Wann kommt Papa?Neue Väter braucht das Land

Nur wenige Männer stecken beruflich zurück um sich um ihre Kinder zu kümmer

Neue Väter braucht das Land
Besser früh klären: Wie teilen wir die Familienarbeit auf? © plainpicture

Kochen, waschen, die Kinder versorgen und nebenbei Karriere machen: Die „neuen Väter“ geistern spätestens seit Einführung des Elterngeldes durch Zeitungen und TVSendungen. Selbst in der Werbung sind Windeln wechselnde Männer mittlerweile eine Selbstverständlichkeit. Hat also – wenn schon nicht in den Chefetagen der DAX-Konzerne – dann wenigstens zu Hause im Privatleben die Gleichberechtigung gesiegt?

Stefan Lange passt auf den ersten Blick in das Bild vom neuen Vater. Geduldig kümmert er sich an diesem Freitag um seine Töchter Frieda und Marlene. Die fünf und sieben Jahre alten Mädchen toben rastlos um ihn herum. Normalerweise aber arbeitet der Bauingenieur Vollzeit und kommt erst nach Hause, wenn die Kinder schon fast im Bett sind. Morgens muss er los, bevor seine Töchter in Kindergarten und Schule gebracht werden. Das übernimmt Stefans Frau Susanne. Die Büroassistentin arbeitet seit ihrem Wiedereinstieg nach der Elternzeit nur noch 27 Stunden pro Woche.

Damit liegt die Leipziger Familie im deutschen Durchschnitt. Fast jede zweite berufstätige Frau (45,4 Prozent) arbeitet hierzulande Teilzeit, aber nur 9,5 Prozent der Männer – so die Daten des Statistischen Bundesamtes für 2013. Und das trotz eines deutlichen Mentalitätswandels im Vergleich zur derzeitigen Großelterngeneration: Die meisten jungen Paare von heute teilen am Anfang ihrer Beziehung berufliche Belastung und Hausarbeit gleichberechtigt auf.

Kuschel-Papa und Ernährer

Nach der Geburt des ersten Kindes aber, das haben Sozialwissenschaftler in mehreren Studien festgestellt, fallen viele Paare in die traditionelle Rollenverteilung zurück: Die Frau stellt ihren Beruf zugunsten der Familie zurück, während der Mann weiter an seiner Karriere bastelt. Dennoch sehen Forscher die Geschlechterrollen im Wandel. „Viele Väter übernehmen heutzutage mehr Verantwortung für das Wohl ihrer Kinder als in früheren Generationen“, sagt der Evolutionspsychologe Prof. Harald Euler, der am europäischen Väterforschungsprojekt CENOF der Universität Wien mitarbeitet. Am deutlichsten zeige sich das in den gestiegenen Zahlen zur Elternzeit. Fast 30 Prozent der Väter setzen mittlerweile nach der Geburt ihres Kindes eine Zeit lang im Beruf aus. Bei Einführung des neuen Elterngeldes 2007 waren es nur zwölf Prozent.

Das Selbstverständnis der Väter hat sich gewandelt: Laut einer Forsa-Umfrage aus diesem Jahr definieren sie sich heute nicht mehr ausschließlich als Ernährer der Familie, sondern wollen möglichst viel Zeit mit ihren Kindern verbringen und an deren Alltag teilhaben. Gleichzeitig wollen sie allerdings beruflich nicht zurückstecken und halten an der Vollzeitbeschäftigung fest.

Auch Stefan Lange blieb nach der Geburt beider Töchter jeweils drei Monate lang zu Hause. „Ich hatte mir vorgenommen, viel Zeit mit meinen Kindern zu verbringen und dafür auch Abstriche im Beruf zu machen“, sagt der 39-Jährige. Er wollte kein abwesender Vater sein, wie er ihn selbst als Kind erlebt hatte. Zumal Stefan davon überzeugt ist, dass Kinder auch männliche Bezugspersonen brauchen.

Traditionelle Rollen fest verankert

Im Berliner Stadtteil Prenzlauer Berg, einer der geburtenstärksten Gegenden der Bundesrepublik, tummeln sich zwar noch immer mehrheitlich Mütter mit Kindern auf den überfüllten Spielplätzen. Aber auch einige Väter sitzen ganz selbstverständlich am Rande der Buddelkästen. Manche von ihnen treffen sich regelmäßig im „Papaladen“ um die Ecke. Hier gibt es Beratungsangebote und gerade für junge Väter die Möglichkeit, andere Männer mit Kindern zu treffen. „Wer zu uns kommt, nimmt meist mehr als zwei Monate Elternzeit“, sagt Leiter Eberhard Schäfer. „Weil er bewusst mehr Zeit mit seinen Kindern verbringen will und sich darauf auch mit seiner Partnerin geeinigt hat.“

Gesamtgesellschaftlich ist das allerdings nach wie vor die Ausnahme. 2012 bezogen 640.000 Mütter und immerhin gut 194.000 Väter Elterngeld. Knapp 80 Prozent von ihnen aber wählten nur den Mindestzeitraum von zwei Monaten. Nur dann verlängert sich der gesetzliche Anspruch auf den staatlichen Zuschlag von zwölf auf 14 Monate. Bei diesen acht Wochen Familienzeit für die Väter bleibt es dann in der Regel. Die Verteilung von Erwerbs- und Erziehungsarbeit erfolgt danach klassisch: Vollzeitjob für den Vater, Teilzeit plus Kinder für die Mutter. Das ist für viele Familien schon allein deshalb lukrativer, weil die Frauen weniger verdienen als ihre Männer. Die finanziellen Einbußen sind dann geringer. Hier zementiert der Arbeitsmarkt das klassische Familienmodell.

