Gleichberechtigung in der KircheHabemus feminas

Die einen sammeln theologische Argumente für die Priesterweihe von Frauen. Die anderen pilgern nach Rom und setzen so ein Zeichen. Die Gleichberechtigung in der Kirche wird zu einer Schicksalsfrage.

Dürfen Frauen wählen? Eine solche Frage kommt einem heute reichlich absurd vor. Wie sollte es denn anders sein! Dennoch gewährte vor rund hundert Jahren in Europa gerade einmal Finnland seinen Bürgerinnen dieses Menschenrecht. Um gegen die Benachteiligung von Frauen zu protestieren, ist damals in sozialistischen Kreisen die Idee für den Weltfrauentag entstanden. Heute ist er längst Allgemeingut. Jedes Jahr, immer am 8. März, fordern Frauen ihre Rechte ein: in Politik, Gesellschaft und Wirtschaft.

Die Themen haben sich verändert, aber es gibt leider immer noch genug davon. Die „Bundeszentrale für politische Bildung“ erinnert aktuell etwa an die Diskriminierung von Frauen in der Arbeitswelt. In Deutschland erhalten sie für vergleichbare Arbeit fast ein Viertel weniger Geld als Männer. Und auch in den Chefetagen der Betriebe sind sie deutlich seltener vertreten. Die aktuelle „Me too“-Debatte lenkt den Blick auf ein weiteres Problemfeld: Immer noch sind Frauen von Machtmissbrauch und sexualisierter Gewalt betroffen.

Und in der Kirche? In der katholischen und orthodoxen Christenheit gibt es bis heute manche Regelung, die – nicht nur – Außenstehende so seltsam wie die Frage nach dem Wahlrecht für Frauen empfinden. „Die heilige Weihe empfängt gültig nur ein getaufter Mann“, heißt es etwa im Gesetzbuch der katholischen Kirche. Frauen sind damit vom sakramentalen Dienstamt ausgeschlossen. Daraus folgt zudem, dass sie auch keine entsprechende Leitungsaufgabe übernehmen können. Denn die ist laut Kirchenrecht ebenfalls den Geweihten, also den Männern, vorbehalten.

Eine solche Haltung löst bei vielen nur noch Kopfschütteln aus. Sie widerspricht allem, was man biologisch, medizinisch, psychologisch, soziologisch – anthropologisch – über die Geschlechter, auch in ihrer Differenzierung, weiß. Mann und Frau sind gleichwertig, im religiösen Sinn gleich vor Gott und müssen daher auch gleichberechtigt sein. Auch die traditionellen theologischen „Argumente“, die zum Beispiel in überholten typologischen Denkmustern für eine Zurücksetzung der Frau ins Feld geführt werden, lassen sich angesichts der geballten Macht wissenschaftlicher Argumente und faktischer Lebensverhältnisse nicht mehr halten (vgl. CIG Nr. 45/2017, S. 491). Das hat Hans Küng bereits in den siebziger Jahren und 2001 nochmals zusammengefasst in seinem Buch „Die Frau im Christentum“ hinreichend belegt. Zudem gilt: „Die in der Tradition vorfindbaren Gründe für den Ausschluss der Frau (durch das Weib kam die Sünde in die Welt; die Frau wurde als zweite erschaffen; die Frau ist nicht nach dem Bilde Gottes erschaffen; die Frau ist kein volles Mitglied der Kirche; Menstruationstabu) können sich nicht auf Jesus berufen.“ Dass dieser zum Beispiel ausschließlich Männer in seinen Zwölferkreis aufgenommen hat, mag eine geschichtliche Tatsache sein – „So war es“. Daraus lässt sich aber kein Jesus-Programm, keine übergeschichtliche theologische Wahrheit ableiten – kein „So muss es sein“.

Männer und Juden

„Wer aus der Tatsache, dass Jesus ein Mann war und nur Männer als Jünger berufen hat, folgert, dass darum auch nur Männer ordiniert oder geweiht werden können, handelt sich damit das Problem ein, dass auch andere Eigenschaften, die bei Jesus oder seinen Jüngern ausnahmslos anzutreffen sind, zu Kriterien für Ordination und Weihe werden (können)“, schreibt zutreffend der evangelische Theologe Wilfried Härle in einem neuen Buch „Von Christus beauftragt“ (vgl. CIG Nr. 6, S. 70). Das mit Abstand wichtigste Merkmal Jesu und seiner Jünger ist – noch vor ihrem Mann-Sein –, dass sie alle Juden waren. Das aber hatte und hat zu Recht keine Folgen für die Anforderungen ans heutige geistliche Amt.

