Standortbestimmung für Wort-Gottes-Feiern am SonntagSchwierige Wortkommunion

Die Zahl von Wort-Gottes-Feiern am Sonntag wird auch im deutschen Sprachraum aufgrund des Priestermangels weiter zunehmen. Weiterhin stellen sich aber eine Reihe theologischer und pastoraler Probleme. Wie kann der Wortlastigkeit solcher Gottesdienste begegnet werden? Und wie ist mit dem Wunsch vieler Mitfeiernder nach einem Kommunionempfang umzugehen? Ein neues offizielles Feierbuch in der Deutschschweiz gibt hier interessante Impulse.

Vier Monate nach der Verabschiedung der Liturgiekonstitution „Sacrosanctum Concilium“ (SC) am 4. Dezember 1963 fand in Mainz ein Kongress unter dem Titel „Gottesdienst nach dem Konzil“ mit 2300 Teilnehmenden statt. Der Kongress begann und schloss mit einem „feierlichen Wortgottesdienst“ („sacra verbi Dei celebratio“), wie ihn die Liturgiekonstitution im Zusammenhang der neuen und starken Wertschätzung der Heiligen Schrift empfohlen hatte (Nr. 35,4). Für die Veranstalter war klar, dass Gottesdienste bei einem solchen Anlass nicht Neben-, sondern Hauptsache sind. Sie und die beiden Bischöfe, Hermann Volk und Kardinal Julius Döpfner, die diesen Wortgottesdiensten vorstanden, setzen damit ein starkes Zeichen. An eigenständige Wortgottesdienste, die aufgrund von Priestermangel – nicht etwa in der Mission, sondern im deutschen Sprachgebiet – von Frauen und Männern mit Theologiestudium, aber ohne Weihe geleitet werden, dürften sie zu diesem Zeitpunkt wohl kaum gedacht haben.

Aber schon wenige Jahre später, bei den Synoden in Deutschland, Österreich und der Schweiz Anfang der siebziger Jahre war der Priestermangel Thema. Eine Antwort war die Empfehlung von sogenannten „Wort- und Kommunionfeiern“ in den Abschlussdokumenten. Nach und nach zeigten sich Probleme theologischer und pastoraler Art, die sich aus diesen Feiern ergeben sollten: Was bedeutet es für die Pfarrgemeinde als Ekklesia, wenn mehr oder weniger häufig ein sogenannter „Sonntagsgottesdienst ohne Priester“ als „Ersatz“ an die Stelle der Messe tritt? Wie verhalten sich Wort- und Kommunionfeiern zur Messe? Erfüllen die Gläubigen damit ihre Sonntagspflicht oder nicht? Welche Art von liturgischem Leitungsdienst üben die Vorsteherinnen und Vorsteher aus? Die Fragen berühren bei Mitfeiernden und Vorstehenden bis heute empfindliche Punkte – und die Anzahl dieser Feiern am Sonntag wird sicher zunehmen.

Das erste offizielle Feierbuch für solche Gottesdienste trägt den Titel „Die Wortgottesfeier. Der Wortgottesdienst der Gemeinde am Sonntag. Vorsteherbuch für Laien“ (hg. vom Liturgischen Institut Zürich im Auftrag der deutschschweizerischen Bischöfe, Freiburg [Schweiz] 1997). Der Titel zeigt einen Wandel im Verständnis der Feier an, der zugleich eine Vorgabe darstellt, die in der pastoralen Praxis nicht leicht einzulösen ist: Wie kann man das Wort Gottes feiern?

