Als Familie gemeinsam EssenProst Mahlzeit

Kein Stress am Esstisch – wenn das nur so einfach wäre! Warum ein bisschen mehr Gelassenheit helfen kann

Prost Mahlzeit
Gemeinsame Mahlzeiten fördern das Wohl des Kindes © iStock

Mach den Mund zu beim Kauen. Unterbrich mich nicht. Schon gar nicht mit vollem Mund. Sitz gerade. Rülps nicht ... Ja, schon gut, du konntest es nicht unterdrücken, aber entschuldige dich wenigstens. Aber nicht mit vollem Mund ...“

Ach, du lieber Himmel! Ist es ein Wunder, dass gemeinsames Essen allmählich ersetzt wird durch die Angewohnheit, nach Belieben in die Küche zu schlurfen, tiefgefrorene Cholesterinklumpen in die Mikrowelle zu schieben und sie dann schweigend vor dem Fernseher in sich hineinzuschaufeln? Wenn man bedenkt, was für ein Schlachtfeld eine Familienmahlzeit werden kann, versteht man ihr Verschwinden. Sie war der Übungsplatz für gute Manieren. Hier lernten die neuen Generationen, wie man sich verhalten muss, um als akzeptable Zeitgenossen durchs Leben zu kommen. Stimmt’s?

Dass ein Essen mit Kindern nicht nur ein reines Vergnügen darstellt, wissen Eltern nur allzu gut. Wenn man den Drill früherer Tage ablehnt, wird es schnell turbulent. Der Jüngste baut Staudämme aus Kartoffelpüree, die Älteste weigert sich plötzlich, ihr Würstchen zu essen, weil das aus einem süßen Ferkelchen gemacht ist. Das mittlere Kind will nach zwei Bissen schon aufstehen. Es gibt Streit und alle reden durcheinander. Trotzdem mögen Eltern und Kinder gemeinsame Mahlzeiten, und die Wissenschaft pflichtet ihnen bei: Immer wieder überraschen Studien mit der Erkenntnis, dass Mahlzeiten mit Mama und Papa das körperliche und seelische Wohl der Kinder fördern. Kinder, die kein gemeinsames Abendbrot kennen, haben nicht nur häufiger Übergewicht, sondern sind auch eher ängstlich oder aggressiv, berichten kanadische Wissenschaftler, die das Essverhalten von mehr als 26.000 Jugendlichen untersuchten. Kinder und Jugendliche hingegen, die mindestens dreimal in der Woche im Kreise der Familie essen, ernähren sich gesünder und haben weniger Gewichtsprobleme.

Theater um jeden Bissen

Gemeinsame Mahlzeiten sollen also die Gesundheit unserer Kinder fördern, und sie sollen vor allem nahrhaft sein. Und schon wird der Esstisch zum Exerzierplatz für gesundes Essen: Auftauen oder selbst kochen – noch die simpelste Frage ist längst zum weltanschaulichen Bekenntnis gereift, das die gesunde Ernährung zum obersten Prinzip erhebt. Dabei ist der Zusammenhang längst nicht bewiesen. Essen macht in erster Linie nicht gesund, nicht schön und nicht schlau, sondern satt.

Aus dem Diktat der Vorschriften entsteht für Eltern viel Stress. Mit dem Argument, etwas sei gesund, provozieren sie den Widerstand ihrer Kinder erst recht. Bevor man sichs versieht, wird aus jeder Mahlzeit ein Machtkampf, in dem nicht selten die Eltern den Kürzeren ziehen. Sie kochen Lieblingsgerichte, betteln „Wenigstens mal kosten!“ und verheddern sich in komplizierten Tauschgeschäften wie: „Wenn du zwei Brokkoliröschen gegessen hast, gibt’s Nachtisch.“ Die Sorge, das Kind könne zu viel vom Falschen, zu wenig vom Richtigen oder jedenfalls nicht das essen, was sein Körper zum Wachsen gerade braucht, treibt Mütter und Väter um.

Doch nicht die richtigen Speisen allein lassen die Kinder gedeihen, es ist das Beisammensein. Auch das Herz braucht Nahrung: Der eine Moment am Tag, wenn man einfach mal zusammen isst und sich miteinander befasst und die Welt da draußen sich selbst überlässt. Familienmahlzeiten prägen, was Menschen ihr ganzes Leben lang gern mögen. Wir essen nicht einfach, was uns schmeckt. Etwas schmeckt uns, weil wir es schon immer gern miteinander gegessen haben, seien es Omas Kartoffelpuffer oder der Milchreis von Papa. Speisen, die gemeinsam verzehrt (oder sogar zubereitet) werden, knüpfen ein Band zwischen Menschen – vom Gestern ins Heute wie vom Heute ins Morgen. Dass Erwachsene ihrem geschmacklichen Zuhause treu bleiben, hat seine Wurzeln in den Empfindungen, die mit den Mahlzeiten aus ihrer Kindheit verbunden sind. Spätestens mit den eigenen Kindern kommen diese Speisen zurück – vorausgesetzt, es sind angenehme, wohlige und fröhliche Erinnerungen, die sich mit ihnen verknüpft haben. Das beste Rezept können wir unseren Kindern täglich auftischen: Einfach mal entspannt zusammen essen.

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