Die Vergangenheit der eigenen Stadt entdecken Mit Kindern Geschichte erleben

Alles andere als langweilig. So tauchen Kinder mit Neugier und Spaß in die Vergangenheit der eigenen Stadt ein

Mit Kindern Geschichte erleben
Berühmte Kulisse in Märchenfilmen: Schloss Moritzburg bei Dresden © Photocase, Kinderstadtführung Erfurt

Sei es der Weg zur Kita oder zum nächsten Spielplatz – im Alter von drei bis vier Jahren kennen Kinder ihre regelmäßigen Strecken. Sie gehen aufmerksam durch die Straßen und nehmen wahr, was in ihrem Viertel los ist. Mit ein paar guten Ideen kann man Kinder dafür begeistern, in der eigenen oder einer fremden Stadt auf Entdeckungstour zu gehen und besondere Gebäude oder geschichtsträchtige Orte kennenzulernen.

Franziska Bracharz setzt bei ihren Kinderstadtführungen durch Erfurt auf die Lust am Verkleiden. Seit elf Jahren bietet die Fremdsprachenkorrespondentin Touren an, die unter Kitagruppen und auch als Geburtstagsfeier sehr beliebt sind. Gleich zu Beginn lässt Bracharz ihr Publikum in braune Mönchskutten mit spitzen Kapuzen schlüpfen. Fragt sie die Kinder nach dem Grund für diese Kostüme, blickt sie meist in ratlose Gesichter. „Weil Erfurt im Mittelalter eine Stadt der Kirchen und Klöster war“, sagt sie dann – und bietet damit einen kindgerechten Einstieg in die Stadtgeschichte. Denn Themen wie Mittelalter, Ritterabenteuer oder eben Mönchsgeschichten kommen im Kita-Alter immer gut an.

Größer, höher, älter

Was Kinder ebenfalls fasziniert, sind Superlative. Deshalb lässt Bracharz ihre jungen Gäste auf der berühmten Krämerbrücke stets nach dem schmalsten der 32 Häuser über dem Fluss Gera suchen. Sie zeigt die engste Gasse der Stadt und erzählt etwas über die größte Glocke im Erfurter Dom. Was auf touristischen Führungen für Erwachsene üblicherweise abgespult wird, vermeidet sie dagegen: „Wir nennen so gut wie keine Jahreszahlen, die können Kinder sich in diesem Alter ohnehin nicht merken.“ Und einen weiteren Tipp hat sie für Eltern parat, die auf eigene Faust mit den Kindern auf Erkundungstouren gehen wollen: „Keine kunsthistorischen Abhandlungen oder Hinweise auf Architekturstile.“ Wenn man entsprechendes Vokabular verwende, müsse man es auch erklären – und verliere damit ganz schnell die Aufmerksamkeit der Kinder.

Entdecken mit Spaß und Muße

Das heißt aber nicht, dass sich diese nicht für besondere Gebäude interessieren würden. In der engsten Erfurter Gasse zum Beispiel ist das junge Publikum regelmäßig davon beeindruckt, dass sich die gegenüberliegenden Häuser in den oberen Stockwerken fast berühren. Dann erklärt Bracharz, dass es in der mittelalterlichen Stadt innerhalb der Mauern nur wenig Platz gab und deshalb dicht an dicht gebaut wurde. „Man sollte so persönlich wie möglich erklären und die Kleinen mit Emotionalität bei der Stange halten“, empfiehlt die Stadtführerin.

Das deckt sich mit den modernen Konzepten der Museumspädagogik. Fachleute erarbeiten seit einigen Jahren kindgerechte Führungen durch nahezu jede Ausstellung in Deutschland, die sich eigentlich an Erwachsene richtet. Um auch Mädchen und Jungen einen Einstieg in komplexe Themen zu bieten, setzen sie auf deren Neugier und Entdeckerfreude. „Die Kinder sollten sich frei bewegen, lachen und sprechen können“, erklärt die Hamburger Museumspädagogin Mila Ruempler-Wenk. „Wir erzählen realititätsgetreue Geschichten, die die Kinder ansprechen. Wir beantworten ihre Fragen und gehen darauf ein, wenn die Kinder eigene Erfahrungen beisteuern wollen.“

Eine selbst organisierte Tour kann auch an gerade Erlebtes anknüpfen. Diese Erfahrung hat Pädagogin Laura Weltz in der Kita des Forschungsinstitutes DESY in Hamburg gemacht. Dort hat sie ein Projekt organisiert, mit dem die Kinder der Wissenschaftler aus aller Welt ihre neue Heimatstadt entdecken können. „Ein Kind war kurz zuvor mit einem Kreuzfahrtschiff unterwegs. Das war der Aufhänger, um den Hamburger Hafen zu erkunden“, berichtet Weltz. Lebendige Orte mit großem Entdeckungspotenzial eignen sich für Touren mit Kindern besonders gut. „Wir konnten auch Geschichtliches mit einbeziehen, zum Beispiel durch Piratenstorys“, sagt die Pädagogin.

Weltz empfiehlt Eltern, die Entdeckungstouren mit kreativen Elementen zu verbinden. Wachsmalstifte mitzunehmen etwa, um eine besonders schöne Steinmauer abmalen zu können. Unterwegs bräuchten die Kinder ausreichend Zeit, um die alten Gemäuer, dicken Baumstämme oder anderen Besonderheiten auch anfassen zu können. „Kreativität und Abwechslung helfen, die Aufmerksamkeit der Kinder nicht überzustrapazieren“, rät die Kitaexpertin. Und sie weiß aus eigener Erfahrung: Es dauert immer länger als man anfangs denkt. „Kinder entdecken überall etwas. Manchmal bleiben sie auch nur eine halbe Stunde an einer Baustelle stehen, weil dort so viel passiert.“

Diese Zeit sollten Eltern sich auf ihrem Ausflug nehmen. Mitunter werden sie mit neuen Entdeckungen aus kindlicher Perspektive belohnt. Franziska Bracharz, die Erfurter Stadtführerin, besuchte mit Kindern den Festsaal des städtischen Rathauses. Der ist mit einem Gemäldezyklus zur Stadtgeschichte geschmückt. Auf einem Bild, ganz oben in der Ecke, erspähte ein Kind über einem Schlachtengetümmel einen winzigen nackten Po, der aus einem Turmfenster lugte. Bracharz musste lachen: „Der war mir bis dahin nie aufgefallen.“

kizz Mitmachtipps

Für Stadtentdecker

  • Stadtplan aufhängen und mit Pinnnadeln die „eroberten“ Orte markieren
  • Memospiel mit Fotos aus der eigenen Stadt basteln
  • Stadtwappen nachmalen
  • besondere Gebäude aus Kartons nachbauen
  • recherchieren, woher der eigene Straßenname stammt
  • auf Mittelaltermärkten alte Handwerksberufe kennenlernen
  • mit den (Ur-)Großeltern oder älteren Nachbarn Fotos von früher anschauen

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