Mit dem Buch „Die Wort-Gottes-Feier“ aus dem Jahr 2004 setzt sich die Bezeichnung in Deutschland und Österreich – anders in der Schweiz – weitgehend durch (Die Wort-Gottes-Feier. Werkbuch, hg. von den Liturgischen Instituten Deutschlands und Österreichs im Auftrag der Deutschen Bischofskonferenz, der Österreichischen Bischofskonferenz und des Erzbischofs von Luxemburg, Trier 2004; vgl. zu diesen beiden Feierbüchern Marion Dürr, „Brannte uns nicht das Herz …?“ Struktur und Gestaltung der Wort-Gottes-Feier an Sonn- und Feiertagen am Beispiel der Rollenbücher für das deutsche Sprachgebiet, Regensburg 2011). Damit ist das negative Vorzeichen („priesterlos“, „ohne Priester“) gefallen und auch die mit „Wort- und Kommunionfeier“ nicht zufällig an die beiden Hauptteile der Eucharistiefeier erinnernde Bezeichnung überwunden. Die Wortverkündigung sollte zum Zentrum der Feier werden, die Feier mit Kommunionspendung dagegen die Ausnahme. Doch die pastorale Wirklichkeit veränderte sich nicht einfach mit den Buchtiteln und die Kommunionfeier blieb der Normalfall.

Aktuelles belastbares Zahlenmaterial zu Wort-Gottes-Feiern gibt es kaum. Nicht repräsentative Umfragen in Deutschland, Österreich und der Schweiz sowie zahlreiche Hinweise von Einzelpersonen legen den Schluss nahe, dass etwa 80 bis 90 Prozent aller Wort-Gottes-Feiern mit Kommunionspendung durchgeführt werden (vgl. die Beiträge von Christoph Freilinger, Martin Klöckener und Eduard Nagel in: Laien leiten Liturgie. Die Wort-Gottes-Feiern als Aufgabe und Herausforderung für die Kirche, Eberhard Amon und Benedikt Kranemann [Hg.], Trier 2013). Sie werden schlechter besucht als die Eucharistiefeier; noch schwieriger werde es, so kann man aus der Praxis hören, bei reinen Wort-Gottes-Feiern.

Da viele Feiern aufgrund von Priestermangel an die Stelle einer Eucharistiefeier traten, blieb das negative Vorzeichen an ihnen haften: „Wir haben nur noch eine Wort-Gottes-Feier.“ Die Verbreitung von Wort-Gottes-Feiern fällt entsprechend dem Anteil „verfügbarer“ Priester regional unterschiedlich aus. In der Schweiz (nicht nur Deutschschweiz) kamen im Jahr 2012 auf 2300 Messen am Sonntag etwa 300 sonntägliche Wort-Gottes-Feiern (vgl. Judith Albisser, Kirche im Wandel – Veränderungen in der religiösen Praxis, in: Schweizerische Kirchenzeitung 182 [2014] 355). In Diasporagebieten oder in Schweizer Bergregionen gibt es Pfarreien mit nur einer Eucharistiefeier im Monat.

Die Leitung von Wort-Gottes-Feiern ist in Deutschland, Österreich und der Schweiz unterschiedlich geregelt. Grosso modo kann man sagen, dass in der Schweiz Diakone, Gemeindeleiterinnen oder -leiter (Theologinnen und Theologen mit einer bischöflichen Beauftragung zur Leitung einer Pfarrei), Pastoralassistentinnen und -assistenten, doch selten Laien ohne Theologiestudium diesen Feiern vorstehen. In Deutschland und Österreich gibt es dagegen eine hohe Anzahl von Laien, die mit einer seriösen Ausbildung und bischöflicher Beauftragung als so-genannte „Gottesdienstbeauftragte“ ehrenamtlich Wort-Gottes-Feiern leiten. Sie verwenden dabei das Feierbuch von 2004, das in den meisten Diözesen Deutschlands und Österreichs verbindlich ist, während in der Schweiz das offizielle, bischöflich approbierte Buch von 1997 aus unterschiedlichen Gründen wenig rezipiert wurde.

Die inzwischen 40-jährige Geschichte von Wort-Gottes-Feiern im deutschen Sprachgebiet führte in den liturgischen Formularen von einer starken Anlehnung an die Eucharistiefeier zu einer Fokussierung auf das Wort der Verkündigung, in dem Gott spricht und dem die Mitfeiernden antworten zum Beispiel durch ein feierliches Lobgebet, ein spezifisches Element von Wort-Gottes-Feiern (vgl. dazu Kranemann, Das „Lob- und Dankgebet“ in der sonntäglichen Wort-Gottes-Feier. Zu Genese, Struktur und Theologie eines neuen Gebetselements, in: Kranemann und Thomas Sternberg [Hg.], Wie das Wort Gottes feiern? Der Wortgottesdienst als theologische Herausforderung, Freiburg 2002, 205-233).

