Tag der Organspende am 1. JuniEin Akt der Nächstenliebe

Die Kirchen sehen Organspende positiv. Umso schlimmer, dass in katholischen Kreisen Halb- und Unwahrheiten darüber kursieren – und somit Ängste geschürt werden, kritisiert unser Autor.

Wann ist ein Mensch tot? Wann also können ihm Organe entnommen werden, die andere Leben retten? Für die Medizin gilt dafür der Zeitpunkt des Hirntods, also der unumkehrbare Ausfall der gesamten Hirnfunktionen. Es ist kein Fall bekannt, in dem jemand danach das Bewusstsein wiedererlangt hätte. Und auch theologisch erklärt die Päpstliche Akademie der Wissenschaften genau dies als den Moment, in dem sich die Seele vom Leib trennt. Ein hirntoter Mensch ist tot – und nicht „bloß“ sterbend.

Entsprechendes zieht sich durch offizielle kirchliche Verlautbarungen. Schon 1990 schrieben die Deutsche Bischofskonferenz (DBK) und die Evangelische Kirche in Deutschland (EKD) in ihrer Schrift Organtransplantation: „Ein hirntoter Mensch kann nie mehr eine Beobachtung oder Wahrnehmung machen, verarbeiten und beantworten, nie mehr einen Gedanken fassen, verfolgen und äußern, nie mehr eine Gefühlsregung empfinden und zeigen, nie mehr irgendetwas entscheiden.“ Und 2015 bekräftigte die DBK: „Nach jetzigem Stand der Wissenschaft stellt das Hirntod-Kriterium ... das beste und sicherste Kriterium für die Feststellung des Todes eines Menschen dar, so dass potentielle Organspender zu Recht davon ausgehen können, dass sie zum Zeitpunkt der Organentnahme wirklich tot sind.“ Im Klartext: Niemand muss Sorge haben, dass er oder sie etwas davon mitbekommt, womöglich sogar leidet, wenn Organe entnommen werden.

Es spricht also nichts dagegen, sich mit der Frage der Organspende auseinanderzusetzen und sich, wenn persönlich möglich, dafür zu entscheiden. Im Gegenteil: Aus christlicher Sicht ist diese Bereitschaft „ein Zeichen der Nächstenliebe und Solidarisierung mit Kranken und Behinderten“, so DBK und EKD in dem gemeinsamen Dokument. Auch Päpste äußerten sich ähnlich: Für Johannes Paul II. verdiente die Organspende „besondere Wertschätzung“. Für Benedikt XVI. war sie „eine besondere Form der Nächstenliebe“. Und Franziskus bezeichnete sie als „Akt der großzügigen Solidarität, der gefördert werden muss“.

Trotz dieser klaren Worte gibt es gerade unter Katholikinnen und Katholiken immer wieder Verunsicherung, Angst und Misstrauen bei dem Thema. Mit Aussagen wie „Abtreibung und Organentnahme stoppen ein schlagendes Herz“, verbreiten konservativ-katholische Autoren, Gruppen und Medien Zweifel am Hirntod-Konzept.

In der Sache ist dies eine völlig unpassende Gleichsetzung. Trotz schlagendem Herzen ist der Hirntote ein Toter. Das sogenannte intermediäre Leben bezieht sich rein auf das „Leben“ von Organen, Geweben und Zellen. Doch die Desinformation und drastische Rhetorik wirken. Etliche Menschen sagen daher „Nein“ zur Organspende. Dadurch wiederum fehlen den Ärzten dringend benötigte Organe, um Leben zu retten. Es ist somit eine Irreführung mit Todesfolge. Und zwar in beträchtlicher Zahl. Da im Durchschnitt jedem Spender drei Organe entnommen werden, gefährdet jedes Nein zur Organspende das Leben von drei Patientinnen und Patienten.

Gerade weil die Fehlinformationen häufig in katholischen Kreisen kursieren, steht die Bischofskonferenz in besonderer Verantwortung, die Fakten richtigzustellen. Allein schon ein Flyer und eine aktuelle Schrift wären dringend nötig.

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