KommentarVielfalt

Weltkirchliche Arbeit in Deutschland steht vor wichtiger Klärungsphase.

Mit breitem Grinsen, aber ohne jede Häme erinnerte Bischof Charles Palmer-Buckle das festlich gestimmte Auditorium an den „Nick-Neger“, das lustige Missions-Kässchen, das zumindest zur Weihnachtszeit in deutschen Kirchen und katholischen Kindergärten bis in die sechziger Jahre seinen festen Platz hatte. Heute stehe er, der echte „Neger“ hier in Würzburg vor der Mitgliederversammlung des Deutschen Katholischen Missionsrats (DKMR), beauftragt, den Gottesdienst zur Eröffnung des 50-jährigen Jubiläums zu leiten. Warmherzig dankte der Bischof von Koforidua (Ghana) dann für die vielen deutschen Missionare und Missionarinnen und deren selbstlosen Einsatz in seiner Heimat wie in ganz Afrika. Gleichermaßen dankte er auch den vielen gläubigen Laien in Deutschland, die die Arbeit der Missionare mit Gebet und großzügigen Spenden unterstützt hätten. Ohne falsche Zurückhaltung aber äußerte Palmer zugleich tiefes Befremden: Wie kommt es, dass die deutsche Ortskirche, die doch so viel für die Ausbreitung des Glaubens und ebenso für den Aufbau beispielsweise gut funktionierender Gesundheits- und Bildungseinrichtungen an vielen Orten der Erde getan hat, jetzt selbst in so tiefe Resignation und Melancholie gefallen ist, ihr der Glaubensmut gänzlich abhanden gekommen scheint?

Anschaulicher hätte der Rückblick auf die bewegte Geschichte des Katholischen Missionsrats beziehungsweise auf die Entwicklungen und tief greifenden Veränderungen in Missionspraxis und Verständnis nicht ausfallen können. Der Bischof aus Ghana schlug bildreich den weiten Bogen: von den einschlägigen Dokumenten des Zweiten Vatikanums, die die missionarische Verantwortung jeder Ortskirche, jedes einzelnen Gläubigen wieder ins Bewusstsein riefen, über die Entwicklung eines Missionsbegriffs, der sich dem ganzheitlichen Heil des Menschen verpflichtet weiß, bis hin zur aktuellen Renaissance des Stichworts Mission in unseren Breiten. In diesem Prozess haben sich auch die Akteure der weltkirchlichen Arbeit selbst verändert, kamen mit neuen Aufgaben und anderen Akzenten auch immer neue hinzu. Zu den Missionsorden und den päpstlichen Hilfswerken, die sich im Herbst 1953 in Würzburg zum Missionsrat zusammengeschlossen hatten, um die Kräfte aller weltkirchlich Engagierten zu bündeln, gesellten sich schon bald nach ihrer Gründung die Bischöflichen Hilfswerke Misereor und Adveniat, 1969 kamen die deutschen Diözesen dazu. Jüngstes Mitglied im DKMR ist die Solidaritätsaktion mit Mittel-und Osteuropa, Renovabis (vgl. dieses Heft, 493 ff.). So zeigt die Mitgliederliste des DKMR historisch bedingt eine höchst heterogene Landschaft weltkirchlich-missionarischer Akteure. Da diese auch weiterhin mit immer neuen Herausforderungen und Aufgabenstellungen konfrontiert sein werden – die letzten beiden Mitgliederversammlungen des DKMR nahmen sich beispielsweise des Themas Aids an – startet der Missionsrat in seinem Jubiläumsjahr einen umfassend angelegten Leitbildprozess, um sich seiner Rolle und seiner Prioritäten zu vergewissern .

Dieser Leitbildprozess steht zugleich im Kontext eines selbst von kirchlichen Insidern kaum wahrgenommenen, schon vor einigen Jahren begonnenen größeren Diskussionsprozesses. In diesem ist nicht zuletzt die Bischofskonferenz bemüht, „die theologischen Grundlagen der weltkirchlichen Arbeit und die Strukturen der Zusammenarbeit der Akteure untereinander und mit der Bischofskonferenz neu zu ordnen und zu stärken“, wie Ulrich Pöner, Leiter des Bereichs Weltkirche und Migration im Sekretariat der Bischofskonferenz, in einem Beitrag für „Forum Weltkirche“ (Heft 5, September/Oktober 2003) anlässlich des DKMR-Jubiläums schreibt. Stationen dieses Diskussionsprozesses waren bislang ein nie richtig öffentlich gewordenes Memorandum „zur Situation der katholischen weltkirchlichen Hilfswerke“ aus der Feder von 13 in ihren Diözesen für Weltkirchenfragen Verantwortlichen sowie das Bischofswort „Die eine Sendung und die vielen Dienste“ aus dem Jahr 2000. Wachsam, mit Sorgenfalten auf der Stirn oder zumindest einem großen Fragezeichen dahinter wird mancher der weltkirchlich-missionarischen Akteure nun Pöners scharfe Anfrage an die Effizienz und Plausibilität der weltkirchlichen Arbeit gelesen haben. Und umgekehrt weiß jener wohl um die Vorbehalte bei seinem Gegenüber, betont er doch ausdrücklich, hinter dem Bemühen der Bischöfe stecke kein verstärkter Macht- oder Lenkungswille.

Den grundlegenden Klärungsbedarf, die notwendige Verständigung über Prioritäten und nicht zuletzt auch die unerlässliche Prüfung der nicht mehr ganz so rund laufenden Arbeitsteilung unter den weltkirchlichen Akteuren wird dabei auch der nicht bestreiten, der vor allem den Reichtum und das ungeheuer vielfältige Potenzial einer so heterogenen Landschaft weltkirchlicher Akteure sieht. Auch auf den weltkirchlichen Bereich kommen schwierige Zeiten zu: Die von Bischof Palmer-Buckle so warmherzig beschriebenen Gläubigen, die die weltkirchliche Arbeit ideell und finanziell getragen haben, werden mit dem Abschmelzen des katholischen Kernmilieus immer weniger. Die Werke und die diözesane weltkirchliche Arbeit müssen mit geringeren Zuweisungen aus sinkenden Kirchensteuereinnahmen rechnen. Die Werke haben zudem zurückgehende Kollektenerträge aus den Diözesen zu verkraften. Ein hart umkämpfter freier Spendenmarkt führt nahezu zwangsläufig – trotz vieler ernst gemeinter Kooperationsbemühungen und Abspracheversuchen – zu einem immer härteren Konkurrenzkampf auch unter den katholischen Hilfswerken. Überdies scheinen weltkirchliche Themen an der kirchlichen Basis wirklich nur noch ein paar Hochengagierte zu interessieren. Dies alles verlangt nach grundlegenden Auseinandersetzungen und neuen Positionsbestimmungen. Mit rein organisatorischen Maßnahmen oder der Suche nach größerer betriebswirtschaftlicher Effizienz wird sich keines dieser Probleme lösen lassen. Die Frage Bischof Palmers nach dem Glaubensmut weist da schon eher in die richtige Richtung.

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