ZdKZwischen Kirche und Politik

Zuletzt haben sich die Vollversammlungen des Zentralkomitees der deutschen Katholiken intensiv mit dem Dialogprozess der katholischen Kirche beschäftigt. Die jetzt im November neu hinzugewählten 45 Einzelpersönlichkeiten könnten dazu beitragen, dass die politischen Themen wieder wichtiger werden.

Nach einer verhaltenen Anfangseuphorie herrscht im Dialogprozess zur Zukunft der katholischen Kirche in Deutschland derzeit gespannte Erwartung, ob aus der Vielfalt der Aktivitäten auf diözesaner wie überdiözesaner Ebene Vorzeigbares erwächst. Das war auch auf der jüngsten Vollversammlung des Zentralkomitees der deutschen Katholiken (ZdK) zu spüren, die Ende November in Bonn-Bad Godesberg stattgefunden hat.

Fast die Hälfte des „Berichts zur Lage“ von Alois Glück war dem Dialogprozess gewidmet – wobei es dem ZdK-Präsidenten nicht darum ging, den Druck auf die Bischöfe weiter zu erhöhen. Die Ausführungen waren mehr eine unterschwellige Mahnung zur Behutsamkeit, um die unterschiedlichen Gespräche, die momentan geführt werden, nicht zu torpedieren. Ausdrücklich lobte Glück, dass heute in der katholischen Kirche „offener und ehrlicher miteinander geredet“ werde als früher.

Schon in einem Interview im Vorfeld hatte er dem Dialogprozess eine „positive Eigendynamik“ bescheinigt. Glück warnte auch davor, sich zu sehr auf die Forderung nach einem Diakonat der Frau zu versteifen, weil diese nach Lage der Dinge nicht sehr aussichtsreich sei; stattdessen gelte es, neue Möglichkeiten einer Zusammenarbeit von Priestern und Laien auszuloten. Noch vor einem Jahr platzte in den Verlauf der ZdK-Vollversammlung die Stellungnahme des Sekretariats der Deutschen Bischofskonferenz, dass die Stunden zuvor beschlossene Erklärung „Für ein partnerschaftliches Zusammenwirken von Frauen und Männern in der Kirche“ eine „erhebliche Belastung“ für den Dialogprozess sei, weil eben dieses Amt gefordert wurde.

Der Umgang mit Wiederverheirateten

Glück lobte jetzt noch einmal das ein halbes Jahr später von ZdK und Bischöfen zusammen veröffentlichte Papier über das „Zusammenwirken von Charismen und Diensten im priesterlichen, prophetischen und königlichen Volk Gottes“ (vgl. HK, August 2012, 384) sowie das Schreiben der deutschen Bischöfe an ihre Priester, das er als Absage an „den von einem Teil der jüngeren Priester gepflegten Klerikalismus“ interpretierte. Gleichzeitig äußerte er aber auch Sorge, dass die Umstrukturierung der Gemeinden „weithin primär als eine organisatorische Maßnahme auf der Basis von Mangelverwaltung“ organisiert wird.

Ganz ans Ende der Vollversammlung hatte die Tagungschoreographie die Philippina Cora Mateo gesetzt, mit der die Zusammenarbeit von Frauen und Männern als dem derzeit drängendsten Thema in der Kirche, so Vizepräsidentin Claudia Lücking-Michel, mit einem Impuls aus der Weltkirche wieder aufgegriffen wurde. Souverän verband die Mitarbeiterin der Föderation der Asiatischen Bischofskonferenzen (FABC) Elemente des Bibelteilens in dem Großgremium mit ihren Ausführungen zur Rolle der Laien in „Kleinen Christlichen Gemeinschaften“ beziehungsweise Basisgemeinden – und dabei besonders die Rolle von Frauen in der Gemeindeleitung.

Zuvor wurde das andere prominente Beispiel für konkrete Schritte im Dialogprozess thematisiert: Immerhin gibt es hier auch konkrete Bemühungen der Bischöfe um Lösungen im Umgang mit wiederverheirateten Geschiedenen, und zwar sowohl mit Blick auf den Kommunionempfang als auch hinsichtlich neuer Möglichkeiten im kirchlichen Arbeitsrecht.

