AstronomieDer Fotograf der Sonne

Er akzeptierte die Evolutionstheorie, studierte Mathematik, Physik und Theologie und leitete die vatikanische Sternwarte: Der Jesuit Angelo Secchi, vor 200 Jahren geboren, war ein Mitbegründer der modernen Astrophysik.

Von der biblischen Schöpfungserzählung hatte Angelo Secchi eine großzügige Auffassung: Mit bildhafter, symbolischer Ausdrucksweise versuche das Genesis-Buch, „den Ursprung der Dinge“ verständlich zu machen. Mit „Firmament“ sei der unermessliche Kosmos gemeint, so Secchi, Direktor der päpstlichen Sternwarte in Rom, der vor 200 Jahren geboren wurde. Für den Ordensmann und Wissenschaftler beruhten – wie schon bei Aristoteles – alle Kräfte auf einer ersten Ursache. So führte ihn das Studium der physikalischen Kräfte denn auch „zur Erkenntnis, dass notwendig die unmittelbare Tätigkeit eines Wesens wirksam sein muss“, das über alle Materie „erhaben“ ist. Secchi sah sich als „Teil jener privilegierten Ordnung von intelligenten Geschöpfen …, die da aus der Tiefe der Himmelsräume ihrem Schöpfer ein Loblied singen“.

Die Entwicklung des Lebens nach Charles Darwins Evolutionstheorie ließ der Naturwissenschaftler als eine Möglichkeit gelten. Zugleich wehrte er sich gegen die „Annahme, dass alles ein Erfolg blinder Naturkräfte“ und vom Zufall „gesteuert“ sei. Der Theologe wandte sich gegen die materialistische Ansicht, die Entstehung der Welt sei dank des Fortschritts der Astrophysik ohne Schöpfergott zu erklären. Für Secchi war klar, dass die Welt und der Mensch sich nicht aus eigener Kraft geschaffen haben können.

Aber auch die geozentrische Auffassung, dass der Mensch und die Erde im Mittelpunkt des Kosmos stehen, war dem Astronomen im Jesuitenorden fremd. Viel wahrscheinlicher schien ihm, dass es auch anderswo im Universum Leben geben musste. Zugleich war er von der Einheit des Alls überzeugt, regiert von göttlich inspirierten Naturgesetzen. Der Jesuit wollte den weltanschaulichen Kampf mit Sozialdarwinismus und Marxismus aufnehmen und damit dem Anspruch des Materialismus auf absolute Geltung widersprechen.

Seine wissenschaftliche Karriere verdankte Angelo Secchi seinem Orden. Mit fünfzehn Jahren wurde Secchi Novize. Bald lehrte er Physik und Mathematik am Jesuiten-Kolleg in Loreto. Ohne seine astronomischen Arbeiten zu vernachlässigen, beendete er in Rom sein Theologiestudium und wurde Priester. Als im Revolutionsjahr 1848 die Jesuiten vertrieben wurden, besuchte Secchi moderne Sternwarten des Ordens in England und den Vereinigten Staaten. In Rom machte Papst Pius IX. den Astronomen zum Leiter des Observatoriums, als technisch-wissenschaftlicher Berater des Kirchenstaates.

Auf dem Dach der römischen Jesuitenkirche von Sankt Ignatius konnte der Geistliche ein modernes Observatorium aufbauen. Fortan konzentrierte er sich auf die junge Astrophysik. Die Astronomie hatte mit ihren linsenbestückten Fernrohren vor allem Bewegung und Ort der Gestirne registriert. Mit Hilfe der Astrophysik konnten nun auch die physikalischen Eigenschaften der Sterne und ihre „Lebensgeschichte“ entschlüsselt werden.

Angelo Secchi wagte sich als erster Astrophysiker an die Aufgabe, alle bis dahin bekannten Beobachtungen über die Sonne in einem reich illustrierten Werk zu veröffentlichen. Um seine Erkenntnisse zu dokumentieren, hat er anfangs akribisch Zeichnungen angefertigt. Rasch erkannte er die Bedeutung der Fotografie. Während der totalen Sonnenfinsternis 1860 gelangen ihm hervorragende Bilder. Besonders seine Aufnahmen von Flammen und der Korona in der Sonnenatmosphäre waren sensationell. Zuvor hatte es Skeptiker gegeben, die den „Glorienschein“ für eine Sinnestäuschung hielten. Auch riesige lodernde Gasausbrüche am Sonnenrand, die Hunderttausende von Kilometern weit ins All wirbeln – sogenannte Protuberanzen – fotografierte er.

Mit seinen Mitarbeitern hat der Physiker systematisch Tausende von Sternen untersucht. Mittels eines Linsenteleskops sammelte und vergrößerte er das sichtbare Licht. Durch Prismen wurden die Lichtwellen in ein Farbspektrum aufgespalten, was Rückschlüsse auf die chemischen Elemente der Himmelskörper erlaubte. Secchi war begeistert von der Erkenntnis, dass er die auf der Erde bekannten Grundstoffe im Universum wiederfand. Die Einheit des Universums ließ sich mit Hilfe der Spektralanalyse nachweisen, ebenso Secchis Beobachtungen der Sonne. Er ordnete die Sterne nach Spektraltypen ihres Lichts – seine Klassifikation war die Grundlage für das verfeinerte Harvard-System der Spektroskopie.

Für den Dichter und Arzt Friedrich Schiller war der Kosmos mit seinen Milliarden von Galaxien wie unsere Milchstraße „ein Gedanke Gottes“. Eine Vorstellung, der auch Angelo Secchi zustimmen konnte: Bis zu seinem Tod am 26. Februar 1878 hat er auf dem Dach von Sankt Ignatius an einer wissenschaftlichen Begründung gearbeitet.

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