Eine Momentaufnahme aus vier bayerischen KitasFlüchtlingskinder kommen an

Die Ankunft von Flüchtlingen in Deutschland löst viele Fragen aus, auch unter Erziehern/-innen: Wie können wir mit Kindern aus Krisengebieten und ohne Sprachkenntnisse umgehen? Haben wir die nötigen Kapazitäten und Kompetenzen hierfür? Pädagoginnen berichten über ihre Erfahrungen.

Der Beitrag in 150 Wörtern

Es zeigt sich, dass die meisten Flüchtlingskinder bei ihrer Ankunft in der Kita extrem zurückhaltend sind. Alles ist für sie neu und fremd. Die Verständigung untereinander basiert oft auf Improvisation und Fantasie. Viele Familien kennen die Institution Kita nicht und vermissen das traditionelle Erziehungsgefüge aus ihrer Heimat. Oft sind die Kinder von dem großen Materialangebot überfordert. Was ihnen gut tut, ist, Geborgenheit und Sicherheit zu erfahren. Eine lange Eingewöhnungsphase mit wiederkehrenden Ritualen und wenig Veränderungen gibt den Kindern Halt. Damit auch die Eltern Vertrauen in die Kita und den für sie fremden Kulturkreis entwickeln können, brauchen sie Ansprache und Bestätigung. Deswegen sind für die Fachkräfte Kenntnisse von den einzelnen Kulturen, mehr Teamsitzungen und eine konstruktive Kommunikation unverzichtbar. Eine Atmosphäre gegenseitiger Wertschätzung trägt zudem dazu bei, dass die Eltern Sicherheit für ihre Zukunft bekommen können, was sich wiederum positiv auf ihre Kinder auswirkt.

Die Hauptangst vieler Erzieherinnen und Erzieher ist: Ich kriege ein traumatisiertes Kind und kann mich weder mit dem Kind noch mit den Eltern verständigen und dann habe ich auch noch einen muslimischen Papa, der sich nichts von mir sagen lässt“, berichtet Christiane Hofbauer. Sie ist Sprachförderkraft am interkulturellen Kindergarten St. Johannes in Pfaffenhofen an der Ilm. Hier haben 60-70% der Kinder einen Migrationshintergrund. Seit ein paar Monaten kommen auch Flüchtlingskinder aus Nigeria und Syrien in ihre Kita. Hofbauers bisherige Erfahrungen entkräften die Ängste ihrer Kolleginnen und Kollegen.

Mit Händen und Füßen kommunizieren

Die erste große Hürde ist die Sprachbarriere. Sie ist für alle Beteiligten ganz sicher nicht einfach zu bewältigen. „Aber ich habe inzwischen gelernt: Man kann unglaublich viel mit Händen und Füßen kommunizieren. Auch gemeinsames Lachen ist ein gutes Instrument“, erzählt Christiane Hofbauer. In ihrer Gemeinde gibt es außerdem Hilfe von außen: Ein sehr engagierter Kreis arabisch sprechender Mütter geht sofort auf die Neuankömmlinge zu, sagt Hallo und bietet Hilfe an.

Carina Tyroller, Erzieherin aus dem Rosenheimer Kindergarten Heilig Blut, und Anke Rolke-Eckhardt, stellvertretende Leiterin des Kinderhauses Pauli Bekehrung in Taufkirchen/ Vils, praktizieren gleichfalls die Kommunikation mit Händen, Füßen und Fantasie. Ist das Wort „Windeln“ nicht bekannt, klappt es vielleicht mit „Pampers“, auf Gummistiefel und Brot- tasche kann gezeigt werden und manchmal kommen andere Eltern zu Hilfe, die schon ein bisschen länger in Deutschland sind. Auch Bildkarten oder Piktogramme leisten gute Dienste. Als durchweg positiv und hilfreich wird es angesehen, wenn die Pädagogen und Pädagoginnen von den Gemeinden zusätzlich durch Dolmetscher/- innen oder ein Netzwerk ehrenamtlicher Helfer/- innen unterstützt werden.

Das hilft vor allem, wenn komplexere Dinge besprochen werden müssen. „Anfangs kam oft anstelle der Mutter jemand anderes aus der Flüchtlingsunterkunft zum Abholen. Dann zu kommunizieren: Es kann nicht einfach jeder kommen, sondern es muss erst einmal eine Abholberechtigung unterschrieben werden …, das war schwer“, erinnert sich Carina Tyroller.

