Eine Dichterin als ...Wüstenwanderin

Im neuen Film von Margarethe von Trotta zieht eine gefeierte Dichterin in die Wüste – und kehrt verändert zurück.

Ingeborg Bachmann ist bekannt für ihre düsteren Gedichte. Doch sie hat auch einen regelrechten Sonnengesang geschrieben. „Schönes Licht, das uns warm hält, bewahrt und wunderbar sorgt, dass ich wieder sehe und dass ich dich wiederseh!“, heißt es da. Und: „Nichts Schönres unter der Sonne, als unter der Sonne zu sein.“ Es ist wohl kein Zufall, dass in Ingeborg Bachmann: Reise in die Wüste gerade diese Zeilen zitiert werden. Der Film begleitet die österreichische Autorin (einfühlsam gespielt von Vicky Krieps) in einer Umbruchphase: Längst hat sie sich einen Namen als Lyrikerin gemacht, aber privat ist sie ziellos. Ihre jahrelange Beziehung mit dem Schriftstellerkollegen Max Frisch (Ronald Zehrfeld) ist zerrüttet. Irgendwann lässt Bachmann den engen, hektischen Literaturbetrieb hinter sich und flieht in die Ferne – nach Ägypten in die Wüste. Für die Autorin gleichzeitig „Vorhölle“ und „Erlösung“.

Und tatsächlich: In dieser lebensfeindlichen Umgebung scheint sie ein Erweckungserlebnis zu haben. „Das ist wie der Beginn der Welt“, heißt es in einer Szene, in der Bachmann den Sonnenaufgang über den Dünen beobachtet. „Noch einmal von vorn beginnen“, flüstert die Dicherin in den beginnenden Tag. „Das wäre schön.“ Regisseurin Margarethe von Trotta, die bereits das Leben der Hildegard von Bingen verfilmt hat, schafft es hier in wenigen Einstellungen, ein Gefühl von spiritueller Tiefe zu erzeugen.

Sobald es ins Beziehungsdrama geht, zeigt das Drehbuch dagegen Schwächen. Bachmann und Frisch werfen sich derart feingedrechselte Sätze an den Kopf („Wir hatten einen Pakt, der nichts mit der Treue im üblichen Sinn zu tun hat“), dass der Zuschauer in jedem Moment mehr auf die Worte als auf die Emotionen achtet. Vermutlich streiten nicht mal Schriftstellerpaare so rhetorisch versiert. Der Briefwechsel zwischen den beiden hätte hier manches aufklären können, er wurde aber leider erst knapp vor der Premiere des Films veröffentlicht. So bleibt ein etwas unausgegorenes Beziehungsdrama, das von den fantastischen Wüstenszenen getragen wird.


INGEBORG BACHMANN: REISE IN DIE WÜSTE
Deutschland 2023; Regie: Margarethe von Trotta; Länge: ca. 110 Min.

Der Film ist ab dem 19. Oktober im Kino zu sehen.

Anzeige: Gottes starke Töchter. Frauen und Ämter im Katholizismus weltweit. Hg: Julia Knop

Der CiG-Newsletter

Ja, ich möchte den kostenlosen CiG-Newsletter abonnieren und willige in die Verwendung meiner Kontaktdaten zum Zweck des E-Mail-Marketings durch den Verlag Herder ein. Den Newsletter oder die E-Mail-Werbung kann ich jederzeit abbestellen.
Ich bin einverstanden, dass mein personenbezogenes Nutzungsverhalten in Newsletter und E-Mail-Werbung erfasst und ausgewertet wird, um die Inhalte besser auf meine Interessen auszurichten. Über einen Link in Newsletter oder E-Mail kann ich diese Funktion jederzeit ausschalten. Weiterführende Informationen finden Sie in unseren Datenschutzhinweisen.