Eltern sind das wichtigste RollenvorbildWeg mit den Klischees

Kinder lernen am Vorbild ihrer Eltern – auch im Hinblick auf alte oder moderne Rollenbilder

Kinder lernen am Vorbild: Wenn Papa kocht, machen Jungs gerne mit
Kinder lernen am Vorbild: Wenn Papa kocht, machen Jungs gerne mit© LightFieldStudios - iStock

Ein Vertreter der neuen Väter-Generation ist Falk Becker. Er war sechs Monate in Elternzeit, vier länger als der Durchschnitt. Auch danach möchte er im Leben seines Sohnes nicht nur als Wochenendpapa präsent sein. Zum Glück sind sich der Berliner und seine Frau einig, dass eine klassische Rollenverteilung mit männlichem Ernährer und Vollzeitmama für beide nicht in Frage kommt. Die logische Konsequenz: Sie teilen sich Haushalt, Kindererziehung und Karriere gleichberechtigt auf. Mit dieser Entscheidung wollen sie auch ein Vorbild für ihren kleinen Sohn sein. „Wir möchten ihm moderne Rollenbilder von Mann und Frau vorleben“, sagt der 38-Jährige. Mit diesem Anspruch sind die Berliner nicht allein. Viele Eltern fragen sich, wie sie ihren Kindern mehr Vielfalt abseits von überholten Geschlechterrollen vermitteln können. Doch das ist leichter gesagt als getan.

Hartnäckige Muster

„Die angestaubten Vorstellungen, wie Mädchen und Jungen zu sein haben, sind tief in unserer Gesellschaft verwurzelt. Eltern haben es schwer, sich von ihnen zu trennen“, sagt der Linzer Psychologe Eduard Waidhofer. Noch immer gelten Frauen als eher sanftmütig, verständnisvoll und umsorgend, Männer dagegen als aktiv, miteinander konkurrierend und stark. Gerade Väter hätten oft klare Vorstellungen darüber, was Jungs brauchen und wie sie zu Männern werden sollen, so der Experte. Diese Einschätzung bestätigt auch die Wissenschaft: In einem Experiment ließ die Psychologin Margaret Snow Väter mit ihren zwölf Monate alten Töchtern und Söhnen in einem Spielzimmer warten. Bei den Töchtern griffen alle Väter zu Puppen als Zeitvertreib, die Jungen bekamen dagegen ausschließlich Autos oder Mini-Werkzeug. Doch es endet nicht bei den Spielsachen. So stellte der Psychotherapeut Björn Süfke fest, dass Gefühle der Jungen von Eltern und Pädagogen weniger „gespiegelt“ werden als bei Mädchen. Vor allem negative Emotionen wie Trauer, Hilflosigkeit und Angst werden bei Jungen seltener benannt, ja oft sogar ignoriert.
Natürlich müssen und sollten Mädchen und Jungen keineswegs gleich erzogen werden. Gerade im Alter zwischen zweieinhalb und acht Jahren sind Kinder damit beschäftigt, ihre eigene Identität als Mädchen und als Junge zu finden und sich von den anderen abzugrenzen. Dabei entstehen zeitweise regelrechte Gräben zwischen den Geschlechtern. Erst nach und nach sind die Kinder in der Lage, ihre Mitmenschen differenzierter wahrzunehmen.