Zu fragen wäre im Übrigen auch, ob Jesus überhaupt einen Typus von Priestertum im Blick gehabt haben konnte, wie er sich bis ins Mittelalter herausgebildet und bis heute nochmals verändert hat. Das jüdische „Tempelpriestertum“ schien ihm jedenfalls reichlich fremd gewesen zu sein, das heidnische Kult-Opfer-Priestertum erst recht.

Jesus selbst hat zu seinen Lebzeiten wohl tatsächlich keine Frauen mit der Verkündigung beauftragt und ausgesandt. Aber er hat dies auch nicht ausgeschlossen. Sein wertschätzender, wohlwollender Umgang legt es ganz und gar nicht nahe, dass Jesus etwas gegen Frauen in verantwortlicher Position in seiner „Bewegung“ gehabt hätte. Wäre es so gewesen, müsste man manche seiner Predigten umschreiben, vor allem das Gleichnis von den Arbeitern im Weinberg, das stets für die Begründung des geistlichen – priesterlichen – Amts durch Jesus selbst mit herangezogen wird. Wie schräg und falsch sich dieser Text als Ausschluss- und Verbotsgleichnis anhören würde, hat der Kölner katholische Schriftsteller und Theologe Karl Josef Kassing einmal in seinem Buch „Die Arbeiterinnen im Weinberg“ (Fohrmann Verlag, Köln 2016) durchgespielt. In einer solchen bloß männlichen Sicht hätte Jesus auf die Bitte der Frauen, ebenfalls im Weinberg arbeiten zu dürfen, vielleicht gesagt: „Es tut mir leid: Die Arbeit der Männer könnt ihr nicht tun… Ihr könnt die Schafe und Ziegen hüten, damit sie nicht in den Weinberg geraten. Ihr könnt das Essen für die Männer zubereiten und ihnen in den Weinberg bringen. Und ihr Arbeitszeug muss ja auch in Ordnung gehalten und gewaschen werden.“ Wenn man das in dieser Form liest, wird klar, dass ein solch „alternatives Evangelium“ wirklich wie Fake news wäre, nicht vereinbar mit der Verkündigung Jesu.

Nach der Auferweckung Jesu war die Situation ohnehin eine komplett andere als vorösterlich, wie Wilfried Härle erinnert. Laut der Darstellung aller Evangelien empfingen Frauen als Erste die Osterbotschaft und begegneten dem Auferstandenen. Wo es also um das Zentrum des christlichen Glaubens geht, stehen von Anfang an Frauen mit dem auferstandenen Christus im Mittelpunkt. „In dieser Vollendungsgestalt wird das Evangelium den Frauen als Verkündigungsinhalt und -auftrag an die Adresse der (männlichen) Jünger aufgetragen – und zwar vom Auferstandenen selbst“, erläutert Wilfried Härle: „An dieser Tatsache kann keine Argumentation gegen die Frauenordination vorbeigehen.“

Päpstliches Nein, quasi-unfehlbar

Der Theologe Klaus P. Fischer wies zudem vor kurzem im CIG (Nr. 53/2017, S. 582) darauf hin, dass der Priester am Altar „in persona Christi“ handelt – und nicht „in persona Jesu“. Er repräsentiert als Vorsteher der eucharistischen Feier also nicht den irdischen Jesus, den Mann, sondern er steht für den auferstandenen Christus, der jeden Geschlechterunterschied übersteigt. Auch diese Argumentationslinie spricht also für und nicht gegen die Weihe von Frauen.

All diesen Erkenntnissen verweigert sich das kirchliche Lehramt jedoch hartnäckig. Nach wie vor erstickt die quasi-unfehlbare Aussage von Papst Johannes Paul II. aus dem Jahr 1994 jegliche Diskussion über ein sakramentales geistliches Amt für Frauen im Keim. Die Kirche habe „keinerlei Vollmacht …, Frauen die Priesterweihe zu spenden“, schrieb er. Alle Gläubigen hätten sich „endgültig an diese Entscheidung zu halten“. Auch Papst Franziskus weicht trotz vieler freundlicher Äußerungen nicht von dieser Linie ab. „Frauen können nicht Priester sein“, erklärte er knapp und unmissverständlich.

