Zur Geschichte der FrauenordinationÖkumenischer Affront

Auch in den Kirchen der Reformation wurde die Ordination von Frauen jahrzehntelang abgelehnt. Erst in den Sechzigerjahren begann ein Umdenken, das die katholische Kirche zunehmend unter Druck setzt.

Bis in die jüngste Vergangenheit hinein haben fast alle christlichen Kirchen das Weiheamt Männern vorbehalten, die wenigen Ausnahmen, die sich nachweisen lassen, stammen zumeist aus Freikirchen und kirchlichen Bewegungen, nur selten aus den klassischen Kirchen und Konfessionen. Das gilt auch für die Kirchen der Reformation, die, unbeschadet ihrer theologischen Überzeugung, dass die Gestaltung der Ämter in der Vollmacht der Kirche liegt und die Ordination in der Regel nicht als Sakrament verstanden wird, nicht von dieser Praxis abgewichen sind.

Die Ablehnung der Frauenordination wurde über Jahrhunderte hinweg kaum in Frage gestellt. Auch in den Kirchen der Reformation wurden mit sehr wenigen Ausnahmen nur Männer zu Pastoren ordiniert, ihnen waren damit auch die höheren Kirchenämter vorbehalten. Geändert hat sich diese Praxis schrittweise, vor allem seit den Sechzigerjahren des 20. Jahrhunderts. Im Kontext der Frauenemanzipation erschien sie mehr und mehr als fragwürdig, die Gründe, die man herkömmlicherweise gegen die Ordination von Frauen anführte, erwiesen sich als immer weniger überzeugend. Schrift und Bekenntnis, so die nun dominierende Überzeugung, schließen die Einsetzung von Frauen als Pastorinnen nicht aus und allein die Berufung auf die Tradition kann als Argument nicht hinreichen. In intensiven und oft sehr kontroversen Diskussionen setzte sich die Ordination von Frauen und ihre Einsetzung als Pastorinnen in den meisten Kirchen durch, so etwa in den Landeskirchen der Evangelischen Kirche in Deutschland (EKD).

Zur ersten Pastorin einer evangelisch-lutherischen Kirche in Deutschland wurde 1958 Elisabeth Haseloff in Lübeck ordiniert, die letzte Gliedkirche der EKD, die die Frauenordination gesetzlich einführte, war die Kirche von Schaumburg Lippe 1991. In der Evangelisch-Lutherischen Kirche in Baden erfolgte die erste Ordination einer Frau erst 2011. Dabei wurde für Pastorinnen in der EKD zunächst die Ehelosigkeit vorausgesetzt, bis 1974 schieden sie durch Heirat aus dem Amt aus. In Österreich galt diese Vorschrift bis 1980.

Angesichts einer jahrhundertelangen gegenteiligen Praxis stieß die Ordination von Frauen oft auf erhebliche Widerstände, nicht zuletzt an der Basis. Würden Frauen als Pastorinnen von den Gemeinden akzeptiert? Es wurden biblische Argumente vorgebracht. Besonderes Gewicht hatte die Sorge, dass ökumenische Schwierigkeiten entstehen und die Bemühungen um eine Gemeinschaft vor allem mit der römischen und mit den orthodoxen Kirchen zusätzlich belastet würden.

Welche Dynamik diese Argumente entfalten können, wird exemplarisch deutlich an der Lutherischen Kirche Lettlands, in der einige Frauen ordiniert wurden, in einem Beschluss der Synode vom Juni 2016 die Zulassung von Frauen zur Ordination aber wieder abgelehnt wurde (vgl. HK, August 2016, 6).