Freie Wahl für beide

„Trotzdem sollten alle Kinder von Anfang an die Wahlmöglichkeiten haben, ob sie lieber raufen wollen oder sich mehr für Puppen interessieren – ganz unabhängig von ihrem Geschlecht“, sagt Waidhofer. Positiver Nebeneffekt: In der eigenen Unterschiedlichkeit eine Wahl treffen zu können, fördert aus seiner Sicht auch Toleranz und Respekt gegenüber anderen Menschen.
Erste kindliche Instanz in Sachen Vorbilder ist das Verhalten der Eltern. Ein einfaches Beispiel: Sie können ihren Kindern noch so oft erzählen, dass Frauen und Männer gleichberechtigt sind. Wenn zu Hause immer nur die Mutter die Hausarbeit macht und der Vater nicht einmal seine Kaffeetasse in die Spülmaschine stellt, werden sie andere Schlüsse ziehen. Bei Familie Becker in Berlin schmeißt Vater Falk ganz routiniert den Haushalt, wenn seine Frau eine Woche auf Dienstreise ist. Auch im Alltag sind Trösten, Vorlesen oder Kochen für den 38-Jährigen eine Selbstverständlichkeit. Selbst das Kuchenbacken hat er als Papa-Sohn- Aktivität für sich entdeckt. Natürlich muss keine Familie nur aus Prinzip die eigene Arbeitsteilung über den Haufen werfen, auch dann nicht, wenn sie eher traditionell ist. Viel wichtiger ist es, die gleiche Wertschätzung für die Aufgaben von Mama und Papa zu vermitteln. Das Ganze beginnt allerdings schon einen Schritt früher: Damit Eltern Vielfalt und Respekt vorleben können, müssen sie über ihre eigenen Rollenideale nachdenken und vielleicht auch das eine oder andere Klischee in der eigenen Vorstellung kritisch hinterfragen. Dieser Prozess gelingt am besten im regelmäßigen Dialog zwischen den Eltern.
Die Erfahrungswelt der Kinder endet natürlich nicht in der Familie. In vielen Kinderbuchklassikern wie Conni oder Leo Lausemaus werden Klischees gezeigt: Frauen kümmern sich um den Haushalt, Männer gehen den ganzen Tag arbeiten. „Werbung, Spielzeug oder Filme bedienen immer noch viele veraltete Rollenbilder und beeinflussen damit unsere Kinder“, kritisiert Waidhofer. Er rät Eltern zu einer bewussten Buchauswahl. Ein positives Beispiel sind die Abenteuer von Käpten Knitterbart von Cornelia Funke. Das Leben der Piraten gerät durcheinander, als sie ein ziemlich selbstbewusstes Mädchen namens Molly gefangen nehmen. Auch mit deren Mutter, der wilden Berta, haben die Seeräuber nicht gerechnet.

Auch Kita und Schule müssen ran

Natürlich sind auch die Bildungseinrichtungen selbst gefragt. Mädchen erfahren schließlich nicht, dass auch Frauen bei der Feuerwehr oder als Ingenieure arbeiten, wenn sie nie eine Feuerwehrfrau oder eine Ingenieurin kennenlernen. Beim Ausflug zur Feuerwehr oder auf den Flughafen sollten deshalb auch weibliche Vorbilder zu Wort kommen. Umgekehrt gilt dieser Vielfaltsanspruch auch für die Pädagogen in Kindertagesstätte und Grundschule, hier braucht es mehr Männer. Ein Quotenmann genügt nicht, schließlich sind auch Männer in ihrer Art unterschiedlich – einer mag Sport und Elektronik, ein anderer interessiert sich mehr für Musik oder seinen Garten. Diese Erfahrung von Vielfalt innerhalb der Geschlechter ist aus Sicht von Eduard Waidhofer sehr wichtig. „Die öffentliche Diskussion dreht sich stark um Unterschiede zwischen den Geschlechtern, wichtiger wären aber die zwischen den Kindern“, erklärt der Psychologe. Es gäbe schließlich genauso viele stille und zurückhaltende Jungs wie wilde Mädchen.

kizz Elterntipp

Impulse für den Alltag

  • Tauschen Sie sich mit Ihrem Partner über Ihre Vorstellungen von „männlich“ und „weiblich“ aus.
  • Überdenken Sie Ihre Arbeitsteilung: Wer mäht den Rasen? Wer wäscht die Wäsche?
  • Ermutigen Sie Ihr Kind, neue Verhaltensweisen an sich kennenzulernen: Ruhige Kinder dürfen herumtollen, wilde Kinder dürfen kuscheln.
  • Erlauben Sie Ihrem Kind, Gefühle zu zeigen, egal ob Junge oder Mädchen.
  • Wählen Sie Kinderbücher bewusst aus und lesen Sie auch Geschichten vor, die Rollenklischees hinterfragen.
  • Unterstützen Sie Ihr Kind dabei, Konflflikte konstruktiv zu lösen.
  • Bieten Sie Spielanregungen aus verschiedenen Bereichen wie Technik, Kreativität, Bewegung oder Rollenspiel an.
  • Sorgen Sie dafür, dass Ihr Kind mit männlichen und weiblichen Rollenvorbildern in Kontakt kommt, das können auch die Nachbarin, der Opa oder die Trainerin sein.

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