Jonglieren zwischen allen BeteiligtenGespräch mit einer pädagogischen Gesamtleitung

Kommunikation auf Augenhöhe und Qualitätsentwicklung im Diskurs sind für Claudia Manz- Knoll die Grundlagen guter pädagogischer Arbeit im Interesse der Kinder. In der „VG KitaROK“, einem Bündnis aus sechs Kitas in Trägerschaft der Verbandsgemeinde Nordpfälzer Land, hat sie die pädagogische Gesamtleitung inne. Dr. Marina Swat vom Institut für Bildung, Erziehung und Betreuung in der Kindheit (IBEB) sprach mit ihr.

Jonglieren zwischen allen Beteiligten
© Fotostudio Julia Hoffmann

Unumstößlich ist für Frau Manz-Knoll, dass der Diskurs zwischen allen Akteur*innen auf Augenhöhe stattfinden muss, um ein Verständnis dafür zu entwickeln, …
„… warum Argumentationen so und nicht anders sind und warum es nicht unwichtig ist, wie z. B. eine Wickelstation im U3-Bereich auszusehen hat und wo sie platziert ist. Es gab ein Gespräch mit Trägervertreter, Bauamt, Architekt, mit unserer Fachbereichsleitung und mir als pädagogischer Gesamtleitung, in dem wir gemeinsam überlegten, wie wir die Innenausstattung angehen und welche ‚Denkungen‘ notwendig sind.“
Die Kultur des Diskurses hält nicht selbstverständlich Einzug in eine Verbandsgemeinde. Aufbau und Aufrechterhalten des Austauschs nehmen zeitliche und personelle Ressourcen in Anspruch. Trägervertreter*innen wirken aus unterschiedlichen Gründen oft weit entfernt vom Diskurs auf Augenhöhe. Aus der Distanz nehmen sie die Herausforderungen im pädagogischen Alltag bisweilen nur verschwommen wahr. Es bedarf eines gewissen Mutes, auch dort genauer hinzuschauen, wo es weniger gut läuft und wo Hilfe benötigt wird. Den pauschalen Vorwurf, dass sich der Träger um nichts kümmert, kann man an dieser Stelle jedoch nicht gelten lassen. Auch sind nicht alle Fachkräfte darauf aus, Trägervertreter*innen direkt über ihre Sorgen und Nöten zu informieren:
„Es gibt Situationen in Kitas – sei es eine Kindeswohlgefährdung oder ein internes Personalproblem –, in denen Austausch gewünscht ist, der dann über mich läuft. Wenn Kolleg*innen mir etwas anvertrauen, müssen sie sich darauf verlassen können, dass ich nicht gleich den Träger kontaktiere. Dazu braucht man Fingerspitzengefühl.“
Als pädagogischer Gesamtleitung ist es Frau Manz-Knoll wichtig, Bedarfe genau zu analysieren und entsprechend zu kommunizieren.  Als „Jongleurin“ hält sie den Diskurs zwischen allen Beteiligten in Gang und führt die relevanten Schnittstellen zusammen:
„Dieses Konzept entstand unter Einbeziehung aller Beteiligten, d. h. des Trägers, aller Standorte und Leitungen sowie Elternvertreter*innen und politisch Verantwortlichen. Nur wenn alle partizipieren und sich gegenseitig unterstützen, kann das Ganze funktionieren.“
Zwar ist die Einstellung der Trägervertreter*innen nicht allein ausschlaggebend dafür, ob Qualitätsentwicklung im Diskurs (QiD) gelingt. Doch stellt sie ein wesentliches Fundament dar. Inwieweit es die Mühe lohnt, Trägervertreter* innen in Arbeitsprozesse der Fachkräfte einzubinden, sollte sorgfältig im Vorfeld abgewogen werden. Ist ein Thema zu bearbeiten, zu dem z. B. ein Bürgermeister aufgrund fehlender Expertise nur wenig beizutragen hat, spricht nichts gegen sein Fernbleiben. Dann reicht es aus, dass sich die pädagogische Gesamtleitung an den betreffenden Prozessen beteiligt oder zumindest an den Schnittstellen mit ihrem Wissen Unterstützung leistet. Aufgrund ihrer Erfahrungen geht Frau Manz-Knoll davon aus, dass ein Bürgermeister die Aufgaben, die sie und ihre direkte Kollegin erfüllen, ohnehin nicht alle selbst leisten kann:
„Ich kannte einen Ortsbürgermeister, enthusiastisch und engagiert für seine Kita, der am Ende aber verkündete: ‚Ich gebe die Trägerschaft ab, das kann ich so nicht leisten‘. So etwas ist zwar schade, aber es wird auch viel verlangt in Sachen Administration. Das kann ein Ortsbürgermeister selbst bei größtem Enthusiasmus ehrenamtlich kaum leisten.“
Ein Kita-Betrieb funktioniert nur gut durch die vielfältigen Beteiligten, die unter einen Hut gebracht werden müssen. Über die Fachkräfte hinaus sind viele weitere Personen involviert, die sich um einen reibungslosen Kita-Alltag kümmern. Dazu zählen z. B. die Bauabteilung, die Personalabteilung, die Zentralabteilung bis hin zum Brandschutz. Das macht es nicht immer leicht, Wege auf Augenhöhe zu finden, um das Wohl der Kinder in den Mittelpunkt zu stellen.