Und wie funktioniert die alltägliche Zusammenarbeit mit den Eltern? „Unsere Flüchtlingsfamilien erlebe ich positiv. Die Eltern gehen vier Tage in der Woche in den Sprachkurs, und wenn wir ein Anliegen haben, sprechen sie mit ihrem Kind und klären das“, lautet das durchweg positive Resümee von Anke Rolke-Eckhardt. Sie betont aber auch: „Wir haben nur zwei Flüchtlingsfamilien mit insgesamt fünf Kindern. Das ist noch nett.“ Viel schwerer sei es für Kolleginnen und Kollegen, die gezwungen sind, in volle Gruppen mit 25 Kindern noch bis zu 5 Flüchtlingskinder zusätzlich aufzunehmen. Da käme zu der zusätzlichen Arbeitsbelastung die Last der größeren Verantwortung für so viele Kinder hinzu.

Unsicherheit bei den Flüchtlingsfamilien: Wohin geht der Weg?

Und gibt es den rechthaberischen, muslimischen Vater wirklich? Das war bei keiner der Gesprächspartnerinnen bisher ein Thema. Beim Essen wird bereits automatisch darauf geachtet, muslimischen Kindern kein Schweinefleisch anzubieten, und der Mann auf dem Pferd an Sankt Martin wird eher als Höhepunkt des Kindergartenjahres wahrgenommen denn als christliches Fest. Über Besuche in der Kirche entscheiden die Eltern individuell, und in der Regel kommt die Mutter, um das Kind zu bringen und abzuholen. Anke Rolke- Eckhardt erlebt eher sehr zurückhaltende Eltern, denen ihre Lebenssituation, wie ihr offenes Asylverfahren, zu schaffen macht: „Es besteht eine große Unsicherheit darüber: Wohin geht mein Weg? Und wenn die Eltern immer so wackelig sind, dann sind es auch die Kinder. Die Sicherheit oder Unsicherheit der Familie spiegelt sich auch bei den Kindern wider. Wir müssen auch die Eltern gut abholen.“

Dies bestätigt auch Ricarda Mursch, Fachreferentin vom Verband katholischer Kindertageseinrichtungen in Bayern: „Eines unserer Ziele im Zusammenhang mit Flüchtlingskindern ist es, zu zeigen: Die Kita ist ein Ort, an dem die Kinder Sicherheit und Geborgenheit erleben können. Dazu müssen den Eltern Wissen und Kenntnisse über die Kindertageseinrichtung vermittelt werden. Während der Flucht waren die Eltern ständig in Sorge um ihre Kinder und wussten sie nur bei sich selbst in Sicherheit. Insofern brauchen die Eltern jetzt sehr viel Bestätigung und Zuspruch, um Vertrauen in die Kita zu entwickeln und ihre Kinder in die Kita zu bringen.“

Denn in vielen Ländern ist die Institution Kita gar nicht bekannt. „Die Eltern bezeichneten uns zuerst als Lehrer und unsere Gruppe als Klasse“, berichtet Carina Tyroller. „Und der Vater eines kleinen Mädchens hat uns beim Abholen einmal gefragt: Wenn sie hier nicht den ganzen Tag in den Kindergarten gehen kann, was soll ich denn mit ihr am Nachmittag tun?“ Ähnliches berichten auch die anderen Erzieherinnen. Während die Kinder in anderen Kulturen in der Gemeinschaft und von der gesamten Großfamilie, von Großeltern, Tanten, Onkeln und manchmal sogar den Nachbarn erzogen werden, sind die Familien hier allein und vermissen das traditionelle Erziehungsgefüge aus der Heimat.

Nicht jede Auffälligkeit hängt mit Flucht und Trauma zusammen

Und wie gelingt den Kindern die Ankunft in dem fremden Kulturkreis? Beobachten die Erzieherinnen Verhaltensweisen, die auf ein Trauma schließen lassen? „Das ist ganz schwer zu sagen. Man muss ja unterscheiden: Verhält sich ein Kind jetzt so, weil es in beengten Wohnverhältnissen lebt und weil die Familie wenig rausgeht, oder ist das Verhalten noch eine Folge von Flucht und Krieg oder hat es etwas mit der Kultur zu tun?“, sagt Christiane Hofbauer und erzählt „etwas Banales und Schönes“ von einem nigerianischen Jungen, der sich bereits bestens eingelebt hatte: „Aber als es dann um das Schlafen ging, bekam er regelmäßig Panik- und Brüllattacken. Wir waren ratlos, aber dann fiel uns ein: Er wohnt in einer Unterkunft ohne richtiges Einzelzimmer, da wird es wahrscheinlich immer hell und laut sein. Daraufhin haben wir ihn beim nächsten Mal nicht in den ruhigen, abgedunkelten Schlafraum gelegt, sondern einfach mit den Größeren im Gruppenraum gelassen – und er konnte wunderbar schlafen.“

