Umgang mit der „Letzten Generation“Wir müssen reden!

Vor Kurzem wurde beschlossen, dass die evangelische Kirche in Berlin doch keine Räume für die Letzte Generation zur Verfügung stellt. Die Debatte über den Umgang mit den Klimaaktivisten ist damit noch lange nicht beendet.

Zurzeit scheinen alle über die Letzte Generation zu reden. Die Stimmung in Berlin ist, vorsichtig ausgedrückt, gereizt. „Klimakleber“ ist noch eine harmlose Bezeichnung. Als „Öko-Terroristen“ wurden sie schon tituliert, und auf der Straße müssen sie von der Polizei vor Angriffen durch aufgebrachte Autofahrer geschützt werden. Strafrechtlich sehen manche die Frage nach der Bildung einer kriminellen Vereinigung im Raum.

Worum es eigentlich gehen muss

Die Aktionen der Letzten Generation provozieren. Sie polarisieren eine tief verunsicherte Gesellschaft. Die Frage, über die alle reden: Wie sollen wir mit diesen Aktionen umgehen? Aber eigentlich müsste sich die Debatte doch um die Fragen drehen: Was können, was müssen wir tun, um das Kippen des Erdklimas in eine Heißzeit doch noch zu verhindern? Welche Opfer würde das von uns als Gesellschaft, aber auch von jedem und jeder Einzelnen verlangen? Und wie erreichen wir hier den nötigen gesellschaftlichen Konsens?

Die Letzte Generation bezieht dazu klare Positionen. Sie fordert (mittlerweile) eine Abkehr von fossilen Brennstoffen bis zum Jahr 2030. Darin unterscheidet sie sich wenig von anderen. Der Unterschied ist aber, dass die Letzte Generation für diese Ziele mit Mitteln des zivilen Ungehorsams eintritt: Sitzblockaden von Autostraßen, leider auch Schmierereien in Museen und an öffentlichen Gebäuden. Die Farbbeutelattacke auf das Brandenburger Tor hat viele Sympathien gekostet. Weniger bekannt ist das gemeinsame Nutzen des ÖPNV ohne Ticket, dafür mit Warnweste und Gesprächen mit Fahrgästen.

Wer besucht die Aktivisten im Gefängnis?

Und nun werden wir Kirchen gefragt, ob wir noch dazu in der Lage sind, die selbstbezüglichen Debatten um unsere Zukunftsfähigkeit eine Zeitlang zu unterbrechen. Ob wir Menschen unterstützen möchten, die sich für Ziele einsetzen, die auch die unseren sein müssen. Ob wir in unseren Kirchengemeinden Räume zur Verfügung stellen können, in denen Aktivistinnen und Aktivisten essen, schlafen, diskutieren können. Ob wir Geistlichen sie im Gefängnis besuchen wollen. Ob wir bereit sind, Gespräche und Diskussionen über die Klimapolitik zu organisieren.

Aus zahlreichen Begegnungen weiß ich: Das sind keine Spinner. Da geben junge Männer und Frauen, die zum Teil große Karriereerwartungen haben könnten, Lebenszeit dafür her, dass sich die Umweltpolitik grundsätzlich ändert. Und sie betrachten die Kirchen tatsächlich als mögliche Verbündete! In einem Umfeld, in dem die Kirchen kaum gefragt sind, erwarten junge Menschen etwas von ihnen. Das sind wir nicht mehr gewohnt. Dabei war es schon immer eine Aufgabe der Kirche, geschützte Räume zur Verfügung zu stellen: Orte und Gelegenheiten, an denen sicher, gewaltfrei und sachbezogen geredet werden kann. Auch ziviler Ungehorsam hat eine große Tradition in der Kirche. „Man muss Gott mehr gehorchen als den Menschen“, steht in der Bibel (Apg 5,29). Ja, da steht auch, dass wir verpflichtet sind, die staatliche Rechtsordnung zu achten. Deshalb müssen die, die zivile Protestaktionen für geboten halten, gewaltfrei und mit offenem Visier agieren sowie die strafrechtlichen Konsequenzen akzeptieren.

Wir müssen reden, gerade mit denen, die in den Sachfragen anderer Meinung sind. Haben die Kirchen dazu noch die Kraft? Die theologischen Weichen sind lange gestellt. Jetzt muss sich der Zug in Bewegung setzen.

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