Kardinal George PellAlso doch: Ohne Schuldbeweis verurteilt

Der Freispruch des australischen Kardinals George Pell vom Vorwurf sexuellen Missbrauchs zweier Jugendlicher war folgerichtig: Die sieben Richter des Obersten Gerichtshofs in Brisbane hatten einstimmig befunden, dass erhebliche Zweifel an den Vorwürfen bestehen, wonach die Übergriffe nach einem Hochamt in der Sakristei der Kathedrale von Melbourne geschehen sein sollen – überdies vor mehr als zwanzig Jahren.

Jeder, der auch nur annähernd die Situation in einer Sakristei kennt, in der vor und nach solchen Gottesdiensten viele Personen anwesend sind, hätte schon von vornherein Verdacht schöpfen müssen, dass jene Behauptungen absurd sind. Dennoch hatte ein Geschworenengericht den Kardinal Anfang 2019 für schuldig befunden und zur Haft verurteilt, die mehr als ein Jahr andauerte. Auch ein Berufungsgericht hatte später die Verurteilung bestätigt.

Der jetzige Freispruch ist eine Schande für die Justiz der vorherigen Instanzen, die einzig aufgrund einer äußerst dürftigen „Beweislage“ das Urteil gegen Pell gefällt und damit das Rechtsprinzip gebrochen hatten, wonach ein Angeklagter nicht seine Unschuld, sondern die Anklage schlüssig die Schuld zu belegen hat. Zudem keimt der Verdacht, dass womöglich Hysterie oder gar die Abneigung gegen die Kirche infolge der abscheulichen Missbrauchsverbrechen die Geschworenen und früheren Urteilsbeteiligten geblendet und somit zu einem unfairen Verfahren, ja einem Rechtsbruch verleitet hatten. Auch hierzulande war sogar in kirchlichen Kreisen voreingenommen über Pell der Stab gebrochen worden, ohne sichere Erkenntnisse zu haben. Die australische Bischofskonferenz erklärte nach dem Freispruch, dass die zweifelhaften vorherigen gerichtlichen Abläufe nichts daran änderten, weiterhin energisch gegen sexuellen Missbrauch vorzugehen.

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