Eltern sind Experten für ihr Kind!Ein Kommentar von Lothar Klein

Eltern wollen ihr Kind unbedingt einschulen lassen, die Erzieherin empfiehlt dagegen, noch zu warten. Bei einem anderen Kind ver mutet sie eine Entwicklungsstörung, aber die Eltern unternehmen nichts. Sind diese Eltern Experten für ihr Kind?

Um es klar zu sagen: Eltern sind immer Ersterzieher und Experten für ihre Familie und ihr Kind und müssen das letzte Wort haben. Für diese Grundregel gibt es nur eine Einschränkung, und zwar wenn der Verdacht auf Kindeswohlgefährdung nach §8a KJHG (SGB VIII) vorliegt.
Doch um welches Expertentum geht es? Erzieher/-innen sind selbstverständlich Expert(inn)en für die Entwicklung, Bildung und Begleitung von Kindern sowie für das Geschehen in der Kita. Sie sind Fachleute für die Gestaltung des Kontakts zu Eltern und wissen, was gute Kommunikation braucht. Das haben sie gelernt, das ist ihr Beruf. In dieser Hinsicht sind sie der professionelle Teil in der Beziehung zwischen Eltern und Kita.
Eltern wiederum sind Experten für ihre Familie und für ihr Kind. Sie allein wissen, welche Lebensweise die Familie bevorzugt, was die Familienmitglieder voneinander erwarten, welche Rituale und Traditionen für sie wichtig sind usw. Nur sie können Auskunft geben, was eine Entscheidung für das Kind bzw. die Familie bedeutet. Ohne Eltern kann im Zweifelsfall gar keine Lösung gefunden werden, jedenfalls keine, die auf Dauer trägt. Erzieher/ -innen sind auf das Expertentum der Eltern angewiesen, denn nur diese wissen, was sie an Belastung verkraften und was nicht. Treffen Eltern und Erzieher/-innen aufeinander, so begegnen sich Experten mit unterschiedlichen Kompetenzen.
Aus systemischer Sicht wissen wir, dass Erzieher/-innen nie nur mit Mutter oder Vater sprechen. Immer haben Eltern ihre Familie im Gepäck. Selbst wenn ich die vor mir sitzende Mutter mit meinen Argumenten überzeuge, weiß ich noch lange nicht, wie die Familie darauf reagiert. So kann es passieren, dass die Mutter dem Rat, noch ein Jahr bis zur Einschulung zu warten, zunächst zustimmt, ihr zu Hause dann aber erhebliche Zweifel kommen. Plötzlich stehen unter Umständen finanzielle Fragen im Raum (noch ein Jahr Kita-Beitrag) oder Fragen der „Elternehre“ („was haben wir falsch gemacht?“), Zweifel anderer Familienmitglieder („da hast du dir aber was aufschwatzen lassen“) oder Tränen des Kindes, weil es nicht mit der besten Freundin zusammen in die Schule kommt. Findet all das keinen Platz im Gespräch, kann gut gemeinter Rat der professionellen Seite schnell verpuffen.
Eltern müssen immer als Experten angesprochen werden. Für Fachkräfte darf das kein rhetorischer Trick sein, um den Eltern Informationen zu entlocken. Letztlich sind sie es, die ein Leben lang für wichtige Entscheidungen geradestehen müssen. Was spricht also dagegen, (Problem-)Gespräche mit Eltern in fünf Schritten anzugehen?

  1. Eltern anregen, zu schildern, wie sie das, worum es geht, erleben,
  2. Eltern um Einwilligung bitten, selbst auch etwas aus Kita-Perspektive beizutragen,
  3. ein vorhandenes Problem als gemeinsames Problem definieren,
  4. Eltern nach ihrer Sichtweise fragen, die eigene nicht dagegen-, sondern danebenstellen,
  5. den Willen der Eltern in jedem Fall respektieren und das auch aussprechen.

Letztlich kommt es darauf an, wonach Erzieher/-innen Eltern fragen.

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