Freikirchen in Corona-ZeitenGottvertrauen statt Infektionsschutz

Der Münsteraner Religionssoziologe Detlef Pollack beobachtet bei vielen Freikirchen „eine starke Skepsis gegenüber den staatlichen Maßnahmen“.

Anfang des Monats hat die Polizei im westfälischen Herford den Gottesdienst einer freikirchlichen Gemeinde aufgelöst. Über hundert Gläubige sollen sich drinnen ohne Abstand, ohne Masken versammelt und gemeinsam gesungen haben. Für die Anwesenden gab es Anzeigen wegen Verstoßes gegen das Infektionsschutzgesetz. Der Anwalt der Gemeinde hat die Vorwürfe zurückgewiesen. Ähnliche Fälle wurden zuletzt auch aus Essen und München berichtet.

Der Münsteraner Religionssoziologe Detlef Pollack beobachtet bei vielen Freikirchen „eine starke Skepsis gegenüber den staatlichen Maßnahmen“. Oft werde die eigene religiöse Lehre „über wissenschaftliche und staatliche Autoritäten gestellt“, sagte Pollack. Es gehe diesen Gläubigen darum, besonders ernsthaft religiös zu leben. Auch die Bibel spiele eine herausragende Rolle – bis hin zu einem wörtlichen Verständnis, so Pollack. Aus all dem folge eine Haltung des „Wir lassen uns nicht vorschreiben, was wir zu tun haben. Wir machen uns nicht abhängig von den irdischen Autoritäten“. Gottvertrauen diene als Vorwand, sich dem Gemeinwohl zu verweigern.

Bei russisch-deutschen Freikirchlern komme teils hinzu, dass sie sich gesellschaftlich nicht anerkannt fühlten. Sie hätten dann ein starkes Gefühl, „außerhalb zu stehen“. Scheinbar leiten sie daraus ab, sich nicht an die gesetzliche Ordnung halten zu müssen. Wichtig sei vielen freikirchlich organisierten Christen zudem der persönliche Kontakt mit anderen Gläubigen, erklärte Pollack. „Die Bindung an die eigene Gemeinde ist sehr stark, und die gemeinschaftlichen Zusammenkünfte haben einen höheren Stellenwert als etwa in den beiden großen christlichen Kirchen.“

Pollack legt aber Wert darauf, nicht alle freikirchlichen Gemeinden über einen Kamm zu scheren. Es gebe insgesamt sehr unterschiedliche Ansichten. Einige hätten sich eher zustimmend zu den Corona-Vorgaben aus Politik und Wissenschaft geäußert. Der Soziologe schätzt, dass es in Deutschland knapp eine Million freikirchliche Christen gibt.

Ärgerlich ist es, wenn die Corona-Verstöße einer Minderheit auf alle anderen Christen zurückfallen, egal ob in den Freikirchen oder den Großkirchen. Die katholische und die evangelische Kirche haben von Anfang an staatliche Vorgaben zur Eindämmung der Pandemie befolgt. So führen die Gemeinden etwa Namenslisten, verzichten auf Gesang, beachten die Maskenpflicht und markieren freie Plätze, um den Abstand zu wahren. Einige Pfarreien haben ihre Gottesdienste durch Livestreams auch in die digitale Welt verlegt.

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