Neue KirchenstudieAn den Werken erkannt

Katholische und evangelische Kirche verlieren rasant an Mitgliedern und gesellschaftlicher Bedeutung. Doch aus der aktuellen Kirchenstudie lassen sich auch positive Lehren ziehen.

Die nun veröffentlichte 6. Auflage der Kirchenmitgliedschaftsuntersuchung (KMU) beginnt mit einem Novum: Unter den mehr als 5000 befragten Personen waren erstmals nicht nur evangelische und konfessionslose, sondern auch katholische und Mitglieder anderer Religionsgemeinschaften. Die Studie ist somit repräsentativ für die Gesamtbevölkerung in Deutschland ab dem 14. Lebensjahr.

Inhaltlich bestätigt sie ein Bild des anhaltenden Niedergangs: Waren im Jahr 1972 noch 90 Prozent der (damals westdeutschen) Bevölkerung Mitglied in einer der beiden großen Kirchen, sind es heute gerade noch 48 Prozent (25 katholisch, 23 evangelisch). Dabei glaubt laut der Studie nur knapp ein Fünftel der Befragten, „dass es einen Gott gibt, der sich in Jesus Christus zu erkennen gegeben hat“ – sogar deutlich weniger Menschen als die Kirchen Mitglieder haben.

Rund ein Drittel der Deutschen bejaht am ehesten „ein höheres Wesen oder eine geistige Macht“. Mehr als die Hälfte glaubt nichts davon oder gibt an, es nicht zu wissen. Somit dürfte die oft wiederholte These widerlegt sein, wonach Religiosität lediglich aus den Institutionen ins Private abwandere. Vielmehr liegt die Vermutung nahe, dass Deutschland mit dem Schwinden der Kirchen insgesamt säkularer wird.

Dramatisch sind vor allem die Aussagen über die Bindung der Gläubigen: Nur noch 4 Prozent der katholischen und 6 Prozent der evangelischen Christinnen und Christen geben an, ihrer jeweiligen Kirche eng verbunden zu sein. Das Vertrauen insbesondere in die katholische Kirche ist enorm gesunken (von über 80 auf nur 22 Prozent der eigenen Mitglieder seit den 80er-Jahren). Die Neigung zum Austritt ist deutlich gestiegen: Fast die Hälfte der Katholiken denkt über einen Kirchenaustritt nach, nur noch ein Drittel schließt ihn grundsätzlich aus.

Wie man in kirchlicher Verantwortung stehen und angesichts dieser Ergebnisse ruhig bleiben kann, ist schlicht unerklärlich. Was aber tun?

Neben viel Niederschmetterndem bietet die Untersuchung auch Grundlagen für einige positive Lehren. Drei zentrale Erkenntnisse in aller Kürze: Zunächst räumt die Studie mit der von konservativen Stimmen allzu gern vorgetragenen Mär auf, eine vermeintliche „schweigende Mehrheit“ stehe Reformprozessen in der Kirche skeptisch gegenüber. Das Gegenteil ist der Fall: Eine überwältigende Mehrheit von 96 Prozent der Katholikinnen und Katholiken findet, dass sich ihre Kirche grundlegend erneuern muss – zu den wichtigsten Reformthemen gehören ein positiver Umgang mit Homosexualität, mehr Mitbestimmung von Laien, Aufhebung des Zölibats und stärkere ökumenische Zusammenarbeit. Traut euch endlich!

Ein ebenso wichtiger Befund betrifft die Jugendarbeit. Nur 8 Prozent derjenigen, die religionslos aufgewachsen sind, treten laut Studie später einer Religionsgemeinschaft bei. Wer also in seiner Jugend nicht in Kontakt mit der Kirche kommt, wird es auch später kaum tun. Deshalb: Schluss mit dem Genörgel über die „ungläubigen Jugendverbände“. Kinder- und Jugendarbeit gehören ganz oben auf die Prioritätenliste.

Punkten können die Kirchen zu guter Letzt in der Außenwirkung: Mehr als drei Viertel der Konfessionslosen erwartet von ihnen, dass sie sich für arme, kranke, geflüchtete Menschen und für mehr Klimaschutz einsetzen. Gleichzeitig engagiert sich mehr als die Hälfte aller Kirchenmitglieder ehrenamtlich – deutlich häufiger als im Gesamtschnitt. Zeigen wir der Gesellschaft, warum!

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