Neues Vatikan-Papier „Dignitas infinita“Endliche Würde

In einer lehramtlichen Erklärung hat sich die vatikanische Glaubensbehörde zur Menschenwürde und zu aktuellen moralischen Fragen geäußert. Zum Glück ist Gott anders, kommentiert unsere Autorin.

Der Titel des neuen Dokuments klingt vielversprechend, ja verheißungsvoll: Dignitas infinita – „unendliche Würde“. Doch das ist Augenwischerei. Im Ergebnis halten Titel und Text nicht, was sie versprechen. Sie sind auch nicht verheißungsvoll. Denn Verheißungen sind Zusagen. Davon ist Rom weit entfernt.

Zunächst handelt das 25-seitige Schreiben von Erwartbarem: Krieg, Völkermord, Armut, Euthanasie, Menschenhandel, Verschleppung, Sklaverei, Prostitution. All das sind unbestrittene Verstöße gegen die Menschenwürde. Auch die Abtreibung wird genannt. Etwas seltsamer, jedenfalls in der Formulierung, ist „der freiwillige Selbstmord“. Der Kirche sei die „unveräußerliche Würde, die der menschlichen Natur unabhängig jeden kulturellen Wandels zukommt“, wichtig. Sagt sie. Doch das stimmt nicht.

Denn es geht mitnichten um eine „unendliche Würde“, die keine Grenzen kennt und niemanden ausschließt. Sondern um eine Würde nur für die Gläubigen, die dem Vatikan genehm sind. Das betonte der Glaubenspräfekt, Víctor Manuel Fernández, schon vorab: Dignitas infinita befasse sich mit einer „deutlichen Kritik an den unmoralischen Tendenzen der heutigen Gesellschaft“, allen voran der „Geschlechtsumwandlung“ und der „Gender-Ideologie“.

Auch Papst Franziskus spricht seit einiger Zeit von „Gender-Ideologie“. Statt von Tatsachen. Er nennt sie die „hässlichste Gefahr“. Statt Gefahren zu benennen, die wirklich existieren; nicht zuletzt für Menschen, die die Kirche ausgrenzt. Er habe „Studien gelesen“, so Franziskus. Statt jene zu treffen, um die es geht. Die Ideologie lösche Unterschiede aus, sagt er. Statt zu sehen, dass gerade die „unerwünschten“ Unterschiede das Leben bunt machen.

In der Erklärung liest sich das so: „Das menschliche Leben in all seinen Bestandteilen, körperlich und geistig“, sei „ein Geschenk Gottes, von dem gilt, dass es mit Dankbarkeit angenommen“ werde. Und was ist mit dem Schmerz, den die Betroffenen oft erleiden?

Oder so: „Über sich selbst verfügen zu wollen, wie es die Gender-Theorie vorschreibt, bedeutet … nichts anderes, als der uralten Versuchung des Menschen nachzugeben, sich selbst zu Gott zu machen.“ Als suchten sich die Menschen aus, wie sie sind. Als schriebe „die“ Gender-Theorie irgendetwas vor…

Es ist noch gar nicht lange her, da „erlaubte“ der Vatikan eine Segnung „irregulärer Paare“, die nicht länger als 15 Sekunden dauern darf. – Und nun das.

Mal wieder lässt die Kirche jene im Stich, die nicht so sind, wie sie ihrer Meinung nach sein sollten. Mal wieder moralisiert die Kirche etwas, was mit Moral nichts zu tun hat. Es ist, als würde eine Blinde von der Farbe reden.

Zum Glück ist Gott anders. Darum sind mir folgende Seligpreisungen eingefallen:

Selig, die sind, wie sie sind;

denn Gott hat sie so erschaffen.

Selig, die sich nicht verbiegen lassen;

denn die Liebe hört nie auf.

Selig, die sich nicht verbieten lassen;

denn die Würde ist unendlich.

Selig, die wissen, dass sie Gottes

Kinder sind;

ihnen kann Rom nichts anhaben.

Seligpreisungen sind übrigens Verheißungen.

Anzeige: In der Tiefe der Wüste. Perspektiven für Gottes Volk heute. Von Michael Gerber

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