Doch die Entwicklung darf noch lange nicht als abgeschlossen gelten, nicht zuletzt deshalb, weil die Frage nach der Kommunionspendung in der Wort-Gottes-Feier ein heißes Eisen bleibt. Das neue Deutschschweizer Feierbuch ist Teil dieses Prozesses (Die Wort-Gottes-Feier am Sonntag, hg. vom Liturgischen Institut in Freiburg im Auftrag der Bischöfe der deutschsprachigen Schweiz. Freiburg Schweiz 2014, 2. durchgesehene Auflage: 2015). Noch stärker als die beiden Bücher aus den Jahren 1997 und 2004 setzt es bei der Theologie des Wortes Gottes an und nimmt damit eine Frucht der Liturgiekonstitution sowie der in diesem Jahr fünfzigjährigen Offenbarungskonstitution „Dei Verbum“ (DV) und zahlreicher nachkonziliarer Dokumente bis hin zum Nachsynodalen Apostolischen Schreiben „Verbum Domini“ von 2010 auf.

Am Beginn stand die Frage, wie die Wort-Gottes-Theologie des Konzils, der Patristik, ja der Bibel so in ein rituelles Gefüge übersetzt werden kann, dass das Wort im Erleben der Gläubigen als Nahrung vom Tisch des Wortes (vgl. SC Nr. 51, DV Nr. 21 u.ö.) empfangen und die Gegenwart Christi im Wort der Verkündigung (vgl. SC Nr. 7) erfahrbar werden kann. Wie kann es gelingen, das Wort Gottes zu feiern und den Mitfeiernden eine geistlich fruchtbare Erfahrung mit dem Wort zu ermöglichen? Wie kann es zu einer „Wortkommunion“ (Otto Nussbaum) kommen: den Empfang Christi im Wort und die Communio durch das gemeinschaftliche Hören des Wortes? Dieser Herausforderung stellte sich eine Arbeitsgruppe mit Vertretern aus allen Schweizer Diözesen (außer Lugano) und verschiedenen kirchlichen Berufsgruppen sowie Frauen und Männern, die die entstehende neue Grundform und einige Zeichenhandlungen bei Kurstagen und in Pfarreien erprobten. Schritt für Schritt wurden die Erfahrungen aus der Praxis in das entstehende Buch eingearbeitet.

Es ging also darum, eine Form zu finden, in der das Wort der Schrift zum Ereignis wird, zur Anrede, was natürlich nicht nur für die Wort-Gottes-Feier gelten kann, dafür aber in eminenter Weise. Das ist nicht leicht, denn erstens verklingen Worte schnell und zweitens hat eine ausschließlich verbale Kommunikation deutliche Schwächen. Wort-Gottes-Feiern geraten in Gefahr, wortlastig und womöglich langweilig zu werden. Wahrscheinlich ist dies einer von mehreren Gründen, die zur Ablehnung von reinen Wort-Gottes-Feiern führen. Das ungegenständliche Wort muss also sinnliche Präsenz gewinnen, und zwar eine, die über den Klang der menschlichen Stimme hinausgeht, und diese Präsenz so bewahren, dass sie die Mitfeiernden in ihrer Antwort an Gott unterstützt.

