Leere KirchenGottes Weite

Was sakrale Architektur über Gott aussagt.

Die Gassen der Altstadt von Neapel sind eng. Selbst im Sommer fällt nur wenig Tageslicht in die Häuserschluchten. Anders als in Rom gibt es nur wenige Plätze, die Bebauung folgt noch immer dem quadratischen Straßennetz der Antike. Zwischen Reisegruppen, Souvenirständen und knatternden Motorrollern sieht man kaum bis zur nächsten Straßenecke.

Wie überraschend ist da der Raumeindruck in Neapels zahlreichen Kirchen. Hinter meist schlichten (eingerüsteten) Fassaden öffnen sich ungeahnte Weiten. Besonders eindrucksvoll in der Franziskanerkirche San Lorenzo Maggiore: Zur Gänze von Gebäuden umschlossen, verschwindet ihr Portal zwischen Werbeschildern und trocknender Wäsche. Dahinter betritt man eine andere Welt. Helles Licht, freie Sicht, Ruhe und Raum zum Atmen. Alles das, was Gott ist und was so leicht vom Alltag verdeckt wird – heute wie vor Jahrhunderten, als die Kirche erbaut wurde.

Das leere Schiff und die gotischen Gewölbe können mir gegenwärtig mehr von Gott vermitteln als unsere real existierende Kirche. Sie engt Menschen ein, statt sie zur Selbstentfaltung zu ermutigen. Sie gibt zu viele Antworten und lässt zu wenig Raum für Fragen.

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