„Die traditionelle Rollenverteilung ist in der jungen Elterngeneration noch überraschend fest verankert“, stellt auch Schäfer vom Papaladen fest. Das fängt oft schon bei der Aufteilung der Elternzeit an. „Viele Paare reden vor der Geburt erstaunlich wenig darüber. Mütter wollen oft gerne zwölf Monate nehmen, und die Männer trauen sich nicht, mehr Zeit für sich einzufordern.“ So schleift sich schon gleich nach der Geburt die entsprechende Rollenverteilung ein. Auch im Hinblick auf den Beruf hat Schäfer einen vorauseilenden Gehorsam beobachtet. „Viele Männer sagen von vornherein, sie würden im Job benachteiligt, wenn sie länger Elternzeit nehmen. Die fragen ihren Chef erst gar nicht.“ Dabei werde die Auszeit mittlerweile in vielen Betrieben akzeptiert.

Mütter wollen auch nicht abgeben

Harald Euler vom Wiener Väterforschungsprojekt sieht dafür allerdings auch psychologische Ursachen. Als Beispiel nennt er die Kibbuz-Bewegung in Israel. Die erste Generation der Aktivisten habe noch ein Modell gelebt, bei dem Männer und Frauen gleichberechtigt für alle Arbeiten in der Landwirtschaftskommune zuständig gewesen seien. Die Kinder wurden von Betreuern aufgezogen. Schon in der zweiten Generation hätten die Frauen aufbegehrt, weil sie selbst den Nachwuchs aufziehen und öfter im Haus arbeiten statt Traktor fahren wollten.

„Die Grundneigung, sich gerne um ein kleines Kind zu kümmern, ist bei Frauen eben viel ausgeprägter als bei Männern“, schlussfolgert der Psychologe. „Es gibt sogar Frauen, die wollen die zentrale Aufgabe der Mütterlichkeit gar nicht an andere Personen abgeben, auch nicht an ihren Mann.“

Der viel beschworene „neue Vater“ ist also bisher eher Sonderfall denn Regel. „Heiße Luft“ nennt Euler die Debatte darum – auch wenn der Kinderwagen schiebende Mann heutzutage zum normalen Stadtbild gehört. Allerdings wird es mehrere Generationen dauern, bis sich die Mentalität in der Frage der Kinderbetreuung grundlegend ändert. „Der Fortschritt ist eben eine Schnecke“, sagt Euler.

kizz sprach mit Prof. Julius Kuhl vom Institut für Psychologie an der Universität Osnabrück

Welche Rolle spielen Väter bei der Entwicklung von Kindern?

Die Forschung zu diesem Thema steht noch am Anfang. Grundsätzlich sind Mutter und Vater gleichermaßen wichtig für die Entwicklung der Kinder. Väter scheinen aber besonders gefragt, wenn es darum geht, Kinder ab dem zweiten, dritten Lebensjahr beim Aneignen von Fähigkeiten zu ermutigen. Das gilt besonders bei Wettbewerbsspielen, die für die Entwicklung der Leistungsmotivation von Bedeutung sind. Da sollten Väter die Mutmacher, Unterstützer und Mitspieler sein. Das ist nach unseren Befunden für Söhne noch wichtiger als für Töchter. Und zwar besonders dann, wenn es um Prozesse der Identifikation geht.

Fehlt Kindern etwas, wenn der Vater in Vollzeit berufstätig ist?

Im ersten Lebensjahr ist die Dauer der Beschäftigung mit den Kindern wichtig. Das ändert sich später. Dann kommt es vor allem auf die Qualität an. Dass sich der Vater dann, wenn er da ist, dem Kind auch emotional zuwendet. Das ist wichtiger, als jeden Tag um vier Uhr zu Hause präsent zu sein. Problematisch wird es erst, wenn Kinder nie solche Erfahrungen machen können – oder wenn die emotionale Bindung zum Vater unsicher ist.

Fehlt Kindern heute die strenge, fordernde Seite, die früher traditionell von den Männern besetzt wurde?

Es gibt viele Beispiele, in denen der weiche, verständnisvolle Vater positiven Einfluss auf die Entwicklung seiner Kinder, auch seiner Söhne, nimmt. Es gibt aber auch temperamentvolle Kinder – vor allem Jungen –, die zuweilen eine klare Zurechtweisung brauchen. Da sollten Väter durchaus Grenzen setzen und klare Kante zeigen. Eltern können ruhig mit den Rollenbildern spielen. So kann ein Vater seine warmherzigen Seiten ausprobieren und schauen, wie es ihm und seinem Kind damit geht.

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