Schon einige Male haben sich das deutsche Kino und Fernsehen an Filmen mit jüdischen Protagonisten versucht und verhedderte sich dabei nicht selten in billigen Klischees und den immer gleichen Stereotypen. Aus diesem Grund hat es sich der Autor und Produzent David Hadda, der selbst aus einer jüdischen Familie stammt und Enkel von Shoah- Überlebenden ist, zur Aufgabe gemacht, eine Serie zu schreiben, die auf authentische Weise die Realität und Vielfalt jüdischen Lebens in Deutschland abbildet. Dies ist ihm mit der neuen sechsteiligen ARD-Serie Die Zweiflers, die kürzlich in Cannes mit dem Preis für die „beste Serie“ des Jahres ausgezeichnet wurde, auf beeindruckende, unterhaltsame und berührende Weise gelungen.
Gleich zu Beginn werden alle wichtigen Mitglieder der Familie Zweifler eingeführt. Großvater Symcha – Delikatessen-Unternehmer und Restaurantbesitzer mit Verbindungen zur Unterwelt – hat seine ganze sympathisch-neurotische „Mischpoke“ aus Deutschland, Israel und den USA in seinem Frankfurter Büro versammelt. Dort verkündet er überraschend, dass er sein Imperium an einen fremden Investor zu verkaufen gedenkt. Von da an gerät seine ohnehin bereits dysfunktionale Familie zunehmend aus den Fugen: Enkel Samuel, der als Musikmanager in Berlin arbeitet, verliebt sich in Saba – die keine biblische Königin, sondern eine erfolgreiche Köchin mit karibischen Wurzeln ist. Als sie ungeplant schwanger wird, steht Samuel plötzlich vor der Frage, ob er seinen Sohn gemäß der jüdischen Tradition acht Tage nach der Geburt beschneiden lassen soll. Und während seine latent übergriffige „Mamme“ bereits hinter dem Rücken ihres „Herzeles“ eine große Beschneidungsfeier mit internationalen Gästen plant, sein Großvater ihn an seine Verantwortung erinnert, die stets gefährdete jüdische Kultur in die Zukunft zu tragen, und sich Saba zunehmend von den Zweiflers überrannt fühlt, ist der frischgebackene Vater auf einmal ganz akut mit der Frage nach seiner Identität konfrontiert.
Unterdessen muss sich seine Mutter mit einem abtrünnigen Ehemann, provokanten Kunstwerken ihres Jüngsten, der Trennung ihrer Tochter sowie Anfragen an ihre eigenen Lebensentscheidungen herumschlagen. Die Zweiflers setzt jedoch dem familiären Drama immer auch Komik und Ironie und dem transgenerationalen Trauma die jüdische Selbstermächtigung entgegen – oder um es mit Dana Zweifler zu sagen: „Wir müssen aufhören, Opfer zu sein!“
Dank der bunten Mischung der Protagonisten, Lebensentwürfe und Sprachen (von Deutsch über Englisch und Hebräisch bis hin zu Jiddisch) wird ein facettenreicher und vielschichtiger Reigen an jüdischem Gegenwartsleben in all seiner Freude und all seinem Leid und jenseits aller Klischees dargestellt, was die Serie besonders glaubwürdig und berührend macht. Die Tatsache, dass viele der fantastischen Hauptdarsteller – wie die Brüder Aaron und Leo Altaras, Mark Ivanir oder Sunnyi Melles – selbst jüdischen Hintergrund haben und ihre persönlichen Erfahrungen ins Spiel einfließen lassen, unterstreicht die Authentizität der Zweiflers. So war es Hadda auch ein Anliegen, für die Großeltern tatsächlich Jiddisch sprechende Schauspieler zu casten, was ihn zu dem wunderbaren New Yorker Duo aus Eleanor Reissa und Mike Burstyn geführt hat, deren traurig-schönes jiddisches Lied Oyfn veg shteyt a boym („Am Weg steht ein Baum“) im Staffelfinale das Herzstück der Serie bildet. Am Ende werden einige der familiären Bruchstücke wieder zusammengefügt beziehungsweise neu geordnet. Ein paar der aufgeworfenen Fragen bleiben jedoch unbeantwortet und lassen auf eine Fortsetzung dieser ausgezeichneten und außergewöhnlichen Serie hoffen, denn Die Zweiflers sind zweifellos große Fernsehkunst.
DIE ZWEIFLERS
Deutschland; Regie: Anja Marquardt; Länge: sechs Folgen von je ca. 50 Minuten. Die Serie kann bis Mai 2025 in der ARD-Mediathek gesehen werden.