Andere Verhaltensweisen haben eindeutig mit den Fluchterfahrungen der Kinder zu tun. „Bei uns haben die Kinder am Anfang immer sehr schnell gegessen, wenn es etwas zu essen gab. So nach dem Motto: Wir essen jetzt ganz viel, dann kriegen wir gleich noch mal was, wer weiß, wann es wieder etwas gibt“, berichtet Carina Tyroller. Dieses Essen über den Sättigungsgrad hinaus hat sich gelegt, seit die Kinder sich sicher sind: Es gibt jeden Tag genug zu essen. Hier arbeiten also die Zeit und die Erfahrung für die Erzieherinnen. In anderen Bereichen griffen Tyroller und ihre Kolleginnen ein. So beobachteten sie, dass vor allem die Flüchtlingsjungen sich gern und häufig an Kabbeleien oder Kräftemessen beteiligten und dabei nicht das rechte Maß fanden, also andern Kindern ungewollt wehtaten. „Wir haben einen Jungen, der einerseits sehr hilfsbereit ist und besonders gern in der Küche hilft und andererseits so eine ruppige Art hat. Den haben wir dann einfach gebeten in der Küche zu helfen, wenn wir gemerkt haben, es kommt immer wieder zu Streitigkeiten. Das ist dann für ihn keine Bestrafung, sondern positiv.“ Christiane Hofbauer berichtet Ähnliches: „Wir haben ja immer Kinder, die während einer Rauferei die Grenze nicht mehr kennen. Deshalb ist es schwer zu sagen: ‚Das sind die Flüchtlingskinder‘, aber dieses Verhalten haben relativ viele von den Flüchtlingsjungen gezeigt. Das ist für mich schwer zu interpretieren: Sage ich, sie leben in den Flüchtlingsunterkünften sehr beengt und da muss die überschüssige Energie einfach raus, oder sage ich, das sind noch Folgen von der Flucht?“

Die meisten Flüchtlingskinder verhalten sich bei ihrer Ankunft extrem zurückhaltend. „Sie stehen länger da und sind sich sehr unsicher, was sie tun sollen. Als ob sie denken: Ich weiß nicht, was hier los ist, ich weiß nicht, wie ich mit den Menschen umgehen sollen, ich verstehe ihre Sprache nicht. Vieles, was sie in der Kita sehen, ist von zu Hause nicht bekannt oder stand lange nicht mehr zur Verfügung“, berichtet Christiane Hofbauer. Es gibt aber auch Kinder, die mit der Vielfalt des Angebots nicht klarkommen: „Bei unserem Schnuppernachmittag war relatives Chaos, weil die Kinder viel hin und her gelaufen sind, alles ausprobieren wollten und alles hin und her geschleppt haben. Sie waren sehr explorationsfreudig, das ist zum einen toll, aber für Regeln erst einmal schwerer“, ergänzt Carina Tyroller.

Wiederholungen sind für die Kinder Halt und Wohltat

Kerstin Schuhmacher plädiert bei ausländischen Kindern für Geduld, Zeit und eine lange Eingewöhnungsphase. Sie ist Bewegungspädagogin an der AWO Betriebskindertagesstätte von Infineon in Neubiberg. Hier gibt es keine Flüchtlingskinder, aber 220 Kinder aus 33 Nationen. Um die Empathie für ihre Schützlinge zu erhöhen, hat das Kindergartenteam ein außergewöhnliches Experiment gemacht: Im Rahmen eines Teamtages schlüpften die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter des Kindergartens in die Rolle der Kinder und besuchten die Gruppe einer Kollegin mit Migrationshintergrund. Diese versuchte, sie in einer fremden Sprache zu animieren mitzuspielen, Lieder zu singen oder rechtzeitig zum Essen zu gehen. „Für uns war es ganz wichtig, dass sie uns immer angeschaut hat, wir haben dann versucht, anhand der Mimik und Gestik zu verstehen, was will sie von uns? Und im Umkehrschluss haben wir Mitarbeiter/- innen verstanden: Wir müssen mit Kindern, die kein Wort Deutsch können, anders kommunizieren. Viel mehr über Blickkontakt, viel mehr über Mimik und Gestik. Und Anfassen ist auch hilfreich.“ Wichtig für das Verständnis waren auch Wiederholungen in der Sprachmelodie: „Vieles wird einfacher, wenn die Satzstellung immer die gleiche bleibt. Dass ich nicht einmal ‚Kommt bitte zum Essen‘ rufe und dann wieder ‚Das Essen steht auf dem Tisch‘, sondern dass ich wirklich immer sage: ‚Komm bitte essen.‘“ Seitdem hält sich auch ihr Ehrgeiz in Grenzen, den Kindern im Morgenkreis viel Neues zu bieten: „Wir singen zwei Lieder. Immer und immer wieder. Diese Regelmäßigkeit gibt den Neuankömmlingen die Sicherheit: In diesem Land passt das schon, hier könnte ich mich wohlfühlen. Man hat ja immer so den Anspruch: Jetzt ist Frühling, jetzt singen wir ein Frühlingslied und wir wechseln häufig mal das Repertoire. Aber wir stellen fest, dass diese Regelmäßigkeit auch für die deutschsprachigen Kinder eine Wohltat ist.“

