Was passiert, wenn etwas passiert?Die gesetzliche Unfallversicherung in der Kita

Sicherheit und Gesundheit der anvertrauten Kinder sind zentrale Anliegen jeder Kita-Leitung. Nimmt ein Kind oder eine Fachkraft doch einmal Schaden, stellt sich die Frage der Haftung. Informationen über Umfang und Bedingungen des Schutzes durch die gesetzliche Unfallversicherung.

Was passiert wenn etwas passiert
© Siniehina – AdobeStock

Die gesetzliche Unfallversicherung übernimmt in den meisten Schadensfällen, die im beruflichen Kontext entstehen, die Kosten für Heilbehandlung, Krankentransport und u. U. sogar Rentenzahlungen. Das dahinterstehende staatliche Versicherungssystem entwickelte sich im Laufe der letzten 140 Jahre.

Entstehungsgeschichte

Das System der Sozialversicherung in Deutschland entstand in den 1880er-Jahren mit dem Krankenversicherungsgesetz von 1883, dem Unfallversicherungsgesetz von 1884 und dem Invalidenversicherungsgesetz von 1889. Die gesetzliche Unfallversicherung fokussierte zunächst auf eine Absicherung bei Arbeitsunfällen und deren oft verheerende Folgen für Geschädigte und ihre Familien. Damit einher ging die Ablösung der Haftung von den Unternehmen. Diese drei Zweige sozialer Absicherung wurden 1911 in die Reichsversicherungsordnung überführt. Seit Ende der 1960er-Jahre wird das inzwischen umfangreiche Sozialrecht im Sozialgesetzbuch zusammengefasst, dessen siebtes Buch (SGB VII) die gesetzliche Unfallversicherung beinhaltet. Der in diesem Zusammenhang eher atypische gesetzliche Versicherungsschutz für Schüler*innen sowie Kinder in Tageseinrichtungen erfolgte 1971 durch das „Gesetz über die Unfallversicherung für Schüler, Studenten und Kinder in Kindergärten“. Seit 2005 gilt die gesetzliche Unfallversicherung auch für die Kindertagespflege.

Kreis der Versicherten

Der Schutz durch die gesetzliche Unfallversicherung erstreckt sich zunächst auf die Beschäftigten der Einrichtung, also pädagogische Fachkräfte und sonstiges Personal wie Reinigungs- und Küchenkräfte sowie Hausmeister. Diese Personengruppe ist entweder bei einer Unfallkasse versichert, wenn es sich um einen kommunalen Träger handelt, oder bei der Berufsgenossenschaft für Gesundheitsdienst und Wohlfahrtspflege (BGW), wenn es ein freier oder kirchlicher Träger ist. Wie erwähnt, besteht für Kinder während des Besuchs einer Tageseinrichtung immer Versicherungsschutz durch eine regional zuständige Unfallkasse. Die Einrichtung muss dazu allerdings staatlich anerkannt sein – i. d. R. geschieht dies mit Erteilung der Betriebserlaubnis durch die Jugendämter.

Versicherungsschutz kann auch für weitere Personengruppen gegeben sein: zum einen solche, die wie Beschäftigte tätig werden – z. B. Eltern, die als zusätzliche Aufsicht die Wanderung einer Kindergartengruppe begleiten oder bei einem Fest aushelfen. Wichtig ist jedoch, dass tatsächlich eine Aufgabe für die Einrichtung übernommen und nicht nur das eigene Kind begleitet wird. Derselbe Sachverhalt gilt, wenn Eltern z. B. an Verschönerungsarbeiten mitwirken. In beiden Fällen ist eine schriftliche Beauftragung zwar nicht zwingend, erleichtert bei einem Unfall aber die Nachweisführung. Zum anderen sind auch Ehrenamtliche während ihrer Tätigkeit gesetzlich unfallversichert. Im Setting Kindergarten betrifft dies vor allem Elternbeirät*innen und ihre Stellvertretung. Unentgeltliche Kräfte wie z. B. Vorlesepat*innen fallen in die bereits beschriebene Kategorie von Personen, die wie Beschäftigte tätig werden.