Diskurs als Trägeraufgabe

Die Initiative zum Diskurs auf Augenhöhe ging vom Träger des Bündnisses aus, der großes Interesse an einer konsequenten Umsetzung hat. Position und Funktion der pädagogischen Gesamtleitung sind in diesem Gefüge ambivalent: Einerseits muss sie Anliegen aufnehmen und Expertisen akzeptieren. Das bedeutet, dass auch mal ein Plan B oder C notwendig wird. Andererseits wird ihr als Pädagogin große Wertschätzung entgegengebracht. Neben der pädagogischen Gesamtleitung fungiert die Fachbereichsleitung für soziale Infrastruktur (Frau Sabine Bold) als gleichberechtigte Tandempartnerin. Sie begleitet alle Steuerungsprozesse mit ihrem BWL-Wissen und ist die betriebswirtschaftliche Leitung. Bei allen Entscheidungen für die Kitas haben beide Ebenen – Gesamtleitung und Fachbereichsleitung – die Aufgabe, pädagogische und betriebswirtschaftliche Interessen in konstruktiven Lösungen zusammenzuführen. Dass sich der Träger hinter die Entscheidungen seiner Expert*innen stellt, ist nicht immer selbstverständlich. In der VG KitaROK wurde dies durch Diskussionen und Transparenz möglich. Beispiel hierfür ist eine 1-gruppige ländliche Einrichtung, die andernorts längst ihre Daseinsberechtigung verloren hätte. Nach dem Diskurs auf Augenhöhe mit allen Beteiligten kann sie weiterhin die Bedarfe vor Ort erfüllen:
„Ein Träger muss auch stabil sein, um sich durch alle Institutionen hindurch behaupten und sagen zu können: ‚Ich will die Dezentralität und ich will diese Kita erhalten, auch wenn sie unwirtschaftlich erscheint. Aus pädagogischen Gründen, aber auch aufgrund der Infrastruktur darf den Kindern dort so eine tolle Einrichtung nicht weggenommen werden. Ich will, dass es der Kita dort gutgeht, weil sie eine gute Arbeit macht. Deshalb kämpfe ich für sie.“