Besonders gut dokumentiert ist der Prozess der Einführung der Frauenordination in der Bayerischen Landeskirche. Hier votierte die Synode 1974 für die Ordination von Frauen, jedoch wollte der damalige Landesbischof Hermann Dietzfelbinger diesen Beschluss nicht mittragen. Laut Kirchengesetz stand ihm eine Art Vetorecht zu. Wenn er einen Beschluss für schrift- oder bekenntniswidrig erachtete, konnte er die Synode auflösen. Sollte jedoch die dann neu zu wählende Synode in dieser Thematik wiederum in gleichem Sinne entscheiden, war dieses Votum bindend. In diesem Fall hatte der Landesbischof keine Möglichkeit mehr zu einer rechtsverbindlichen Ablehnung. Um diesen Prozess, der zu erheblichen Spannungen hätte führen können, zu vermeiden, trat Dietzfelbinger 1975 vorzeitig von seinem Amt zurück. Sein Nachfolger Johannes Hanselmann hatte keinen Gewissensvorbehalt, sodass der Weg zur Frauenordination offen war. Noch 1975 wurde sie eingeführt, ein Jahr später wurden drei Frauen ordiniert, 1977 übernahm Marianne Pflügler als erste Frau in Bayern ein Pfarramt.

In dieser Auseinandersetzung um die Frauenordination in der evangelischen Kirche in Bayern wandte sich Martin Bogdahn, der spätere evangelische Regionalbischof in München, an Karl Rahner und bat diesen um eine Stellungnahme, ob die Einführung der Frauenordination tatsächlich ein Hindernis für die Ökumene darstellen würde. In seiner Antwort bezeichnete Rahner die mögliche Einführung der Frauenordination als eine kirchenrechtliche und pastorale Differenz zur katholischen Kirche, die aber den dogmatischen Dissens zwischen den Kirchen nicht verstärken würde: „Natürlich gibt es bei uns eine breite und zeitliche lange Tradition, die die Frau von der priesterlichen Ordination ausschließt. Und ich bin nicht der Ansicht, daß diese Tradition schnell ihr Übergewicht verlieren wird. (…) Ich bestreite aber, dass diese Tradition einen absolut verbindlichen Charakter eines Dogmas“ hat.

Rahner betonte in seinem Brief, dass dies seine persönliche Überzeugung sei, er sei nicht von der katholischen Kirche zu dieser Stellungnahme autorisiert. Doch er persönlich erachte die Tradition, ausschließlich Männer zu ordinieren, für „eine bloß menschlich geschichtliche, für einen für vergangene oder vergehende Zeiten notwendigen oder legitimen Reflex der profanen kulturellen und gesellschaftlichen Situation der Frau, einer Situation, die heute sich sehr schnell wandelt“.

Größere Probleme stellte die Frauenordination in den Kirchen dar, die das Amt, insbesondere das Bischofsamt, als konstitutiv für ihr Kirchesein erachten. Das gilt vor allem für den Anglikanismus und die altkatholische Kirche. Im Lambeth Quadrilateral, das für alle anglikanischen Kirchen verbindlich gilt, ist die Ordination von Frauen nicht geregelt. In der Folge haben die anglikanischen Kirchen sehr unterschiedliche Entscheidungen getroffen, die differierenden Bestimmungen führen bis in die Gegenwart hinein zu Kontroversen. In den Siebzigerjahren wurden in Kanada, in den USA und in Neuseeland Frauen zum Priesteramt geweiht, um das Jahr 1990 dann auch zu Bischöfinnen gewählt. 2006 wurde in den USA Katharine JeffertsSchori Primas einer anglikanischen Kirchenprovinz.

In der Church of England ist die Priesterweihe von Frauen seit 1994 möglich, die Bischofsweihe seit 2014, nachdem letztere zuvor die nötige Zweidrittelmehrheit der Laienvertreter knapp verfehlt hatte. Widerspruch zu dieser Entscheidung gibt es in der Church of England auch noch heute, einige anglikanische Kirchen vornehmlich aus Afrika und Ostasien lehnen die Frauenordination nach wie vor ab. In patriarchalisch geprägten Gesellschaften ist sie nur schwer durchzusetzen.

Die altkatholische Kirche erachtet die Ordination als Sakrament, führt sie also auf eine Stiftung Christi zurück. Dies stellte eine besondere Schwierigkeit für die Änderung der bestehenden Praxis dar. So sprachen sich 1976 die altkatholischen Bischöfe gegen die Zulassen von Frauen zum ordinierten Amt aus. Allerdings war dieser Beschluss nicht einstimmig und folglich nicht bindend. 1982 stellte die Internationale Bischofskonferenz die Diakonatsweihe von Frauen frei, 1987 und 1988 wurden in der Schweiz und in Deutschland erstmals Diakoninnen geweiht.