Umfang des Versicherungsschutzes

Zu den versicherten Tätigkeiten zählen alle Verrichtungen, die für den Betrieb einer Kita nötig sind. Dazu gehören neben der pädagogischen Arbeit mit den Kindern auch organisatorische Aufgaben wie Dokumentation und Elterngespräche bzw. -abende. Ebenso zählen Ausflüge, Wanderungen und Besuche externer Veranstaltungen zum pädagogischen Angebot und sind somit gesetzlich unfallversichert. Ferner können Tätigkeiten, die nicht direkt in der Einrichtung stattfinden, unter den Schutz der gesetzlichen Unfallversicherung fallen. Dies betrifft Einkäufe von Bastelmaterial oder Lebensmitteln für gemeinsame Aktionen. Zu beachten ist hierbei, dass der Zweck dem Nutzen der Kita dient und von privaten Interessen klar getrennt ist.

Der Versicherungsschutz der betreuten Kinder beginnt mit deren Aufnahme in die Kita und endet mit ihrem Austritt (i. d. R. vor dem Übergang in die Schule). Der Aufnahmevertrag begründet den Versicherungsschutz. Viele Einrichtungen bieten jedoch schon vor Aufnahme des Kindes Eingewöhnungsphasen an, in denen u. U. noch kein Aufnahmevertrag besteht. Doch auch hier erfolgt bei einem Unfall eine Entschädigung durch die gesetzliche Unfallversicherung, da sich das Kind willentlich und wissentlich in der Kita aufhält. Ähnlich stellt sich die Situation auch bei Kindern dar, die nicht in der Einrichtung angemeldet sind, sofern sie mit Erlaubnis der Einrichtung vorübergehend betreut werden. In der Praxis sind dies häufig Geschwisterkinder, die z. B. aufgrund einer Erkrankung der Eltern tageweise mitbetreut werden. Hier ist meist kein Aufnahmevertrag vorhanden, der jedoch durch mündliche Absprache und Zustimmung der Kita-Leitung ersetzt wird. Gleiches gilt für ehemalige Kitakinder, die auf dem Rückweg von der Schule die Kita aufsuchen. Werden sie in den Gruppenbetrieb aufgenommen, begründen sich dadurch auch Versicherungsschutz und Aufsichtspflicht.

Grundlegend anders verhält es sich, wenn Kinder sich unwissentlich und ungewollt in der Einrichtung oder auf dem Außengelände aufhalten, etwa weil sie Spielgeräte nutzen wollen. In diesem Fall ist höchstens eine Haftung des Grundstückeigentümers im Rahmen der allgemeinen Verkehrssicherungspflicht möglich, gesetzlicher Versicherungsschutz oder Aufsichtspflicht begründen sich dadurch jedoch nicht.

Sonderfall Wegeunfälle

Der Weg zur Kita (und wieder zurück) ist gesetzlich unfallversichert und beginnt am üblichen Aufenthaltsort der Person, der nicht zwingend ihr Wohnort sein muss. Bei Kindern können dies auch der Wohnort anderer Personen wie z. B. der Großeltern oder unterschiedliche Startpunkte bei getrennt lebenden Eltern sein. Hierbei muss zwar nicht unbedingt der kürzeste Weg gewählt werden, Umwege müssen aber plausibel zu begründen sein (höhere Sicherheit wegen Ampel, Straßensperrung wegen Baustelle etc.). Eine Besonderheit gilt bei Fahr- oder Laufgemeinschaften mehrerer Beschäftigter oder Kita-Kinder: Um den Lebensgewohnheiten möglichst nahezukommen, hat die Rechtsprechung in diesem Fall auch erhebliche Umwege unter den Schutz der gesetzlichen Unfallversicherung gestellt. Die Wahl des Verkehrsmittels ist für den Versicherungsschutz unerheblich, sollte aber gut überlegt sein. Immerhin kommt es jährlich zu rund 8.000 Unfällen von Kindern auf dem Hin- und Rückweg zur bzw. von der Kita.