Zusammen ein starkes Team

Die Sorge, dass die pädagogische Gesamtleitung als „Buschfunk“ für sämtliche Probleme fungiert, bestand auch in der VG KitaROK. Zu Beginn der Tätigkeit von Frau Manz-Knoll standen der Aufbau von Vertrauen und Transparenz im Zentrum ihres Auftrags. Manche Teams konnten sich nicht spontan für die neue Funktion einer pädagogischen Gesamtleitung begeistern. Andere Teams begrüßten sie als willkommene Unterstützung, da sich anstehende Aufgaben wie die Akquise von Förderprogrammen mit professioneller Hilfe nun schneller umsetzen ließen. Diskurs auf Augenhöhe gelingt natürlich nicht, wenn eine Person alle organisatorischen Entscheidungen an sich reißt. Vielmehr geht es darum, den Beteiligten ihre Eigenständigkeit und damit verbundene Verantwortung bewusst zu machen. Damit die VG KitaROK als Ganzes funktioniert, müssen alle Standorte autark und eigenverantwortlich ihren Auftrag erfüllen. Denn der pädagogischen Gesamtleitung ist es unmöglich, in alle Angelegenheiten gleichzeitig involviert zu sein. Das sollte auch nicht als ihre Aufgabe betrachtet werden. Sie versteht sich vielmehr als Stütze und als Vermittlerin zwischen Trägern und Teams. Mediatorisch ist sie mit den jeweiligen Bedarfen vertraut und sucht mittels Schnittmengen nach Lösungen.
„Wir haben gemeinsam eine pädagogische Grundstruktur in Form einer pädagogischen Rahmenkonzeption erarbeitet, die für alle gilt, d. h. einen Qualitätsanspruch, den wir alle erfüllen wollen. Jede Einrichtung hat zudem noch ihre eigene pädagogische Konzeption, da ja jeder Standort über unterschiedliche Ressourcen verfügt.“
Der Vorteil der Grundstruktur zeigt sich darin, dass jede Einrichtung mit ihren Gegebenheiten und Ressourcen die eigene Arbeit professionell ausgestalten kann. So existieren in der VG KitaROK neben der Grundstruktur gut durchdachte individuelle Strukturen. Als pädagogische Gesamtleitung mischt sich Frau Manz- Knoll deshalb auch nicht in alle laufenden Prozesse ein. Vielmehr schaut sie, wo Unterstützung notwendig ist. Als „Jongleurin“ dreht sie die Bälle stets ein bisschen an, so dass sie sich mal mehr, mal weniger auf ein Team konzentriert. Währenddessen laufen alle anderen eigenständig weiter. Diese Vorgehensweise steht und fällt mit dem Bewusstsein vom eigenen Verantwortungsbereich, das ausschlaggebend dafür ist, dass die Konzepte der einzelnen Standorte intakt bleiben:
„Es ist von enormer Wichtigkeit, dass die einzelnen Standorte wissen, wie viel Verantwortung sie innerhalb der gemeinsamen Matrix tragen und was sie eigenständig entscheiden können. Sie informieren, wie sie ein Thema bearbeitet haben, und dann ist das für alle in Ordnung.“
Mittlerweile ist die gegenseitige Unterstützung der Standorte zur Routine geworden. Doch sind die Anstrengungen und das erforderliche Durchhaltevermögen auf dem Weg zu solch einer Selbstverständlichkeit nicht zu unterschätzen. Es bedarf großer Ausdauer, um alle davon zu überzeugen, dass Transparenz ein Gewinn ist. Konkret zeigt sich ihr Nutzen z. B. im Krisenmanagement der Corona-Pandemie:
„Unsere gewachsenen Arbeitsstrukturen und Haltungen im Kitabündnis haben uns sehr geholfen, die schwierige Situation in den Notbetrieben, eingeschränkten Regelbetrieben und im Übergang zum Normalbetrieb für alle Prozessbeteiligten an unseren Standorten erfolgreich umzusetzen.“

Bindung von Fachkräften

Einer der Vorteile, den das große Engagement mit sich bringt, besteht darin, dass die Attraktivität als Arbeitsplatz steigt. Dementsprechend kann nicht nur das eigene Personal gehalten werden, sondern Fachkräfte interessieren sich zunehmend für die VG KitaROK. Für Frau Manz-Knoll ist das Ansporn, die Arbeitsbedingungen so zu rahmen, dass gut ausgebildete Fachkräfte gern kommen. Gute Rahmenbedingungen zu schaffen, bleibt jedoch eine Herausforderung. Angesichts des Fachkräftemangels kann das Personal diejenige Einrichtung auswählen, die die besten Qualitätskriterien verspricht. Darum verfolgen die Verantwortlichen der VG KitaROK das Ziel, dass diese Kriterien gegeben sind, und setzen auch hier auf Diskurs auf Augenhöhe:
„… der Diskurs mit den pädagogischen Fachkräften, die Zusammenarbeit mit den Trägern, ein gewisser Wohlfühlaspekt am Arbeitsplatz, der nicht immer ausgesprochen wird, aber entscheidend dafür ist, wo jemand arbeiten möchte.“

Fazit

Qualität im Kontext früher Kindheit lässt sich nur gemeinsam entwickeln. Klassische QMSysteme erwecken oft den negativen Eindruck, dass Qualität in die Verantwortung der einzelnen Fachkraft oder nur der Leitung fällt. Der gefühlte Zwang, QM umzusetzen, weil es verlangt wird, führt vielerorts zu einem „Plaketten- Wettbewerb“ um die Betriebserlaubnis, aber nicht zu echter Qualitätsentwicklung. Es ist notwendig, professionelle Systeme zu implementieren, mit denen wirklich Qualität entwickelt werden kann. Teams und Trägervertreter* innen müssen sich Qualitätssysteme anschauen und daraufhin Strukturen entwickeln, in denen sich die Fachkräfte wiederfinden. Dass sich die VG KitaROK mit ihrem Konzept auf einem spannenden Weg befindet, liegt auch an der gelebten Offenheit, transparent über das zu berichten, was warum getan wird:
„Die positiven Effekte eines Diskurses auf Augenhöhe wurden uns in den gewinnbringenden Prozessen mit dem Ansatz ‚Qualitätsentwicklung im Diskurs‘ (QiD) unter wissenschaftlicher Begleitung des IBEB durch die Prozessbegleiterin Thea Pfeffer immer wieder deutlich. Schon damals wurde klar, was sich aktuell in der Coronakrise bestätigt: Gegenseitige Wertschätzung und Solidarität avancieren zu den Kompetenzen der Zukunft – im Diskurs auf Augenhöhe eben.“  

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