Giovanni Battista Re: Die Katze landet immer auf den Füßen

Der 88-jährige Kardinaldekan, der die Trauerfeier für Benedikt XVI. leitete, soll immer noch über Einfluss verfügen. Zuletzt habe er sein Veto in einer wichtigen Personalie eingelegt, wird in Rom kolportiert.

Giovanni Battista Re bei der Trauerfeier für Papst Benedikt XVI.
© Paul Haring/CNS photo/KNA

Als am 5. Januar 2022 das Requiem für Benedikt XVI. aus dem Vatikan im Fernsehen übertragen wurde, fragten sich viele, wer denn eigentlich der Zelebrant der Liturgie ist. Papst Franziskus nahm zwar an der Feier teil, er leitete den Wortgottesdienst und predigte, Hauptzelebrant aber war Kardinal Giovanni Battista Re. Er ist zwar noch zwei Jahre älter als der Pontifex, aber deutlich rüstiger. Franziskus ist inzwischen, offenbar wegen seiner Gehbehinderung, nicht mehr in der Lage, einer langen Pontifikalliturgie selbst vorzustehen.

Kurze Zeit später trat Kardinal Re auch als Zelebrant des Requiems für den überraschend verstorbenen australischen Kardinal George Pell im Petersdom in Erscheinung. Das gehört zu seinen Aufgaben, denn Re ist seit 2020 Kardinaldekan und damit Vorsitzender des Kardinalskollegiums. Mit Interviews und öffentlichen Äußerungen hält sich der erfahrene Kuriale zurück.

Re stammt aus dem Kreis der Vatikandiplomaten.Von 2000 bis 2010 war er Präfekt der Bischofskongregation und hatte damit großen Anteil an Bischofsernennungen in der ganzen Welt. Von den heute amtierenden deutschen Diözesanbischöfen kam eine ganze Reihe unter seiner Ägide ins Amt: 2002 Karl-Heinz Wiesemann in Speyer, 2005 Gerhard Feige in Magdeburg, 2006 Gregor Maria Hanke in Eichstätt, 2007 Reinhard Marx in München, 2009 Franz-Josef Overbeck in Essen sowie Felix Genn in Münster.

In die Schlagzeilen geriet Re im Jahr 2009: Das Dekret, mit dem die Exkommunikation der vier Weihbischöfe der Piusbruderschaft aufgehoben wurde, trug seine Unterschrift. Unter den Bischöfen befand sich mit Richard Williamson ein Holocaustleugner – eine Tatsache, von der man im Vatikan nichts gewusst haben will. Re wies damals die Verantwortung für die Panne dem kolumbianischen Kardinal Darío Castrillón Hoyos zu, der für den Dialog mit den Traditionalisten zuständig war; Hoyos wiederum zeigte auf Kardinal Re als Leiter der Bischofskongregation.

Zuletzt tauchte Res Name im Zusammenhang mit der Affäre um den Ex-Kardinal Theodore McCarrick auf, der wegen sexueller Übergriffe an Seminaristen und Jugendlichen 2018 und 2019 alle kirchlichen Ämter verlor. Laut dem vatikanischen Untersuchungsbericht von November 2020 hatte Re bereits im Jahr 1999 Johannes Paul II. über Anschuldigungen gegen McCarrick informiert und im Jahr darauf dessen Versetzung auf den Erzbischofssitz von Washington zunächst abgelehnt. Im August 2008 forderte Re McCarrick schriftlich auf, ein zurückgezogenes Leben in Gebet und Buße zu führen und nicht mehr öffentlich aufzutreten – Vorgaben, an die sich McCarrick nicht hielt.

Beobachter in Rom bezeichnen ihn als Kurialen alten Schlages, stets professionell und loyal. Hätte Benedikt XVI. ihn statt Tarcisio Bertone zum Staatssekretär gemacht, hätte so mancher Skandal dieses Pontifikats vermieden werden können, sagen manche. Re gilt als krisenfest. Früher habe man in der Kurie über ihn gesagt, man könne ihn von der Terza Loggia des Apostolischen Palastes aus dem Fenster werfen und sicher sein, dass er unten auf den Füßen landen werde.

Re wird nach wie vor ein gewisser Einfluss im Vatikan zugeschrieben. In Rom heißt es, er habe sich, wie auch die Kardinäle Müller und Pell, dagegen ausgesprochen, dass der Papst Bischof Heiner Wilmer zum Präfekten des Dikasteriums für die Glaubenslehre macht. Die angeblich bereits geplante Ernennung sei darum bisher nicht erfolgt. Diesbezügliche Spekulationen zirkulierten im Dezember im Internet: Franziskus wolle mit Wilmer einen „ultra-progressiven Bischof“ befördern, war zu lesen. Offen bleibt, woher die Beschwerdeführer von den Absichten des Papstes gewusst haben sollen. Denkbar ist auch, dass durch die Gerüchte die Person des Hildesheimer Bischofs mit Blick auf zukünftig frei werdende Kirchenämter beschädigt werden sollte.

Anzeige: Der Unvollendete. Franziskus' Erbe und der Kampf um seine Nachfolge. Von Marco Politi

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