Ohne Frauen über Frauen

Selbst wenn man den Blick weiter fasst als nur auf die Weihe für Frauen, sieht man vor allem Defizite, was die Gleichberechtigung in der katholischen Kirche betrifft. Soeben machte ein Artikel von Ordensfrauen Schlagzeilen. Sie erzählen in einem Magazin der Vatikanzeitung „Osservatore Romano“, wie übel ihnen zum Teil in der Kirche mitgespielt wird. Kleriker würden sie vielfach wie niedere Bedienstete behandeln. Dahinter stecke oft die Vorstellung, „dass ein Priester alles und eine Nonne nichts ist“, heißt es in dem Beitrag. Ein weiteres aktuelles – und vor allem kurioses – Beispiel für die Benachteiligung von Frauen ist die jüngste Sitzung der päpstlichen Lateinamerika-Kommission. Dabei ging es um „die Frau als Säule der Kirche und Gesellschaft in Lateinamerika“. Das hört sich gut an. Aber nur so lange, bis man sich vergegenwärtigt, dass das Gremium ausschließlich aus Kardinälen und Bischöfen besteht. Immerhin wurden einige Frauen aus der Region zur Sitzung hinzugebeten.

Wie kann man mit dieser Spannung umgehen? Viele Frauen geben auf und kehren der Kirche längst den Rücken. Schon Hans Küng beklagte vor langem „den … stetigen resignierten Auszug der Frauen und der Jugend“. Daran hat sich nichts geändert. Wer sich in den meisten Sonntagsgottesdiensten umschaut, stellt fest, dass mit der jüngeren und mittleren Generation meistens auch die Frauen fehlen. „Jüngere Frauen, die der Männerclub stört, protestieren nicht mehr. Sie verabschieden sich still aus der katholischen Kirche, ohne wütende Resolution. Die Kirche ist nicht einmal mehr Empörung wert.“ Das sagt Christiane Florin, Redakteurin beim „Deutschlandfunk“, in ihrem Buch „Weiberaufstand“ über die für viele moderne Frauen grundsätzlich bedrückende Perspektive – die sich auch durch die Einsetzung einiger Ordinariatsrätinnen nicht „aufhübschen“ lässt.

Wer sich nicht zurückzieht, dem beziehungsweise der muss wirklich etwas an der Kirche, am Fortbestand und an der Zukunftsfähigkeit des christlichen Glaubens liegen. Solche Frauen werden nicht müde, trotz aller Rückschläge immer wieder all die theologischen Argumente ins Feld zu führen, die für den Zugang von Frauen zu allen kirchlichen Ämtern sprechen. Im Dezember gab es einen wissenschaftlichen ökumenischen Kongress in Osnabrück zu dem Thema. Am Ende wurden sieben Thesen verabschiedet. Eine lautet: „Nicht der Zugang von Frauen zu den kirchlichen Diensten und Ämtern ist begründungspflichtig, sondern deren Ausschluss.“ Dieser Ansatz nimmt geschichtliches Denken ernst: Die derzeitige Ämterstruktur hat sich unter verschiedensten Einflüssen historisch entwickelt und ist nicht einfach gottgegeben. Geschichtliches aber ist im Fluss, es verändert sich und muss auch aktiv verändert werden.

Auch die CIG-Redaktion hatte im letzten Herbst Thesen zur Erneuerung des christlichen Glaubens vorgelegt (CIG Nr. 44/2017, S. 483). Sie werden seither vielerorts diskutiert. Zustimmung äußern Leserinnen und Leser dabei insbesondere zu These 6, in der es heißt: „Jesus hatte Jüngerinnen und Jünger. Die Kirche wurde von Apostelinnen und Aposteln inspiriert, bewegt und geleitet. Dennoch meinen Kirchenleitungen immer noch, auf die Charismen der Hälfte der Menschheit … verzichten zu können… Es genügt nicht, Frauen mit Ämtern zweiter Wichtigkeit wie dem neu zu suchenden Diakoninnenamt zu vertrösten. Daher: Zugang für Frauen zu allen kirchlichen Ämtern!“

Vielleicht helfen ja auch Zeichenhandlungen weiter, wie sie Gläubige aus der Schweiz vor einem Jahr gemacht haben. „Jahrzehntelang haben Frauen und Männer gekämpft und sind damit nur gegen Mauern gelaufen“, sagt Irene Gassmann. Sie steht dem berühmten Benediktinerinnenkloster in Fahr vor, jenem besonderen Ort vor den Toren Zürichs, an dem die dichtende Ordensfrau Silja Walter (1919–2011) lebte. Mit einigen Mitstreiterinnen – in dem Fall wohl besser gesagt: Weggefährtinnen – versucht Priorin Irene Gassmann, das Thema auf andere Art und Weise voranzubringen. Die Gruppe „Kirche mit* Frauen“ ist 1200 Kilometer von Sankt Gallen nach Rom gepilgert, um dort das Anliegen einer geschwisterlichen Kirche vorzutragen (Infos unter www.kirche-mit.ch).

