Gegen die Denunziationen

In Rom informiert man sich auch über die Schweiz durch die Berichterstattung in der „Herder Korrespondenz“.

Blick auf Bern
© Pixabay

Meine Mitarbeit an der „Herder Korrespondenz“ wurde angebahnt, als Chefredakteur David Seeber an der Würzburger Synode mit dem St. Galler Bischofsvikar Ivo Fürer Kontakt aufnahm und mit ihm die Möglichkeit einer regelmäßigen Berichterstattung aus der Schweiz erörterte. In dieser Zeit wurden in mehreren Ländern Diözesansynoden durchgeführt und auf kontinentaler Ebene der Rat der Europäischen Bischofskonferenzen gegründet. Mit diesen Vorgängen wuchs auf der Ebene der Kirchenleitung das Bedürfnis nach Erfahrungs- und Meinungsaustausch und in der kirchlichen Öffentlichkeit nach zuverlässiger Information.

Schon bei den ersten Aufträgen zeigte sich, wie rasch die gesellschaftliche Agenda von der kirchlichen abweichen konnte. In der Schweiz entbrannte 1975 eine heftige Diskussion um die Sterbehilfe und auf parlamentarischer Ebene wurde eine Neuordnung der Strafbarkeit des Schwangerschaftsabbruchs und insbesondere die Fristenlösung debattiert. Im Sommer des gleichen Jahres entzog der Bischof von Freiburg, Lausanne und Genf der Priesterbruderschaft „Hl. Pius X.“ die Approbation, während das Priesterseminar der Bruderschaft in Ecône bereits an die hundert Studenten zählte.

Die Aufmerksamkeit, welche die HK den Vorgängen und Entwicklungen in den evangelischen Kirchen und in der Ökumene schenkte, kam dem ökumenischen Interesse in der Schweiz entgegen. So konnte 1976 das Menschenrechtsprogramm der evangelischen Kirchen der Schweiz, eine Antwort auf das Antirassismusprogramm des Ökumenischen Rates der Kirchen vorgestellt werden. In den Siebzigerjahren war in der Schweiz besonders auch die Ausländerpolitik umstritten; dazu hatten sich die Kirchen gemeinsam geäußert. Viele Länderberichte zur kirchlichen Situation der Schweiz wurden seitdem in pastoraltheologischen und kirchengeschichtlichen Veröffentlichungen zitiert.

Eine Meldung im Mai-Heft 1988 informierte über die Ernennung von Wolfgang Haas, Kanzler und Offizial des Bistums Chur, zum Koadjutor sowie über den breiten Widerwillen und Widerstand gegen die Person des Ernannten wie gegen das Verfahren seiner Ernennung. Nachdem der Koadjutor seine Absicht bekannt gemacht hatte, den schweizerischen Weg der Pastoral den römischen Vorgaben und namentlich dem neuen CIC anzupassen, begann er schon polarisierend zu wirken.

Auf der einen Seite wurde er von jenen Kreisen unterstützt, welche Schweizer Besonderheiten in der Pastoral als verfehlt ablehnten, auf der andern Seite wurde ihm namentlich von Seelsorgern vorgeworfen, unnötig kirchenrechtlich statt seelsorgerlich zu denken. Nach dem vorzeitigen Rücktritt von Diözesanbischof Johannes Vonderach verschärften sich die Spannungen im Bistum, so dass sich sogar der Bundesrat (die Landesregierung) mit dem Konflikt befassen musste – und Bischof Wolfgang Haas schließlich die Bischofskonferenz ersuchte, weiterhin und vermehrt ihre guten Dienste zur Verfügung zu stellen mit dem Ziel, das Vertrauen im Bistum wiederherzustellen und die verschiedenen Schwierigkeiten zu überwinden.

In dieser polarisierten Situation war die Berichterstattung besonders herausgefordert. Der damalige Präsident der Schweizer Bischofskonferenz, Weihbischof Joseph Candolfi, erzählte mir, dass er von ausländischen Amtsbrüdern gefragt werde, ob man sich auf die Berichterstattung der HK verlassen könne. Eine Sorge der Schweizer Bischöfe im Fall Haas war das Bild, das man sich in der Römischen Kurie von den kirchlichen Verhältnissen in der Schweiz machte; diese stützte sich offenbar vor allem auf Denunziationen des Rechtskatholizismus ab.

So konnte die unaufgeregte Sachlichkeit der HK beiläufig zur Korrektur des verzerrten Bildes des Schweizer Katholizismus beitragen. Bereinigt wurde der Fall Haas schrittweise; zunächst mit der Ernennung von zwei Weihbischöfen, dann mit seiner Ernennung zum ersten Erzbischof des gleichzeitig neu errichteten Erzbistums Vaduz. Der Richtungsstreit selber ging unter seinem Nachfolger Vitus Huonder indes weiter, was Ende letzten Jahres mit der geplatzten Bischofswahl deutlich zu Tage trat.

Während diese Konflikte große Medienaufmerksamkeit erfuhren, veränderte sich die Religionslandschaft erheblich: das Verhältnis der Mehrheit der Bevölkerung zum Christentum wurde distanzierter, in den beiden großen Kirchen setzte sich die Erosion traditioneller Kirchlichkeit fort und der wachsende muslimische Bevölkerungsteil wurde zunehmend als Problem empfunden.

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