Die Kita-BibliothekWo Bücher zu Hause sind

Eine Kita-Bibliothek leistet einen wichtigen Beitrag zur Literacy-Erziehung. Kinder können hier individuelle und gemeinschaftliche Leseerfahrungen machen, neue Welten erkunden, neugierig forschen, kreativ sein und die Freude an Büchern und Sprache entdecken.

Drei Kinder, zwischen drei und sechs Jahre alt, sitzen auf dem Boden, um sie herum lauter Bilderbücher. „Hier das Haus sieht schön aus, wie Seifenblasen.“ „Das ist ein Baumhaus.“ „Und das ist ein komisches Haus: ein Hochhaus. Und das ist mit Antenne, auf der sitzt ein Vogel.“ Aus der Kita-Bibliothek haben sie sich alle Bilderbücher „mit Häusern“ ausgesucht und erforschen nun, welche unterschiedlichen Häuser darin abgebildet sind. Dabei kommentieren sie intensiv, tauschen Meinungen aus und handeln Bedeutungen aus. Unweigerlich wird hier Wissen ko-konstruiert, Sprache gebraucht und ein aktiver Bildungsprozess erlebt.

Wer Kindern vielfältige Bildungserlebnisse ermöglichen möchte, kam noch nie am Buch vorbei. Denn Bücher sind Quellen der Information und des Wissens, sie helfen Fähigkeiten und Denkweisen zu entwickeln. Zweifellos sind Bilderbücher die Medien, die Kindern in Tageseinrichtungen im größten Umfang zur Verfügung stehen. Allerdings zeigt sich in der Auswahl der Bücher und der Präsentation des Bestands, ob dieser den Bildungsaufgaben einer Kindertageseinrichtung entspricht. Mittlerweile haben Bildungs- und Orientierungspläne die Kita als Ort der frühkindlichen Bildung gestärkt. Und da bildungspolitische Änderungen inhaltlich und räumlich spürbar werden, brauchen Kitas eine Bibliothek. Eine Bibliothek, in der sich die Ziele der Erziehungs- und Bildungsarbeit wiederfinden lassen, in der sich Kinder als lesende und sprechende, als forschende und lernende Personen erleben und in der sich sowohl Kinder als auch Erwachsene wohlfühlen und inspirieren lassen.

Die Kita-Bibliothek als sozialer Ort, als Treffpunkt für alle Kinder, trägt zur Bildungsgerechtigkeit bei. Denn sie sorgt für eine frühe, von der Herkunftsfamilie unabhängige Begegnung mit Literatur und leistet Vorarbeit für die zukünftige Benutzung öffentlicher Bibliotheken. In der sprachlichen Bildung des Kindes und beim Erforschen der Umwelt übernimmt die Kita-Bibliothek die Rolle eines Lernbegleiters und informellen Beraters.

Die Bibliothek als Erlebnisraum

Erfahrungen rund um die Buch-, Erzähl- und Schriftkultur sind zentrale Bestandteile von Bildung. Die Kita-Bibliothek ermöglicht Kindern solche Erlebnisse und vermittelt Lust auf Bücher, Freude an der Sprache und am Vorlesen. Es ist wichtig, dass der Buchbestand differenziert und abwechslungsreich ist und auf die Bedürfnisse von Kindern eingeht. So wird die Bibliothek zum Ausgangsort für Spannung und Abenteuer, lädt ein zum neugierigen Forschen und Recherchieren, zu Begegnungen mit neuen und vertrauten Figuren, Geschichten oder Sachwelten. Ein Buch, das Kinder fasziniert, das sie immer wieder unter verschiedenen Aspekten betrachten oder bei dem sie sich an den immer gleichen Stellen erfreuen, übersetzt den Begriff der „Leseförderung“ in den Alltag. Denn angenehme Vorlesesituationen und markante Leseerlebnisse wirken lange nach. Sprachbildung und Leseförderung sind Bestandteil eines zeitgemäßen Erziehungs- und Bildungskonzepts. Literacy-Kompetenzen zu vermitteln, sollte im Alltag einer Kindertageseinrichtung verankert sein, dabei gehen Leseerlebnisse, Begegnungen mit Büchern, Sprachförderung und das Spielen Hand in Hand. Nikolaus Heidelbach zeigt in seinem Bilderbuch „Ein Buch für Bruno“1, wo man landen kann, wenn sich in der Bibliothek Tür und Tor für eine Reise ins Land der Fantasie öffnen. Ulla und Bruno schlagen in der Bibliothek ein geheimnisvolles Buch auf – und schon sind sie mitten in einer Landschaft mit eigenartigen Fabelwesen und bestehen die größten Abenteuer mit Bravour. Die kleine Lillimaus in Willi Fährmanns Tierfabel „Der überaus starke Willibald“2 wird in der Bibliothek gefangen gehalten, was für sie alles andere als eine Strafe darstellt: „In der Bibliothek ist es wie in einer verwunschenen Schatzhöhle. Tausend verschlossene Schatzkisten und ich habe den Zauberschlüssel dazu“, stellt sie fest. Bald merkt sie, dass Lesen zu mehr Wissen führt, und wer mehr weiß, hat weniger Angst und lässt sich nicht so schnell Bange machen – auch nicht vom starken Willibald.