Die liturgische Tradition hat dafür ein Medium, das Evangeliar, und eine Aktionsform, die Evangelienprozession vor der Verkündigung des Evangeliums. Als Möglichkeit verzeichnen sie auch die beiden Bücher von 1997 und 2004. Will man nun Ernst damit machen, dass die ganze Schrift Wort Gottes ist (vgl. DV Nr. 9 u.ö.), kommt die Evangelienprozession nach der ersten und zweiten Lesung zu spät. In der neuen Grundform tritt das eine Wort Gottes vor der ersten Lesung in die Mitte, und zwar in symbolischer Gestalt eines Buchs, im optimalen Fall einer Lesungsbibel, aus praktischen Gründen (vorerst?) durch ein Lektionar, das immerhin die ganze Bibel in Gestalt von Perikopen aus unterschiedlichen Büchern enthält. Auch das Feierbuch von 2004 bietet die Möglichkeit, dass eine Lektorin oder ein Lektor das Lektionar auf schlichte Weise vor der ersten Lesung vom Altar oder einem Pult zum Ambo trägt, wenn keine Evangelienprozession vorgesehen ist.

Die rituelle Inszenierung im neuen Feierbuch geht darüber hinaus. Sie entwickelt sich vom Einzug über die Epiphanie des Wortes bei der Prozession bis nach der Verkündigung des Evangeliums: Eine Lektorin (ich verzichte auf die männliche Form) trägt das Lektionar beim Einzug und legt es geschlossen auf ein Pult, den so genannten „Ort des Buches“.

Nach einem Litaneigebet, das den Gläubigen ermöglichen soll, gesammelt in die Gegenwart Gottes zu treten, beginnt der zweite Teil der Feier, „Gottes Wort hören – die Verkündigung“ (ich beschreibe nur eine von zwei Formen und lasse einige rituelle Details weg): Während die Mitfeiernden einen Kehrvers singen, nimmt die Lektorin das Lektionar vom Ort des Buches, erhebt und zeigt es, während die Vorsteherin spricht: „Sei gegrüßt, du Wort, das der Welt den Anfang gab. Sei gegrüßt, du führst dein Volk durch die Zeit. Sei gegrüßt, du bleibst in Ewigkeit. Sei gegrüßt, Gottes Wort: Wirke in uns“ (Text: Jürgen Lenssen). Der Kehrvers wird wiederholt, die Lektorin tritt an den Ambo, alle setzen sich und sie trägt die erste Lesung vor.

Was geschieht hier? Die Bewegung im Raum zieht die Blicke an, fördert Aufmerksamkeit und weckt eine Erwartung. Das Buch wird zur Mitte des Geschehens. Mit der Begrüßung des Wortes ist angesagt, was geschieht: Gott erscheint im Wort, das sogleich verkündigt werden wird. Die Prozession mit dem Lektionar bereitet auf das Hören vor. Die Inszenierung macht das erklingende Wort wichtig. Die Präsenz, die es damit bekommt und die (hoffentlich) während der (wiederum: hoffentlich gut vorgetragenen) Lesungen erhalten bleibt, ja noch einmal eine Steigerung erfährt, wenn das Evangelium verkündet wird (Stehen, Halleluja, gegebenenfalls Inzens, Akklamation vor der Verkündigung), fordert danach noch einmal eine kleine, aber bedeutsame Handlungssequenz, denn es geht nicht an, ein solchermaßen das Wort Gottes repräsentierendes Buch im Fach unter dem Ambo verschwinden zu lassen.

Also trägt die Vorsteherin das Lektionar zum Ort des Buches zurück, legt es dort geöffnet nieder und spricht ein Gebet, das an eine jüdische Beracha erinnert: „Gepriesen bist du, Herr unser Gott, denn heute hast du zu uns gesprochen durch das Wort des Evangeliums. Dein Wort fordert uns heraus, dein Wort festigt unsere Hoffnung. Gepriesen sei dein heiliger Name, Vater, Sohn und Heiliger Geist.“ Was sich in biblischer Zeit ereignet hat, wird identifiziert als etwas, das gerade jetzt geschieht. Wie damals, so auch heute, denn es ist Jesus Christus, der gegenwärtig ist. Diese Art der Inszenierung des Wortes durch Zeichenhandlungen mit dem Lektionar und einer Proklamation zu Beginn sowie einem Gebet zum Schluss, berührt und unterscheidet sich zugleich vom Kleinen Einzug mit dem Evangeliar in der byzantinischen Liturgie und dem Ausheben mit der Tora im Synagogengottesdienst.

