„Strafe muss sein“: Wer Missbrauch vertuscht

Als „deutlichen Fortschritt und richtig gutes Gesetz“ hat der Münsteraner Kirchenrechtler Thomas Schüller die jüngsten Verschärfungen im Kirchenrecht für den Umgang mit Fällen sexueller Gewalt gewürdigt. Papst Franziskus hatte verfügt, dass Priester und Ordensleute jeden Verdacht eines Missbrauchs ihren Vorgesetzten anzeigen müssen. Auch gibt es den neuen Straftatbestand „Vertuschung“: Wenn ein Bischof Meldungen nicht verfolgt, wird er „in der Regel seines Amtes enthoben“, so Schüller.

Die neuen kirchenrechtlichen Regeln gelten ab Juni. Papst Franziskus hat sie in dem Schreiben „Vos estis lux mundi“ (Ihr seid das Licht der Welt) veröffentlicht. Darin heißt es: „Die Verbrechen sexuellen Missbrauchs beleidigen unseren Herrn, verursachen physische, psychische und spirituelle Schäden bei den Opfern und verletzten die Gemeinschaft der Gläubigen.“

Der Münchner Pastoraltheologe Andreas Wollbold erklärte in diesem Zusammenhang, die Kirche müsse „wieder lernen zu strafen“. Bei der letzten Neuformulierung des kirchlichen Gesetzbuches in den achtziger Jahren sei das Strafrecht vernachlässigt worden, schreibt er im „Klerusblatt“. „Viele meinten, Strafen seien einer geistlichen Kirche des Dialogs nicht mehr angemessen.“ Insbesondere in Fällen von Kindesmissbrauch durch Priester habe sich diese Geisteshaltung aber als fatal erwiesen. Die Verantwortlichen hätten zu oft auf konsequente Strafen verzichtet und ließen es mit „Gespräch, Versetzung und Absichtserklärungen genug sein“.

Wollbold zeigt sich überzeugt, dass solche Fälle nach dem früheren Leitfaden innerkirchlicher Strafmaßnahmen von 1917 deutlich anders gehandhabt worden wären: „Wer das alte Strafrecht kennt, weiß, wie streng Vergehen des Klerus bestraft wurden, gerade auch solche unter Ausnutzung seelsorglicher Vertrauens- und Nähesituationen.“ Dabei betont er auch den Anspruch des kirchlichen Gesetzbuches, dem Täter zu einem Neubeginn zu verhelfen. Neben rechtsstaatlichen Regeln, wie der Unschuldsvermutung, müssten moralische Normen beachtet werden: „Strafe muss sein, aber sie muss gerecht sein.“ In besonders schweren Fällen könnte das als Ultima Ratio sogar die Entlassung aus dem Klerikerstand bedeuten.

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