Daten und Fakten

Im Jahr 2015 sind laut Bundesamt für Migration und Flüchtlinge etwa 110.000 Kinder im Alter zwischen 0 und 15 Jahren in Deutschland angekommen.

Die Bundespsychotherapeutenkammer geht in einer Veröffentlichung vom 16. September 2015 davon aus, dass die Hälfte der erwachsenen Flüchtlinge an einer posttraumatischen Belastungsstörung leiden. Kinder, die aus ihrem Heimatland flüchten mussten, sind 15-mal häufiger psychisch krank als Kinder, die in Deutschland geboren wurden.

Genauere Zahlen liefert Dr. Sigrid Aberl, Oberärztin für Kinder- und Jugendpsychosomatik am Klinikum rechts der Isar TU München. Sie stellte im November 2015 ihre Studie „Psychosozialer Versorgungsbedarf bei Flüchtlingskindern und deren Familien“ im Bayerischen Landtag vor. Demnach haben 40,8% der Kinder in Flüchtlingsfamilien psychische Probleme. Dazu gehören Einnässen, Stottern, Essensverweigerung und Angstzustände. 22,3% von ihnen leiden unter posttraumatischen Belastungsstörungen, die eine entsprechende Behandlung erfordern.

Sigrid Aberl und ihr Team erhoben die Daten von insgesamt 140 Kindern von Januar bis Juni 2014 mithilfe qualitativer Interviews und Dolmetscher/-innen in der Münchner Bayernkaserne. Im Durchschnitt hatte jede Familie 3 eher kleine Kinder, deren Durchschnittsalter 6,8 Jahre betrug. Die Flucht dauerte bei den meisten etwa ein Jahr und führte für 56% der Familien über das Meer. 97% der befragten Familien haben islamischen Hintergrund und als Fluchtgrund Krieg (48%), den Verlust der Wohnung durch Krieg (18%) oder die persönliche Gefährdung durch Krieg (22%) angegeben.

Körperliche Aktivitäten sind befreiend

Christiane Hofbauer berichtet, dass es für viele Kinder schmerzhaft ist, im Kindergarten von ihren Geschwistern getrennt zu werden. „Wir hatten ein kleines dreijähriges Mädchen, das sich sehr stark an der älteren Schwester orientiert hat. Das hat man häufig bei Familien mit Migrationshintergrund, dass die Großen sehr auf die Kleinen achten. Das tut beiden nicht so gut, weil die Großen dann nicht dazu kommen zu spielen, was sie spielen möchten, und die Kleinen in ihren Freiheiten sehr stark eingeschränkt werden oder sich sehr an den Großen orientieren. Die Trennung in zwei verschiedene Gruppen ist dem kleineren Mädchen wahnsinnig schwergefallen.“ Die Erzieherinnen fanden heraus, dass das Mädchen sich bei Spielen wie „Hoppe, hoppe Reiter“, für die sie eigentlich schon ein bisschen zu alt war, sehr gut körperlich entspannen konnte. Dadurch bekam sie Energie und Kraft, sich auch einmal in ihrer eigenen Gruppe umzuschauen.

Auch bei den älteren Kindern wirken körperliche, nonverbale Aktivitäten oft befreiend, so die Erfahrung von Christiane Hofbauer: „Während die Dreijährigen noch nicht so in der Sprachsozialisation drin sind, sind sich die Fünfjährigen voll bewusst: Ich kann die Sprache nicht. Das ist ein Schock.“ Für ein fünfjähriges Mädchen in ihrer Gruppe war eine Laubschlacht im Garten mit allen Erzieherinnen und Kindern die Erlösung: „Da hat das Mädchen gemerkt: Mit denen kann man auch Quatsch machen, da ist es nicht so schlimm, wenn ich einen Fehler mache.“