Auf das Wort der Verkündigung antworten die Mitfeiernden im dritten Teil der Feier nonverbal in Zeichenhandlungen und verbal durch ein Lobpreisgebet. Diese Gebete erwiesen sich in der Praxis als anspruchsvolles Element. Möglicherweise ist der Lobpreis als Gebetsgattung und -haltung Vorstehenden und Mitfeiernden eher fremd. Die acht Lobpreisgebete im neuen Feierbuch sind kürzer als die bisherigen, sie verbinden traditionelle und moderne Gebetssprache und werden vorzugsweise von zwei Personen vorgetragen, was die Lebendigkeit steigert und das innere Mitbeten aller erleichtert (Hörbeispiele mit Akklamationen für die Gestaltung: www.liturgie.ch/liturgiepraxis/wort-gottes-feier/hilfen-fuer-die-einfuehrung/536-lobpreis-gestalten).

Auch für die nonverbale Antwort auf das Wort, die anders als in den Büchern von 1997 und 2004 kein fakultatives Element ist, stehen mehrere Zeichenhandlungen zur Verfügung: eine Verehrung Christi durch eine Kerzen­darbringung vor dem Buch oder durch eine Verneigung vor dem Buch, der Zuspruch eines biblischen Wortes, ein Taufgedächtnis, eine Feier mit Bußakt und Versöhnungszeichen. Ein weiterer Vorschlag ist die Eröffnung der Wort-Gottes-Feier mit einer Lichtdanksagung (Luzernar).

Mit oder ohne Kommunionausteilung?

Diese und weitere Gestaltungselemente der Feier wie etwa das Kapitel für die Feier mit Familien, ein ökumenisches Taufgedächtnis und Kurztexte für die Feier mit Kirchenfernen zu entdecken, sei den Benutzerinnen und Benutzern des Buches überlassen. Die Wortlastigkeit der Feier ist in jedem Fall durch die Prozession mit dem Lektionar und die Zeichenhandlungen im dritten Teil der Feier deutlich zurückgetreten und damit auch eines, sicher nicht das wichtigste Argument gegen die Kommunionspendung geschwächt. Damit muss allerdings auch die längst fällige Frage gestellt werden: mit oder ohne Kommunionspendung?

Die Feier mit Kommunionspendung wurde bereits in den Büchern von 1997 und 2004 als Ausnahme vom Normalfall benannt. Die Bischöfe der deutschsprachigen Schweiz blieben bei der Empfehlung einer Feier ohne Kommunion­spendung, die dennoch in bestimmten Fällen möglich ist. Nach der Hervorhebung der Zentralität des Wortes Gottes für die Wort-Gottes-Feier heißt es im Geleitwort der Bischöfe beinahe lapidar: „Sie wird deshalb ohne Kommunion begangen.“ Wenn das Buch keine Texte für die Kommunionspendung bietet, vielmehr auf das Ergänzungsheft zum bisherigen Buch verweist und die Verbindung der neuen Grundform mit den Kommuniongebeten lediglich durch ein Ablaufschema anzeigt, liegt das ganz in dieser Linie (Feierliche Kommuniongebete für die Wortgottesfeier mit Kommunion. Ergänzungsheft zum Feierbuch „Die Wortgottesfeier“, erarbeitet von einer Arbeitsgruppe der Basler Liturgischen Kommission, herausgegeben vom Liturgischen Institut der deutschsprachigen Schweiz in Freiburg im Auftrag der deutschschweizerischen Bischöfe, Freiburg/Schweiz 2007).

Die Entscheidung der Bischöfe, die im Übrigen von zahlreichen Liturgiewissenschaftlern geteilt wird, hat überwiegend theologische Gründe. Die Pastorale Einführung hält fest, dass die Eucharistiefeier am Sonntag für die Kirche konstitutiv ist und für das christliche Leben grundlegende Bedeutung hat (vgl. Nr. 18f.). Die Wort-Gottes-Feier mit Kommunionspendung könne die Eucharistiefeier als Auftrag Jesu nicht ersetzen kann, da sie weder Mahl ist, noch Opfer oder Gedächtnishandlung (vgl. Nr. 21).

