Die anstrengende Babyzeit ist vorüber, das Leben zu dritt hat sich halbwegs eingespielt. Angesichts der neuen Aufgaben und Rollen stellen sich Eltern spätestens jetzt die Frage: Wo bleiben wir als Paar, wo bleibt unsere Liebe, was wird aus unserer Sexualität? „In den Wochen und Monaten nach der Geburt war Sex für mich und meinen Mann überhaupt kein Thema“, erzählt Andrea Bohlmann*. Schon alleine, weil sie wie viele Frauen unter den Folgen eines Dammschnitts litt und mit der Hormonumstellung kämpfte. „Danach wird sich die Lust schon wieder einstellen, hatte unsere Hebamme gesagt.“ Tat sie aber nicht. Es war immer so viel los tagsüber, und abends schliefen sie und ihr Mann oft schon auf dem Sofa ein. „Alles ganz normal“, findet Psychotherapeut Josef Zimmermann, Leiter der Katholischen Erziehungs- und Familienberatungsstelle in Köln. Einen Rhythmus finden, Freiheiten und Freizeiten neu organisieren, das brauche seine Zeit. „Außerdem sind aus zwei Partnern jetzt Eltern
geworden, die Verantwortung tragen. Die Herausforderung liegt deshalb darin, Eltern zu sein und gleichzeitig Paar zu bleiben“, sagt Zimmermann.
Was ist normal?
Wenig Schlaf, ständiger Zeitmangel durch den Spagat zwischen Arbeit, Kita, Haushalt und Sozialleben oder die gefühlte fehlende Anerkennung für den Elternteil, der Elternzeit nimmt: Es gibt viele Gründe, warum die Lust aufeinander und der Spaß am Sex auf der Strecke bleiben. Solange beide Partner dann mit Gelegenheitssex oder phasenweiser Abstinenz leben können, ist das
auch kein Problem. Schwierig wird es dann, wenn jahrelang Flaute herrscht oder einer unter der Situation leidet. In Lifestyle-Zeitschriften verbreitete Zahlen, wie viel Sex normal und gut sei, oder die Erzählungen anderer Paare von ihrem scheinbar grandiosen Liebesleben – beides übt auf viele Eltern weiteren Druck aus. Häufen sich die Konflikte und kann ein Paar nicht mehr
konstruktiv miteinander reden, kann der Gang in eine Beratungsstelle helfen. „Viele Paare sind erst einmal ungemein erleichtert, wenn sie erfahren, dass es anderen genauso geht“, berichtet Sabine Földi, Ärztin und Sexualberaterin bei pro familia in Köln. Oft rät sie Paaren, ihre ohnehin schon hohen Ansprüche an sich im Beruf und in der Elternrolle nicht auch noch auf ihr Sexualleben zu übertragen. Neben der Analyse der Ist-Situation und Moderation von Gesprächen gibt die Sexualberaterin
Paaren auch „Hausaufgaben“ auf den Weg. „In einer Art Vertrag legen die Partner zum Beispiel einen Termin fest, an dem das Kind von jemand anderem betreut wird und sich Mann und Frau nur als Paar treffen. Später werden die Begegnungen auf Streicheleinheiten und das Wiederentdecken des Empfindens bei sich und dem anderen ausgedehnt, bis einer ‚Stopp‘ sagt. Alleine
schon, um überhaupt wieder den Körper erleben zu können“, sagt Földi. Wichtig ist auch, dass Elternpaare lernen, über ihre körperlichen Bedürfnisse zu reden. Dabei stellt vielleicht der „lustlosere“ Partner von beiden fest, dass der andere körperliche Nähe sehr wohl genießen kann, ohne gleich zur Sache zu kommen.
Durch Distanz entsteht neue Nähe
Auch Andrea Bohlmann und ihr Mann haben eine Familienberatungsstelle aufgesucht, weil sie sich nur noch als Eltern definierten. „Ich habe tagsüber schon so viel Wärme von Laura bekommen, dass ich abends einfach keine weiteren Zärtlichkeiten mehr brauchte“, erzählt die Mutter einer 4-jährigen Tochter. Auf Anraten ihrer Beraterin verbrachte sie ein Wochenende in einem
Wellnesshotel, während sich ihr Mann um die Tochter kümmerte. „Das war eine tolle Erfahrung: Ich hatte die Wohnung als Mutter verlassen, und kehrte als Frau und Partnerin heim. Mein Mann war zwar geschafft, schien aber weniger erschöpft als nach Wochenenden zu dritt“, erinnert sie sich. Und vor allem sehr erfreut, seine strahlende Andrea wiederzusehen. Es folgte eine Liebesnacht, wie sie sie schon lange nicht mehr erlebt hatten. Gerade in den Beziehungen junger Eltern scheint also von Zeit zu Zeit ein bisschen Distanz nötig, um einander wieder nah zu sein.