten die Sportler mit Behinderung bei den Paralympics an. Die Lokführer streiken. In den Überschwemmungsgebieten hoffen und arbeiten sie weiter. Der Wahlkampf legt ein paar Umdrehungen zu. In der Kirche wappnet man sich für einen wichtigen, womöglich heißen Herbst: Plenarversammlung des Synodalen Wegs, Veröffentlichung weiterer Missbrauchsgutachten, päpstliche Entscheidungen über das Schicksal deutscher Bischöfe… (vgl. S. 5). Und was macht das eigene Leben im Nahraum, etwa im Verein oder der Pfarrgemeinde (vgl. S. 2)?

Es ist extrem schwierig, all dies gedanklich und gefühlsmäßig „unter einen Hut“ zu bekommen. Aber war das denn früher anders? In der Sache vermutlich nicht. Doch heute haben wir alle Entwicklungen viel stärker gleichzeitig und vermeintlich gleichwertig ständig präsent. „Und jetzt zu etwas ganz anderem…“ Dieses Prinzip moderner Medien hat Neil Postman schon Anfang der 1980er Jahre in seinem heute etwas angestaubt wirkenden, aber nach wie vor gültigen Buch „Wir amüsieren uns zu Tode“ beschrieben und kritisiert.

Was gibt Orientierung, was lässt uns zur Ruhe kommen? Als Christen dürfen wir vertrauen, dass alles schließlich doch einen Sinn ergibt und auf ein gutes Ende zusteuert. Das mag für Außenstehende wie eine Vertröstung klingen. Doch wagen wir es, dieser Zusage zu vertrauen. Es lebt sich besser damit. Stephan Langer

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