In Treue kreativ sein

Die Initiative der Schweizer Frauen und Männer war kein „Marsch auf Rom“. Entsprechend forderten die Teilnehmer nichts Umstürzlerisches, keine Revolution – auch wenn der beeindruckende Dokumentarfilm, der über den Pilgerweg entstanden ist, sehr effektvoll einsteigt. Er beginnt nämlich mit dem markigen Zitat: „Annuntio vobis gaudium magnum“ (Ich verkünde euch eine große Freude). Mit diesen Worten stellt laut vatikanischem Protokoll der Kardinalprotodiakon den Gläubigen auf dem Petersplatz einen neu gewählten Papst vor. Doch im Film folgt nach dem Eingangssatz nicht das „Habemus Papam“ (Wir haben einen Papst), sondern „Habemus feminas!“ – Wir haben Frauen. Das soll nicht etwa den Anspruch auf eine bestimmte Päpstin ausdrücken, sondern es spielt mit dem Motiv, dass auch manche Papstwahl eine Überraschung, eine Entdeckung bringt. Die Priorin erklärt: „Wir hatten keine Liste mit Forderungen zur ‚Frauenfrage‘. Wir wollten einfach zeigen, dass wir bereit sind, gemeinsam die Zukunft der Kirche zu gestalten.“

Die Ordensfrau steht wie keine andere für den besonderen Charakter, die eigene Herangehensweise der Schweizer Initiative. Irene Gassmann trat vor mehr als drei Jahrzehnten ins Kloster Fahr ein, 2003 wurde sie zur Priorin gewählt, seit 2006 trägt sie auch die unternehmerische Verantwortung für die klostereigenen Wirtschaftsbetriebe. Rechtlich untersteht Fahr dem Männerkloster Einsiedeln, tatsächlich aber genießen die Benediktinerinnen eine weitgehende Autonomie, regeln die Frauen ihr Zusammenleben überwiegend selbst.

Als Vorsteherin verfügt Irene Gassmann über Leitungsvollmacht. Sie hat damit etwas, was sich viele – nicht nur Frauen – in der Kirche wünschen. Dennoch stößt auch sie immer wieder an eine gläserne Decke, etwa wenn es darum geht, ältere Mitschwestern auf der letzten Wegstrecke ihres Lebens zu begleiten. Ihnen kann die Priorin in fast jeder Weise beistehen. Aber das tröstende Sakrament der Krankensalbung darf sie ihnen laut Kirchenrecht nicht spenden, dazu müsste sie einen Priester „einfliegen“ lassen. Das ist nur bedingt sinnvoll, schließlich stehen sich die Schwestern untereinander näher. Und es ist auch angesichts des Priestermangels nicht immer gleich möglich. Warum, so überlegt die Priorin, dürfen Frauengemeinschaften nicht eine Schwester aus ihrem Kreis bestimmen, die das Sakrament offiziell spenden darf?

Papst Franziskus ermutige immer wieder, in Treue zur Kirche kreative Lösungen zu entwickeln. Die Beauftragung zur Krankensalbung könnte solch ein Schritt sein. Er würde keinen Bruch bedeuten, aber die Koordinaten innerhalb des Systems verschieben. Die Kirche könnte so „Erfahrungen mit weiblicher Sakramentalität“ machen und dann weitergehen.

Hans Küng zeigte sich einst in seinem Buch „Die Frau im Christentum“ verhalten optimistisch, was die „Frauenfrage“ betrifft. Selbst ein uneinsichtiges Lehramt werde „früher oder später den Kampf gegen die Gleichberechtigung der Frau ebenso verlieren wie den gegen die ‚Hexen‘ oder den gegen Demokratie und Menschenrechte.“ Bis es soweit ist, scheint es allerdings noch ein weiter Weg zu sein. Und wieder drängt sich der Vergleich mit dem Frauenwahlrecht auf. In der Schweiz war es auch erst 1971 für alle Kantone eingeführt.

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