Claudio Hummes: Der Franz-Mann

Der frisch gekürte Generalrelator der Amazoniensynode teilt die Vision des Papstes von einer Kirche der Armen. Seine Ernennung gilt als Fingerzeig.

Claudio Hummes blickt in die Kamera.
© KNA

Dass Jorge Mario Bergoglio der 266. Nachfolger Petri wurde, mag dem Engagement des Heiligen Geistes im Konklave zuzuschreiben sein, aber dass der neue Papst ausgerechnet den Namen Franziskus annahm, geht auf das Wirken des Brasilianers Claudio Hummes zurück. Beide, Bergoglio und Hummes, waren 2001 im selben Konsistorium von Johannes Paul II. zu Kardinälen ernannt worden, und entsprechend ihrer gleichen Seniorität saßen die beiden im Konklave 2013 nebeneinander.

„Als die Stimmen schließlich die Zweidrittelmehrheit erreichten, gab es den üblichen Applaus“, erzählte der neue Papst später vor Vatikanjournalisten. „Da umarmte er [Hummes] mich, küsste mich und sagte: ,Vergiss die Armen nicht!‘ Dieses Wort hat sich mir eingebrannt: die Armen, die Armen. Und dann, plötzlich, in Verbindung mit den Armen, musste ich an Franziskus von Assisi denken.“ Wenige Augenblicke später nahm Franziskus für seine erste Ansprache als Papst („Fratelli e sorelle: Buonasera …“) neben seinem Zeremonienmeister und dem Kardinalvikar entgegen dem Protokoll noch einen weiteren Mann mit auf die Loggia des Petersdomes: Claudio Hummes.

Es war das erstaunliche Comeback eines Mannes, der eigentlich schon abgemeldet war im Vatikan. Benedikt XVI. hatte Hummes, den langjährigen Erzbischof von São Paulo, im Jahr 2006 zum Präfekten der Kleruskongregation ernannt. Doch Hummes gelang das Kunststück, bei seinem neuen Dienstherrn bereits in Ungnade zu fallen, ohne ein einziges Mal das eigene neue Büro betreten zu haben: Vor seiner Abreise nach Rom hatte Hummes nämlich der Zeitung „Estado de Sâo Paulo“ gesagt: „Der Zölibat ist kein Dogma.“

Der Satz war für sich genommen eine Selbstverständlichkeit, wurde aber aus dem Mund des neuen obersten Chefs der Priester als Ankündigung gedeutet, die Ehelosigkeit zu überdenken. Ein Eindruck, der dem Papst offenbar nicht gefiel, jedenfalls veröffentlichte Hummes wenig später im „Osservatore Romano“ einen Text über die „Wichtigkeit des priesterlichen Zölibats“, in dem er die Ehelosigkeit plötzlich als „wahrhaft kostbares Geschenk Christi an seine Kirche“ pries. Das Fremdeln zwischen ihm und der Kurie, das übrigens auf Gegenseitigkeit beruht haben soll, wurde nie überwunden. Hummes’ Amtszeit war von entsprechend kurzer Dauer: Vier Jahre nach seinem Umzug nach Rom nahm Benedikt XVI. sein Rücktrittsgesuch aus Altersgründen an, und Hummes kehrte nach Brasilien zurück.

Nun, knapp neun Jahre und einen Papstrücktritt später, wird Kardinal Hummes, mittlerweile 84 Jahre alt, noch einmal eine Schlüsselrolle im Vatikan übernehmen: Franziskus hat ihn zum Generalrelator der Amazoniensynode ernannt. In dieser Eigenschaft wird Hummes der Sonderversammlung der Bischofssynode (6. bis 27. Oktober) mit einer Einführung den Weg weisen und die Federführung beim Abschlussdokument innehaben.

Die Entscheidung ist ein Fingerzeig, in welche Richtung sich die Synode nach den Vorstellungen des Papstes bewegen sollte. Die Amazoniensynode hat den Auftrag, über einen besseren Schutz der indigenen Völker im Amazonasgebiet vor Umweltzerstörung und Ausbeutung zu beraten (vgl. HK, Mai 2019, 42-45). Der Franziskaner Hummes hat sich zeitlebens in besonderer Weise für die Rechte von Armen und Unterdrückten eingesetzt. Als Bischof bot er verfolgten Gewerkschaftsführern Schutz und ging an der Seite des späteren Staatspräsidenten Lula da Silva gegen die Militärdiktatur auf die Straße. Hummes teilt auch Franziskus’ Misstrauen gegenüber weltweit tätigen Wirtschaftskonzernen.

Außerdem gilt Hummes’ Ernennung als Omen für das Thema, das nicht im Mittelpunkt stehen soll und auf das dennoch Katholiken in aller Welt schauen: die Frage nach den „Viri probati“, die angesichts des Priestermangels in Amazonien eingeführt werden könnten. Mit der Personalie Hummes steigt die Wahrscheinlichkeit, dass sich Franziskus die „Viri probati“ in bestimmten Regionen vorstellen kann. Hummes hat sich schon häufiger als Befürworter regionaler Sonderwege zu erkennen gegeben. Der „Deutschen Welle“ sagte er erst vor wenigen Monaten: „Wir brauchen eine andere Form des Klerus, eine Form, die autochthon ist. In diesem Kontext stellt sich auch die Frage nach der Verpflichtung zum Zölibat.“

Die Formulierung vom „wahrhaftig kostbaren Geschenk Christi an seine Kirche“ wiederholte Hummes bei dieser Gelegenheit übrigens nicht.

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