„Mama Muh“3, die abenteuerlustige und etwas „verrückte“ Kuh, besucht eines Tages die Gemeindebibliothek. Danach erzählt sie ihrer Freundin Krähe, wie „gemuuhtlich“ es in der Bibliothek war. Im Bilderbuch „Pippilothek???“4 geht es ziemlich rund in der Bibliothek. Die Maus hat ein Zauberbuch entdeckt und lässt Bücher und Mobilar durch die Luft fliegen. Der Fuchs, von der Lesewut besessen, schleust auch noch ein Huhn ein, das ihm vorlesen muss. Als dieses dort seinem Bauern begegnet, der ein Buch mit dem Titel „1 Huhn – 100 Rezepte“ ausleiht, beschließt es, doch lieber dem Fuchs das Lesen beizubringen als nach Hause zu gehen. Diese kinderliterarischen Bibliothekserlebnisse zeigen aufschlussreich, was die Anziehungskraft und Attraktivität einer Kita-Bibliothek ausmachen: Kinder suchen hier einen sozial erfahrbaren Erlebnisraum. Dieser gewinnt Bedeutung, wenn von ihm schöpferische Impulse ausgehen und Kinder sich dort als Persönlichkeiten angenommen, geschützt und unterstützt fühlen. Dabei spielen die Begegnungen mit Menschen eine nicht zu unterschätzende Rolle.

Aufbau, Struktur und Organisation

Die Bibliothek soll bei den Kindern die Lust am Buch und an der Literatur wecken. Die selbstbestimmte Auswahl, ein strukturierter Zugang und verlässliche Vorlesezeiten ermöglichen den Kindern, dass sie sich mit den Büchern auseinandersetzen, die sie für ihren individuellen Entwicklungsstand und ihre Bildungsinteressen brauchen. Die Räumlichkeiten, die Konzeption und Arbeitsweise der Einrichtung sind die Rahmenfaktoren für die Struktur und Präsentation des Buchbestands.