In einem Impulsreferat skizzierte der Freiburger Moraltheologe Eberhard Schockenhoff noch einmal die verschiedenen Lösungsansätze und begründete den von ihm favorisierten Weg. Dieser hebt darauf ab, dass nicht jede zivil geschlossene Zweitehe zwingend eine objektive Schuld bedeutete und auf der Grundlage individueller Gewissensentscheidungen beispielsweise ein Kommunionempfang sehr wohl auch offiziell zugelassen werden könnte.

Er erinnerte an das in diesem Zusammenhang viel bemühte Zitat, mit dem Benedikt XVI. in den sechziger Jahren als Theologieprofessor eine amtliche Zulassung zu den Sakramenten durch den einzelnen Priester in Erwägung gezogen hatte. Der heutige Präfekt der Glaubenskongregation, Erzbischof Gerhard Ludwig Müller, habe darüber hinaus noch im Jahr 1995, also nach der römischen Absage an den Vorstoß der Bischöfe der Oberrheinischen Kirchenprovinz in dieser Sache, darauf hingewiesen, dass eine Regelung nicht zu sehr auf das subjektive Empfinden des einzelnen Priesters abheben dürfe und deshalb auch darüber hinausgehend eine Art offizielle Regelung getroffen werden müsse.

Schockenhoff insistierte in jedem Fall darauf, dass die Eucharistie nicht nur die Feier derer sein dürfe, die sich durch ihre Lebensführung ausgezeichnet haben. Sobald man Jesu Scheidungsverbot in das Gesamt seiner Botschaft einordne, sei deutlich, dass zur Gemeinschaft der Versöhnten alle gehören, die sich nach dem Bekennen eigener Schuld der erbarmenden Liebe Gottes zuwenden.

Die Vollversammlung selbst hatte sich im Folgenden anstelle der vorbereiteten Stellungnahme zum Umgang mit geschiedenen und wiederverheirateten Geschiedenen letztlich dann auf einen kurzen Appell beschränkt, mit dem die bisherigen Initiativen bis hin zum Papier des Theologischen Fakultätentags (vgl. HK, November 2012, 589 ff.) unterstützt werden sollen. Die Wertschätzung der unauflöslichen Ehe, so der Schlusssatz, werde bei den Gläubigen wie in der Gesellschaft insgesamt eher steigen, wenn die Kirche „die unzerbrüchliche Liebe Gottes auch bei einem tragischen, ja sogar schuldbehafteten Scheitern durch ihr Tun lebensdienlich erfahrbar macht“.

Wahl von Politikern mit Spitzenämtern

Zu den bemerkenswerteren Vorgängen auf der Vollversammlung gehörte da vor allem die Wahl der 45 Einzelpersönlichkeiten, die alle vier Jahre von den Delegierten, darunter 84 Diözesanräte (je drei aus den 27 Diözesen und dem Jurisdiktionsbereichs des Militärbischofs) und aktuell 97 Vertretern katholischer Verbände und anderer Organisationen, hinzugewählt werden.

Bereits im ersten Wahlgang waren auffällig viele Politiker mit teils höheren Ämtern erfolgreich. Neben dem CSU-Politiker Glück, der 144 von 147 möglichen Stimmen erhielt, gehören etwa Vizekanzler Philipp Rösler (FDP), die für Integration zuständige Staatsministerin im Bundeskanzleramt, Maria Böhmer (CDU), sowie die beiden Vorsitzenden von großen CDU-Landesverbänden in der Opposition, Armin Laschet (Nordrhein-Westfalen) und Julia Klöckner (Rheinland-Pfalz), die beide zwischenzeitlich auch stellvertretende Bundesvorsitzende sind, oder der baden-württembergische Ministerpräsident Winfried Kretschmann (Bündnis 90/Die Grünen) weiterhin dem ZdK an.