Ausflüge und Veranstaltungsbesuche

Ausflüge, Theater- und Museumsbesuche sowie Sportveranstaltungen gehören zum Angebot vieler Kindertageseinrichtungen. Sind diese im pädagogischen Konzept verankert und werden sie von der Kita organisiert, besteht Versicherungsschutz durch die gesetzliche Unfallversicherung – unabhängig vom Veranstaltungsort und der Zeit der Durchführung. Allerdings ist zu beachten, dass die Einrichtung die „Organisationshoheit“ über dieses Ereignis behält. Wie erwähnt sind in diesem Fall auch begleitende Eltern unfallversichert, wenn sie Aufgaben wie Aufsichtsführung (über mehrere Kinder, nicht nur das eigene) übernehmen. Davon abzugrenzen sind private und somit nicht gesetzlich unfallversicherte Veranstaltungen. Dazu zählen alle Angebote, die nicht von der Kita organisiert werden, auch wenn sie in deren Räumen stattfinden und von Kita-Kindern besucht werden. Dies können gewerbliche Therapieangebote sein, bei denen Kita-Räume außerhalb der Öffnungszeiten genutzt werden, oder die freiwillige Teilnahme an Sportveranstaltungen, selbst wenn diese von der Kita empfohlen wurde.

Ausnahmen von der Haftungsübernahme

In zwei Fällen ist die Haftungsübernahme durch die gesetzliche Unfallversicherung eingeschränkt bzw. entfällt sie:

  1. bei der vorsätzlichen Schädigung eines Kindes oder einer Mitarbeiterin/eines Mitarbeiters. Diese setzt entweder die bewusste bzw. gewollte Verletzung oder die billigende Inkaufnahme einer körperlichen Schädigung voraus.
  2. Führt grob fahrlässiges Verhalten zu einer Verletzung, ist eine Regressforderung an den Schädiger (z.B. Kita-Personal) durch die gesetzliche Unfallversicherung denkbar. Die Leistungen würden zunächst übernommen, dann aber vom Verursacher zurückgefordert. Grobe Fahrlässigkeit ist nicht eindeutig definiert, geht aber immer über einfache Fahrlässigkeit hinaus und setzt die Nichtbeachtung (mehrerer) bekannter Sorgfaltspflichten voraus. Diese Fälle sind im Kitabetrieb selten, kommen aber vor und gehen meist mit einer offensichtlichen Verletzung der Sorgfaltspflicht durch Fachkräfte oder anderes Personal einher. Dabei muss der Schädiger einfachste und naheliegende Überlegungen nicht angestellt haben, um in einem Regressverfahren belangt werden zu können. In der Praxis gehen diese Fälle meistens mit einer unzureichenden Ausübung der Aufsichtspflicht einher wie z. B. einer unzureichenden Begleitung der Kinder bei einem Ausflug oder einem Schwimmbadbesuch.

Der hier behandelte gesetzliche Versicherungsschutz erstreckt sich nur auf körperliche Schäden, nicht auf Sachschäden wie z. B. durch einen Unfall zerrissene Kleidung. Als Körperschäden werden allerdings auch unfallbedingte Beschädigungen von Hilfsmitteln wie Brillen, Zahnspangen o. Ä. eingestuft.

Im Gegensatz dazu sind private Betreuungsangebote – mit Ausnahme der vom Jugendamt anerkannten Kindertagespflege – nicht von der gesetzlichen Unfallversicherung abgedeckt. Deshalb empfiehlt sich hier ein Schutz durch privatrechtliche Versicherungsverträge.

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