Der Vorschlag oder gar die Empfehlung von Wort-Gottes-Feiern ohne Kommunionspendung löst bei Gläubigen in aller Regel starke Emotionen und Widerstand aus. Das kann niemanden überraschen, handelt es sich doch beim Kommunionempfang um einen äußerst intimen Akt und bei der Eucharistie um das höchste geistliche Gut der Kirche, das Vermächtnis Jesu. Niemand kann etwas dagegen haben und Bischöfe oder Theologen schon gleich gar nicht. Es geht also um etwas anderes: um die „Integrität der eucharistischen Liturgie“ (Pastorale Einführung, Nr. 23). Das ist nur scheinbar selbstverständlich. Bildete die Eucharistie seit Jahrhunderten die Mitte katholischer Frömmigkeit, nicht aber der regelmäßige oder gar selbstverständliche Kommunionempfang, so änderte sich das vor rund hundert Jahren mit den Kommuniondekreten Pius‘ X.

Der Kommunionempfang nahm stark zu, erfolgte normalerweise aber nicht innerhalb der Messe. Die Konzilsväter wünschten nun, dass die Gläubigen in der Messe kommunizieren und so die integrale Gestalt der eucharistischen Handlung wiederhergestellt würde (vgl. SC Nr. 55). Das ist heute der Normalfall und darüber dürfen wir froh sein. Doch parallel zur Ingebrauchnahme des neuen deutschen Messbuchs (ab 1975) setzt in denselben Jahren mit den zunächst langsam zunehmenden Wort- und Kommunionfeiern eine neue Form von Kommunionempfang außerhalb der Messe ein. Weil Sonntagsgottesdienst und regelmäßiger Kommunionempfang seit mehreren Generationen zusammengehörten, ist die Empfehlung einer Feier ohne Kommunionempfang zweifellos im Empfinden von vielen Mitfeiernden ein kaum einsehbarer, schmerzlicher Einschnitt: „Die wollen uns auch das noch nehmen.“

Diese typische Reaktion ist nur zu verständlich. Man wird dennoch Fragen stellen dürfen: Ist die integrale Gestalt der eucharistischen Handlung – er nahm das Brot (Brotbrechung), sagte Dank (Eucharistisches Hochgebet), brach es (Brotbrechung) und gab es den Seinen (Kommunion) – so tief im katholischen Bewusstsein verankert, dass verständlich wird, warum die Kommunionspendung außerhalb der Eucharistiefeier eine Ausnahme bleiben muss? In welchem Maß ist das Wort der Schrift in den fünfzig Jahren nach dem Zweiten Vatikanischen Konzil zur Nahrung geworden, aus dem Gläubige leben, wenn sie die Kommunion nicht empfangen?

Die Bemühungen um liturgische und biblische Bildung waren immens, doch ohne das Erleben in der Feier, das neue Erfahrungen freisetzt, werden sich theologische Erkenntnisse schwerlich im Leben einwurzeln. Es braucht also Orte, an denen das flüchtige, schnell verklingende Wort der Schrift zur festen Nahrung werden kann. Wort-Gottes-Feiern können durch eine entsprechende rituelle Inszenierung einen Beitrag dazu leisten, was selbstverständlich eine langsame und behutsame Einführung verlangt. Wort-Gottes-Feiern können und dürfen die Eucharistiefeier nicht ersetzen, aber sie sollten zum erwartungsvollen Hören des Wortes beitragen und sie sollen das Verlangen nach dem Brot des Lebens stärken. Und wer weiß, vielleicht findet in diesem Jahr irgendwo ein Kongress zum 50. Jubiläum der Konstitution über die göttliche Offenbarung „Dei Verbum“ statt, der mit einer Wort-Gottes-Feier beginnt und endet. 

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