Neu hinzugekommen sind die beiden CDU-Ministerpräsidenten Annegret Kramp-Karrenbauer (Saarland) und Reiner Haseloff (Sachsen-Anhalt). Auch weitere Grünen-Politiker wurden gewählt, nachdem die erste Vertreterin dieser Partei im ZdK, Christa Nickels, nicht mehr kandidiert hatte und mit viel spontanem Beifall nach elf Jahren im Amt verabschiedet wurde: zum einen Sylvia Löhrmann, Kultusministerin und stellvertretende Ministerpräsidentin in Nordrhein-Westfalen, und Bettina Jarasch, Landesvorsitzende von Bündnis 90/Die Grünen in Berlin. Der Sprecher für Kirchenpolitik der Bundestagsfraktion, Josef Winkler, war ebenso bereits dabei wie von der CSU die bayerische Landtagspräsidentin Barbara Stamm und von der SPD etwa der aus der Politik ausscheidende Bundestagsvizepräsident Wolfgang Thierse wie die Schatzmeisterin der Partei, Barbara Hendricks.

Die Wahl von Politikern mit Spitzenämtern, die nicht alle gleichermaßen engagiert in einem solchen Gremium mitarbeiten können, ist nicht selbstverständlich. Glück hatte im Vorfeld gewarnt, dass die katholische Kirche es in politischen Debatten zunehmend schwerer haben werde. Bereits heute sei absehbar, dass es in der nächsten Legislaturperiode ab Herbst dieses Jahres deutlich weniger Abgeordnete geben werde, die sich in der katholischen Kirche engagieren. Offensichtlich fänden sich derzeit immer weniger Menschen aus ihrem Umfeld dazu bereit, weil sie befürchten müssten, für ihre politischen Entscheidungen innerkirchlich angefeindet zu werden, nachdem Politik wesentlich in Kompromissen zwischen verschiedenen Überzeugungen bestehe.

Umso wichtiger sei es deshalb, jenes Potenzial auch auszuschöpfen. Ausdrücklich hieß es im „Bericht zur Lage“: „Wenn wir den ,politischen Katholizismus‘ stärken wollen, muss er hier bei uns personell verankert sein.“ Gerade unter schwieriger werdenden Rahmenbedingungen sei das Zentralkomitee auf politische Repräsentanten in den eigenen Reihen angewiesen, die die Anliegen dann auch in den politischen Prozess übersetzen könnten.

Selbstverständlich ging es auch bei dieser Herbstvollversammlung um politische Themen: Angemahnt wurden Fortschritte bei der Ausgestaltung der Asyl- und Flüchtlingspolitik in Europa wie auch in Deutschland, abgelehnt wurde die Verordnung, mit der das Gesetz zur Präimplantationsdiagnostik umgesetzt werden soll.

Das ZdK verabschiedete eine Erklärung, mit der bei einer Enthaltung und einer Gegenstimme von Bundeswirtschaftsminister Rösler die Kürzung des Entwicklungshilfeetats trotz Steuereinnahmen in Rekordhöhe kritisiert wurde, und forderte in einem anderen Papier dazu auf, dass staatliche wie kirchliche Stellen ihre Beschaffung konsequent nach sozialen und ökologischen Kriterien ausrichten sollen (Schutz der Menschenrechte, Nachhaltigkeit). Es reiche nicht aus, wenn nur der Einzelne sein Kauf- und Konsumverhalten an ethischen Kriterien orientiere.

Insgesamt aber hatten es politische Themen eher schwer. Manchem war da das Ergebnis der Wahlen von neuen Einzelpersönlichkeiten ein Fingerzeig dafür, dass die Balance zwischen eher kirchlichen und mehr politischen Themen im ZdK in den kommenden Jahren neu austariert werden könnte.

Wer wird Präsident?

Angefangen von der längst fälligen Entscheidung, wo denn der Katholikentag 2016 stattfinden wird, ist auch darüber hinaus noch manches offen. Dazu gehört nicht zuletzt die Frage, wer am Ende des Jahres 2013 an der Spitze des ZdK sein wird, da in diesem Herbst das Präsidium neu gewählt werden wird. Nach der im ersten Anlauf von den Bischöfen verhinderten Präsidenten-Kür im Jahr 2009 wird der danach Auserkorene weiterhin als der sprichwörtliche „Glücksfall“ angesehen. Glück selbst hat in jenem Interview darauf hingewiesen, dass seine Amtszeit im kommenden Jahr auslaufen werde und es derzeit mehr dazu nicht zu sagen gebe. Eine wirkliche Alternative zeichnet sich derzeit allerdings kaum ab.

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