Das neue Dom- und Diözesanmuseum im Historischen Museum der Pfalz in SpeyerVon Snello lernen

Snello und Haertwich haben ihn geschaffen, den golden glänzenden Weihwasserkessel mit detailreichen Bildstreifen. Geschickt haben sie die geflügelten Wesen der Evangelisten ausgearbeitet und die vier nackten Jünglinge mit Wassergefäßen, die die vier Paradiesflüsse personifizieren. Darunter finden sich, überraschend profan, bewaffnete Reiter, die einen Löwen, einen Greif und eine Sphinx jagen. Das exquisite Werk benennt in Inschriften nicht nur den Stifter Abt Berthold, sondern sogar den Designer und den Kunsthandwerker. Seine Entstehung lässt sich präzise auf 1116 bis 1119 datieren.

„Das Wort der Evangelisten verbreitet sich in der Welt, so wie sich das Wasser der Paradiesflüsse in die vier Weltgegenden ergießt – diesen Bezug zwischen Neuem und Altem Testament haben die beiden selbstbewussten Künstler zum Ausdruck gebracht“, erklärt Sabine Kaufmann ihr Lieblingsstück. Die Sammlungsleiterin hat die ständige Ausstellung „Kreuz und Krone“ kuratiert, die seit September in neu gestalteten Räumlichkeiten des Historischen Museums der Pfalz in Speyer präsentiert wird.

Exponate aus 1500 Jahren Kirchengeschichte kamen aus dem sanierungsbedürftigen Anbau hinein in den historischen Altbau, die repräsentative Wendeltreppe hinunter in das Untergeschoss, das als unterste Ebene quasi das Fundament des gesamten Museums darstellt. Diese Fläche mit rund 500 Quadratmetern ist ein Glücksfall.

Massive Gewölbe erinnern an die Krypta des einen Steinwurf entfernt liegenden romanischen Kaiser- und Mariendoms. Der Grundriss ähnelt einem dreischiffigen Kirchenbau mit Querhaus und kleeblattartigem Chor. „Je mehr wir über die Räumlichkeiten nachgedacht haben, desto mehr haben wir sie in die Gestaltung einbezogen“, berichtet Kaufmann. Die Decken werden mit eigener LED-Technik in helles Licht gesetzt, sodass sich das Zusammenspiel von Form und Inhalt in der gesamten Raumstruktur dem kenntnisreichen Besucher erschließen kann.

Es beginnt mit einem Vorraum, in dem der heilige Pilger Jost die Gäste begrüßt und in dem die Bistumsgeschichte mit symbolträchtigen Exponaten veranschaulicht wird. Darunter findet sich das auf einem samtroten Kissen präsentierte Beinchen einer Figur des Jesuskindes. Es blieb als einziges Stück einer wundertätigen Madonnenstatue erhalten, die Ende des 18. Jahrhunderts zerstört wurde; bis heute verweist manch ein Speyrer Stadtführer auf das hölzerne Relikt.

Hinein geht es ins „Mittelschiff“, das einzigartige Funde aus den Gräbern der Kaiser und Könige zeigt, die 1900 im Dom geöffnet wurden. Dazu zählen die Grabkronen des salischen Kaisers Konrad II. und seiner Gemahlin Gisela. Im „Seitenschiff“ lässt sich die Baugeschichte des Doms in einer Computeranimation nachvollziehen, auch dessen – fast geostetes – Modell ist zu bewundern. In der „Vierung“ folgen liturgische Geräte und Gewänder; hier glänzen von Gold und Edelsteinen überbordende Monstranzen und Kelche. Ein gut 500-jähriges Triptychon zeigt die Geburt Jesu mit originellen Details; so erinnert die Krippe an eine Steinplatte, die Gestik des Kindes „an Kung Fu“, wie eine Besucherin vermerkt.

Als „Hochaltar“ finden sich eine Anna Selbdritt und eine Madonna mit Kinde. Sie rahmen das „Allerheiligste“: In einer himmelblauen Lichtinstallation scheint eine Christusfigur – aus dem Umkreis von Tilman Riemenschneider – an einem lichten Kreuz zu schweben.

„Unsere Ausstellung ist für alle da“, betont Kaufmann: „Wir verkünden nicht das Evangelium, sondern wir wollen Glaubenskenntnisse vermitteln.“ Daher werden Fachbegriffe wie „Monstranz“ auf Tafeln erklärt. Für Kinder steht ein Dommodell zum Selberbauen bereit. Das Museum erstellt noch eine Besucher-App mit weiteren Infos.

Sicherlich erschließt sich die Hintersinnigkeit von „Kreuz und Krone“ nur dem Gast, der einen Kirchenaufbau zu lesen versteht. Entgegen dem Titel werden kirchlich-herrschaftliche Verbindungen noch nicht näher thematisiert und Anekdoten wie zum Jesusbeinchen bleiben ohne Führung unerzählt. Vielleicht sogar würde der Besucher Snello und Haertwich gerne etwas näher kennenlernen, die sakrale und profane Inhalte so formvollendet miteinander verbanden.

Speyer ist eine Reise wert. Wer schon den mächtigen Dom inklusive Krypta besichtigt hat, dem bietet sich ein Besuch im Museum geradezu an – und dann lohnt ein Gang ins Untergeschoss gewiss.

Hilde Naurath

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