1989 sprach sich die deutsche Bistumssynode für die Öffnung des priesterlichen Amtes für Frauen aus. Allerdings setzte man aus Rücksicht auf die anderen Kirchen der Utrechter Union, die diesen Beschluss teils deutlich kritisierten, diesen nicht sofort in die Praxis um. Erst 1994 beschloss die Bistumssynode in Deutschland mit sehr großer Mehrheit, dass Frauen „von jetzt an den gleichen Zugang zum ordinierten Amt haben wie Männer“. Eine gemeinsame Erklärung der Internationalen Bischofskonferenz erwies sich als nicht möglich, faktisch wurde damit die Entscheidung den Ortskirchen überlassen.

Nach der Lehre der orthodoxen und der altorientalischen Kirchen ist das Weiheamt Männern vorbehalten. Jedoch gibt es Diskussionen über die Wiedereinführung des Diakonats von Frauen, das in der Alten Kirche weit verbreitet war, aber mit dem Ende des Byzantinischen Reiches weithin verschwunden ist. Dabei kann die Übertragung des Amtes der Diakonin sowohl sakramental als auch nicht-sakramental erfolgen, sakramentale Weihen erfolgten in der Neuzeit im Gegensatz zur Kirche im ersten Jahrtausend nur sehr selten. 2004 stimmte der Heilige Synod der griechisch-orthodoxen Kirche dafür, den Bischöfen eine Ernennung von monastischen Diakoninnen zu erlauben, die in der Liturgie des Klosters mitwirken. 2016 beschloss das Patriarchat von Alexandrien, die Weihe von Diakoninnen zu ermöglichen, ein Jahr später wurden fünf Frauen zu Diakoninnen geweiht.

Dieser kurze Überblick zeigt, dass das Problem der Frauenordination in allen christlichen Kirchen relevant ist. In vielen Kirchen sind Frauen zu allen Ämtern, einschließlich dem Bischofsamt, zugelassen, andere kennen nur die Zulassung zum Pfarramt oder auch nur zum Diakonat. Daneben gibt es auch eine Reihe von Kirchen, die die Ämter nach wie vor Männern vorbehalten. Die gesamte Bandbreite dieser Regelungen zeigt sich etwa in der Anglikanischen Gemeinschaft oder auch in Kirchen, die dem Lutherischen Weltbund angehören. Angesichts der Tendenz, in religiösen Fragen auf Kontinuität zu bauen und Neuerungen eher skeptisch zu sehen, ist es erstaunlich, dass sich trotz einer zumeist jahrhundertelangen gegenteiligen Praxis innerhalb von rund 40 Jahren in vielen Bereichen der christlichen Kirchen die Ordination von Frauen durchgesetzt hat.

Pastorinnen und Bischöfinnen sind heute in den meisten Kirchen selbstverständlich, sie werden mit wenigen Ausnahmen von den Gemeinden problemlos akzeptiert. Die Sorge, die vor allem in den Sechzigerjahren laut wurde, Frauen am Altar und auf der Kanzel würden von den Gemeinden nicht anerkannt, hat sich fast durchwegs als unbegründet erwiesen. Im Gegenteil werden sie als eine Bereicherung der Verkündigung und der Seelsorge wahrgenommen. Ihr Fehlen würde als Verarmung empfunden.

Angesichts dieser gesamtchristlichen Entwicklung klingen die Festlegungen von Papst Johannes Paul II. besonders schrill. In deutlicher Spannung zu der Aussage von Papst Pius XII., „dass die Kirche, was sie festgelegt hat, auch verändern und abschaffen kann“, dekretierte er, „dass die Kirche keinerlei Vollmacht hat, Frauen die Priesterweihe zu spenden, und dass sich alle Gläubigen der Kirche endgültig an diese Entscheidung zu halten haben“. Nachdem die meisten christlichen Kirchen oft Jahrzehnte hindurch um die Frauenordination gerungen und sich in aller Regel ihre Entscheidung nicht leicht gemacht hatten, stellte diese Aussage des Papstes einen massiven ökumenischen Affront dar.

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