Von offensichtlichen Traumatisierungen wie Schockstarre oder Angstzuständen berichtet keine der Gesprächspartnerinnen (Eckdaten siehe Infokasten). Wohl aber von der Notwendigkeit, den Kindern und Familien Sicherheit, Kontinuität und Empathie zu geben. Anke Rolke-Eckhardt: „Ein Mädchen ist mit einem traurigen Gesicht zu uns gekommen, sie hat aber relativ gute Ressourcen gehabt. Sie lacht jetzt viel und auch die Augen lächeln. Diese älteren Kinder haben schon sehr viel mitgekriegt, aber ich glaube, dass es einen Unterschied macht, wie sie hier ankommen, wie sie aufgenommen werden, und da ist unsere Gemeinde Taufkirchen ja gut engagiert. Das macht ganz viel aus. Wenn ich Ablehnung spüre, dann will ich dort nicht bleiben.“

Wertschätzung und Gelassenheit gegenüber dem Fremden

Insgesamt sagen alle Gesprächspartnerinnen ganz klar: Am Anfang bedeutet eine Familie, in der weder die Eltern noch die Kinder Deutsch sprechen, in der die Institution Kita vielleicht unbekannt ist und in der es kulturelle Unterschiede gibt, eindeutig mehr Arbeit und eine größere Belastung für das Team. „Da muss man ganz genau hinschauen: Was machen diese Veränderungen mit dem Team?“, sagt Anke Rolke-Eckhardt. Viele Teamsitzungen, Abstimmungen und eine gute Kommunikation helfen. Rolke-Eckhardt würde sich außerdem mehr Informationen zu den einzelnen Kulturen wünschen. Und etwas mehr Gelassenheit gegenüber fremden Bräuchen. „Manche Leute sagen: Also, ihr seid jetzt hier, also integriert euch auch …, aber deswegen sind ja die letzten dreißig Jahre des Lebens nicht ausgewischt.“ Ihrer Erfahrung nach hilft vor allem gegenseitige Wertschätzung.

Andere Eltern – Last oder Hilfe bei der Integration?

Und wie reagieren andere Eltern auf die Neuankömmlinge? Weitestgehend positiv, berichten die Erzieherinnen. „Die Kinder aus den Flüchtlingsunterkünften bringen manchmal Schimpfwörter mit. Ich denke, wenn viele Personen in einer Gemeinschaftsunterkunft nächtigen müssen, dann ist das klar, dass Kinder mit Sprüchen, die nicht für ihre Ohren geeignet sind, konfrontiert werden. Und natürlich wollen die anderen Eltern in der Einrichtung nicht, dass ihre Kinder unpassenden Wortschatz mit nach Hause bringen. Wir versuchen das dann in gewisser Weise zu bändigen“, berichtet Carina Tyroller. Offene Ressentiments hat jedoch noch keine der Frauen erlebt. Sie sind aber leider vorhanden. Ricarda Mursch hat Kontakt zu Kindergärten in ganz Bayern: „Es werden immer wieder fremdenfeindliche Äußerungen an die Erzieher/-innen herangetragen. Dies geschieht oft indirekt. Dann ist es wichtig, dies aufzugreifen und zu thematisieren. Kitas haben den Vorteil, dass dort die interkulturelle Bildung, Erziehung und Betreuung auf das gleichberechtigte Zusammenleben in einer vielfältigen Gesellschaft vorbereitet. Im Mittelpunkt aller pädagogischen Arbeit muss das individuelle Kind mit seinen Bedürfnissen stehen und nicht die Frage nach seiner Nationalität.“

Anke Rolke-Eckhardt ist froh, dass sie noch nicht mit Rassismus und Fremdenfeindlichkeit konfrontiert wurde: „Ich habe noch nie erlebt, dass Eltern gesagt haben: Mensch, mein Kind leidet darunter, dass ihr euch um die Flüchtlinge kümmert. Das habe ich noch nie erlebt.“ Auch Christiane Hofbauer berichtete ausschließlich Erfreuliches: „Unsere Kita ist vom sozioökonomischen Status her sehr gemischt. Der Großteil unserer Eltern spricht Türkisch, Arabisch, Afghanisch oder Kurdisch. Wir haben aber auch englische und französische Eltern. Die Kontakte untereinander gehen bei uns kreuz und quer: Das merkt man daran, wer wen einlädt, wer mal jemanden im Auto mitnimmt. Manche deutschsprachige Familien haben sich ganz explizit unsere Kita ausgesucht, sie erzählen dann, dass sie es schon bei den Namensschildern so schön fanden, dass es nicht nur Pauls und Sarahs gibt. Sie sagen: Mein Kind soll die große weite Welt kennenlernen.“

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