Zum Tod von David Dushman (1923-2021)Unser „dritter Tag“

Immer wenn ein Zeitzeuge des Holocaust stirbt, macht das klar: Es liegt an uns, der Schrecken weiter zu gedenken. Dass aus Erinnerung Hoffnung werden kann, wissen gerade Juden und Christen.

© © picture alliance,SZ Photo, Stephan Rumpf

Die Hölle sah David Dushman durch den Seh-Schlitz seines T-34-Panzers: ausgemergelte Menschen zwischen Leichenbergen und Skeletten. Dann walzte der damals 21-jährige Rote-Armee-Soldat mit seiner rollenden Kriegsmaschine den Elektrozaun des Vernichtungslagers Auschwitz-Birkenau nieder. Am 27. Januar 1945 war das – der Tag, den Deutschland 51 Jahre später zum „Tag des Gedenkens an die Opfer des Nationalsozialismus“ erklärten sollte. Man könnte sagen, dass David Dushman Geschichte geschrieben hat, allerdings ohne seinerzeit wirklich zu wissen, was Auschwitz eigentlich war. Und das alles in einem Alter, in dem man heute zwischen Auslandsjahr, Universität und Selbstfindung flottiert, so zumindest der Autor dieser Zeilen. Nun ist Dushman mit 98 Jahren in München gestorben.

Was man nie wieder vergisst

Was für ein Leben: Schon in Stalingrad und Kursk hatte er gekämpft, nach dem Krieg trainierte er die sowjetische Damen-Nationalmannschaft im Fechten, erlebte das Olympia-Attentat 1972 in München auf die israelische Mannschaft. Mit seiner prallen Lebensgeschichte war er bis zum Schluss in Schulen unterwegs, unablässig gedenkend und erinnernd: Nie wieder! Er war der letzte lebende Befreier von Auschwitz.

Dass Erinnern und Gedenken nicht nur historisch-forschend die Vergangenheit in den Blick nehmen, sondern auch ethisch-deutend die Gegenwart und Zukunft prägen sollten, ist eine zutiefst religiöse Einsicht. Der jüdische Festkalender ist voller identitätsbildender Erinnerungen, wie an Pessach jene an den befreienden Auszug aus Ägypten.

Vergangenheit macht Zukunft

Christlich ist es vor allem Jesu Auftrag im Abendmahl „Tut dies zu meinem Gedächtnis“ (1 Kor 11,24; Lk 22,19), der nicht allein Forschungsgegenstand von Exegeten ist, sondern uns heute religiöse Orientierung gibt. Die Liturgie des Karfreitags beginnt bewegend mit den Worten: „Gedenke, Herr, der großen Taten, die dein Erbarmen erwirkt hat“, und mündet schließlich von der Grablegung des Herrn in die Feier seiner Auferweckung „am dritten Tag“. Derselbe Gott, der alles geschaffen hat, ist der Gott, der den geschundenen, toten Jesus zum Leben in Fülle führt – und mit ihm alle Opfer aller Zeiten. Das lässt auch bei uns hoffentlich keinen Stein auf dem anderen: Leben ex memoria passionis (Johann Baptist Metz)! Christliche Religion bleibt nicht beim Nachdenken, sondern ist Nachfolge. Lassen wir das „Nie wieder“ Wahrheit werden.

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