  • Die Einbindung in das Konzept der Kita ist für den planmäßigen und bedarfsgerechten Auf- und Ausbau der Bibliothek wichtig. Da es eine wesentliche Zielsetzung ist, Kindern eine selbstverständliche Nutzung von Büchern zu ermöglichen, müssen in den Gruppen- oder Funktionsräumen zusätzlich Bücher vorhanden sein. Beispielsweise benötigen Kinder auch in der Forscherecke der Schreibwerkstatt ihren themenspezifischen Zugang zu Büchern.
  • Wird eine Bibliothek aufgebaut, sind zunächst drei Medien pro Kind zu veranschlagen, als Zielbestand gelten fünf bis sieben Titel. Die Kita-Bibliothek ist eine „Verbrauchsbibliothek“, die ebenso wie eine öffentliche Bibliothek keine dauernde, unveränderte Aufbewahrung des Buchbestandes will. Stattdessen sollten die Aktualität und Attraktivität des Angebots im Vordergrund stehen. Wenn die angestrebte Bestandsgröße erreicht ist, sollte sich ausgleichen, was jährlich aussortiert und neu angeschafft wird. Als Richtwert kann man davon ausgehen, dass pro Jahr 5 bis 10 % des Bestands erneuert werden können.
  • Im deutschsprachigen Raum erscheinen pro Jahr z. Zt. über 5000 neue Titel für Kinder. Daraus das Wichtige und Richtige auszuwählen, gehört zu den verantwortungsvollsten Aufgaben der Bibliotheksarbeit. Orientierung bieten z. B. Rezensionen in Fachzeitschriften, Tageszeitungen und überregionalen Zeitungen sowie die „Stiftung Lesen“ (www.stiftunglesen.de) und der „Arbeitskreis für Jugendliteratur“ (www.jugendliteratur.org).
  • Die Bibliothek sollte auch CDs und Hörbücher anbieten. Monatlich empfiehlt z. B. die „Stiftung Zuhören“ eine neu erschienene CD (www.stiftung-zuhoeren.de). In der Hörspieldatenbank „Töne für Kinder“ (www.ohrenspitzer.de) sind knapp 5000 CDs für Kinder recherchierbar.
  • Eine Bibliothek hat den Vorteil, dass sie den Buchbestand zentral bündelt. Dies kommt in einem separaten oder klar abgetrennten Raum besonders zum Tragen. Neben einer möglichst zentralen Lage benötigt sie ein Ordnungssystem, das auch leseunkundige Kinder erfassen können. Die Buchkategorien sollten allen Kindern bekannt, die Regalplätze und Buchrücken mit Beschriftungen und farblichen Markierungen versehen und ein Inventarverzeichnis vorhanden sein. Die Pflege der Bibliothek, also das Sortieren, Einstellen und Reparieren der Literatur, sollte gemeinsam mit den Kindern erfolgen.
  • Präsentiert werden die Bücher kindgerecht in Regalen, Trögen und Schrägablagen. Da das Cover von Bilderbüchern einen hohen Aufforderungscharakter hat, sollte ein ausgewählter Teil des Angebots frontal präsentiert werden.
  • Die Bibliothek lebt stark von einer funktionsgerechten und attraktiven Möblierung. Wichtig sind eine gemütliche Atmosphäre mit angenehmen Sitzmöglichkeiten, aber auch Plätze, an denen die Kinder arbeiten können und eine gute Beleuchtung. Über Bibliotheksausstattung, -zubehör und Möbel gibt das Angebot der Einkaufszentrale für Bibliotheken einen guten Überblick (www.ekz.de).
  • Eine Ausleihmöglichkeit unterstützt die Zielsetzung, dass Kinder häufig, intensiv und auch zu Hause Literatur nutzen können. Sie erfahren dadurch die wesentliche Struktur einer Leihbibliothek, verfügen über einen Ausweis, werden durch Karteikarten, Datumsstempel und Leihlisten oder PC mit den Modalitäten der Bücherleihe vertraut. Zudem dokumentiert ein Leihangebot auch Eltern den Stellenwert, den Bücher für die Sprachbildung und Literacy-Erziehung haben, und weckt das Interesse, ihren Kindern vorzulesen.
  • Die Bibliothek braucht außerdem eine verlässliche Bezugsperson, die Unterstützung beim Erfahren und Lernen all dessen anbietet, was Buchwissen und Bibliotheksstruktur ausmachen: Wo finde ich welches Buch? Wie gehe ich mit Büchern und anderen Medien der Bibliothek um? Welche Regeln haben wir bei der Buchbenutzung, welche beim Vorlesen? Wie kann ich in Büchern recherchieren? Was und wie kann ich ausleihen?

Sicherlich ist es aufwendig, die Strukturen einer soliden Buchpräsentation zu schaffen und das Angebot attraktiv zu halten. Der Aufwand jedoch lohnt sich und ist durch den Umfang des Angebots und durch Mitarbeit interessierter Eltern und anderer Buchliebhaber steuerbar. Teil einer Gemeinschaft von Bibliotheksbenutzern zu sein, ist eine frühe soziale Erfahrung, die die Neugierde und Fantasie anregt. Durch die Kita-Bibliothek wird in der Einrichtung dauerhaft ein „literarisches Klima“ spürbar und erlebbar, das die Kinder und Erzieherinnen gestalten.

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